OGH 6Ob68/70

OGH6Ob68/708.4.1970

SZ 43/68

Normen

ABGB §879
WechselG Art46
ABGB §879
WechselG Art46

 

Spruch:

Der Berufung auf die Formstrenge des Wechsels steht nicht die Replik der Sittenwidrigkeit entgegen

OGH 8. April 1970, 6 Ob 68/70 (OLG Linz 4 R 3/70; KG als HG Steyr 1 Cg 507/69)

Text

Die Klägerin erwirkte am 14. Oktober 1969 auf Grund des Wechsels vom 17. Juni 1968, fällig am 17. September 1968, gegen den Beklagten als Wechselaussteller den Wechselzahlungsauftrag, den Betrag von 350.000 S samt 6% Zinsen seit 18. September 1968 zur ungeteilten Hand mit dem Annehmer Karl R zu bezahlen.

Der Beklagte erhob rechtzeitig Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag, daß die Klägerin mangels Protesterhebung ihr Recht gegen ihn als Aussteller verloren habe, der Anspruch der Klägerin außerdem verjährt sei.

Die Klägerin entgegnete auf die Einwendungen, daß der Beklagte der Klägerin den Protest erlassen habe; der Beklagte sei überdies davon verständigt worden, daß der Wechsel am Fälligkeitstag nicht eingelöst worden sei; ferner habe der Beklagte die Klägerin ersucht, mit der Geltendmachung des Wechsels gegen ihn zuzuwarten, worin ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu erblicken sei; die Erhebung der Einrede des mangelnden Protestes und der Verjährung seien daher sittenwidrig. Hilfsweise stützte die Klägerin ihren Anspruch auf die Bereicherung des Beklagten nach Art. 89 WG.

Das Erstgericht hob den Wechselzahlungsauftrag auf. Es stellte folgendes fest: Der Wechsel über den Betrag von 350.000 S wurde am 17. Juni 1968 mit Verfallstag 17. September 1968 vom Beklagten ausgestellt und von Karl R angenommen. Eine Protesterlaßklausel findet sich auf dem Wechsel nicht vor. Der Wechsel wurde laut Indossament vom Aussteller an die Klägerin weitergegeben. Ein Protest mangels Annahme oder mangels Zahlung wurde nicht erhoben. Der Wechsel wurde am Ausstellungstag vom Beklagten bei der Klägerin eingereicht, wobei er der Klägerin den Protest erlassen hat. Die Klägerin machte zu 3 Cg 118/68 des Kreisgerichtes L den gegenständlichen Wechsel gegen den Bezogenen (Annehmer) Karl R geltend und erwirkte am 8. Oktober 1968 gegen diesen einen Wechselzahlungsauftrag, der rechtskräftig geworden ist.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Infolge der unterlassenen Protesterhebung habe die Klägerin ihre Rechte gegen den Beklagten als Aussteller des Wechsels verwirkt. Dieser Rückgriffsverlust trete auch ein, wenn ein Protesterlaß außerhalb des Wechsels vorliege, denn ein formloser oder formwidriger Protesterlaß habe wechselmäßig keine Wirkungen. Ein nicht auf den Wechsel gesetzter formloser Protesterlaß begrunde nur eine gemeinrechtliche Verpflichtung des Beklagten. Eine Überleitung des Wechselverfahrens in ein ordentliches Verfahren sei nicht möglich, da die Klägerin in ihrer Klage nur die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages begehrt habe. Es sei daher nicht zu überprüfen gewesen, ob ein Protesterlaß außerhalb des Wechsels rechtliche Wirkungen zwischen der Klägerin als Wechselinhaberin und dem Beklagten als Aussteller des Wechsels haben könnte. Daher sei auch nicht zu prüfen gewesen, ob die Berufung des Beklagten auf den Rückgriffsverlust infolge Versäumung des Protestes sittenwidrig sei und es sei auch auf die Einrede der Verjährung nicht näher einzugehen gewesen. Auf einen Bereicherungsanspruch könne sich die Klägerin nicht stützen, da die Aufrechterhaltung einer Wechselklage als Bereicherungsklage eine unzulässige Änderung des Klagsgrundes darstellen würde.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin wendet sich in der Revision nur mehr dagegen, daß die Untergerichte ihre aus der außerwechselmäßigen Erklärung des Beklagten bzw. aus dessen Verhalten abgeleiteten Replik der Sittenwidrigkeit gegen die Einrede des Anspruchsverlustes infolge Unterlassung des Protestes nicht berücksichtigt haben. Die Untergerichte sind jedoch mit Recht davon ausgegangen, daß für das Recht des Wechselinhabers und die Verpflichtung der Wechselschuldner aus dem Wechsel immer nur der Skripturakt maßgebend ist und auf den Willen der an der Ausstellung des Wechsels beteiligten Personen grundsätzlich nicht zurückgegangen werden kann (JBl 1948, 90). Denn das Wechselrecht ist ein streng formales Recht. Demnach kann, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, eine vom Beklagten außerhalb des Wechsels abgegebene Erklärung - wie im vorliegenden Fall der behauptete Protesterlaß - bei der Beurteilung der Wechselschuld, die nur nach dem Skripturakt zu erfolgen hat, nicht berücksichtigt werden (Kapfer, Handkommentar zum WG, Einleitung XIX). Aus der Bestimmung des Art 17 WG kann nicht, wie es die Revisionswerberin tut, auf die allgemeine Zulässigkeit einer Prüfung der Sittenwidrigkeit von Einwendungen gegen einen Wechselanspruch geschlossen werden, da diese Bestimmung eine Sondernorm darstellt. Auch auf die Verkehrssitte ist nur bei der Auslegung der wechselmäßigen Erklärungen und Unterschriften Rücksicht zu nehmen (Kapfer aaO). Die Untergerichte haben daher mit Recht mangels Protesterhebung den Verlust des Rückgriffsrechtes der Klägerin als Wechselinhaberin gegen den Beklagten als Aussteller des Wechsels angenommen, so daß auf die Verjährungseinrede, auf die - wie erwähnt - die Revisionswerberin ebensowenig wie auf den von ihr in erster Instanz geltend gemachten Bereicherungsanspruch zurückgekommen ist, nicht eingegangen werden mußte.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte