OGH 5Ob11/70

OGH5Ob11/7028.1.1970

 

Spruch:

Entschädigungsansprüche mehrerer durch eine strafbare Handlung Geschädigter auf die für verfallen erklärte Haftkaution; sie können ihren Anspruch auf verhältnismäßige Befriedigung auch ohne vorausgehendes Aufforderungsverfahren im ordentlichen Rechtsweg geltend machen.

OGH 28. Jänner 1970, 5 Ob 11, 12/70 (OLG Innsbruck 2 R 151/69; LG Feldkirch 3 Cg 1625/68)

Am 1. Juni 1959 wurde beim Fürstlich Liechtensteinischen Handelsgericht in Vaduz die Gründungsurkunde bezüglich des Treuunternehmens mit selbständiger juristischer Persönlichkeit "T" hinterlegt. Noch am selben Tag trat der fiduziarische Gründer Dr Alfred B, RA in Vaduz, alle statutarischen und gesetzlichen Rechte dieses Trusts unwiderruflich an den Handelsvertreter Siegfried G aus Dornbirn ab, blieb vorerst aber dennoch einziger Verwaltungsrat und Repräsentant dieser Gesellschaft, bis am 21. März 1960 Adolf G als Alleininhaber zum Verwaltungsrat bestellt wurde.

Anfangs Juni 1959 ließ Adolf G in verschiedenen österreichischen Zeitungen Inserate folgenden Inhalts erscheinen: "Zu vergeben:

Treibstofftransporte. Ausländisches Unternehmen vergibt zu ganz hervorragenden Bedingungen 24monatige Transportverträge Überland. Beginn der Transporte ab Oktober 1960. Ankauf eines dementsprechenden Tankzuges bzw Bereitstellung und Finanzierung wird geboten. Schriftliche Anfragen werden streng vertraulich behandelt. Anfragen von konzessionierten Transportunternehmen unter "XY 16306" an Werbungsvermittlung W ...".

Auf dieses Inserat hin kam der Kläger mit Adolf G in Verbindung. Dies führte zum Abschluß eines schriftlichen Transport- und Lieferungsvertrages, nach welchem der Kläger von der "T" einen Mercedes-Benz-Tankzug zum Preis von 585.000 S kaufte und sich verpflichtete, auf diesen Kaufpreis eine Anzahlung von 155.000 S zu leisten, den Restkaufpreis von 430.000 S durch Abschluß eines Ratenfinanzierungsvertrages bei einem der "T" genehmen Kreditinstitut aufzubringen, den Tankzug während der Dauer des Vertrages nur für "T"-Transporte einzusetzen und dabei wöchentlich Transporte im Umfang von 1000 Frachtkilometer gegen eine Vergütung von 10 S pro Frachtkilometer und eine Entschädigung von 3.50 S pro Kilometer Leerfahrt durchzuführen. Dieser Vertrag wurde vom Kläger und auf der Seite der "T" von Dr Alfred B unterschrieben.

Auf Grund dieses Vertrages leistete der Kläger eine Anzahlung von 155.000 S, u zw 55.000 S in bar und 100.000 S durch Hingabe eines Wechsels, den die "T" an die Firma Dipl-Ing Herbert S, welche die Mercedes-Benz Vertretung in Vorarlberg innehatte, zedierte und der vom Kläger auch ordnungsgemäß eingelöst wurde.

In der Folge stellte sich jedoch heraus, daß das Geschäft nicht realisiert weiden konnte. Die "T" trat vom Vertrag zurück, konnte jedoch die Anzahlung nicht mehr zurückstellen. Sie wurde deshalb vom Kläger zu 1 Cg 17/60 des LG Feldkirch auf Rückgabe der Anzahlung von 155.000 S samt 9% Zinsen seit 31. Jänner 1960 geklagt. Dem Klagebegehren wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenden VU des LG v 23. Juni 1960 stattgegeben.

Zur Hereinbringung dieser vollstreckbaren Forderung führte der Kläger gegen die "T" zu E 1764/60 des BG Bludenz und zu E 5466/60 des BG Dornbirn Exekution auf Forderungen, doch konnte er nur 4754 S hereinbringen.

Am 22. November 1960 wurde beim Landgericht Vaduz über das Vermögen der "T" das Konkursverfahren eröffnet, das jedoch bald darauf mangels einer Masse wieder eingestellt wurde.

In der Folge brachte der Kläger zu 3 Cg 2058/61 des LG Feldkirch gegen die Firma Dipl-Ing H S & Co in Dornbirn die Klage auf Zahlung von 100.000 S mit der Begründung ein, daß ihr aus der Anzahlung die dem eingeklagten Betrag entsprechende Summe von sfrs 16.698 in Kenntnis ihrer Zweckbestimmung direkt zugeflossen sei. In dem über diese Klage eingeleiteten Verfahren kam es am 28. Juni 1962 zu einem Vergleich, in dem sich die Firma Dipl-Ing H S & Co verpflichtete, dem Kläger einen Betrag von 50.000 S zu zahlen. Dieser Verpflichtung kam sie auch nach.

Mit Urteil des LG Feldkirch 23. März 1968, 1 Cg 136/66-12, wurde Adolf G verpflichtet, dem Kläger den ihm aus diesem Geschäft entstandenen Schaden in der Höhe von 145.800.34 S samt 9% Zinsen seit 18. Juli 1963 und die mit 3880.37 S bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen.

Auf Grund einer vom Kläger erstatteten, auf dieses Geschäft bezüglichen Strafanzeige und des Antrages der StA Feldkirch wurde gegen Adolf G mit Beschluß des LG Feldkirch 22. November 1960 die Voruntersuchung wegen Verdachtes des Verbrechens des Betruges i S der §§ 197, 200, 203 StG, allenfalls des Verbrechens der Veruntreuung i S des § 183 StG, eingeleitet.

Am 29. April 1963 erhob die StA Feldkirch vor dem LG Feldkirch gegen Adolf G und Dr Alfred B die Anklage wegen Verbrechens des Betruges i S der §§ 197, 200, 203 StG, begangen dadurch, daß sie im Frühsommer und Sommer 1959 an verschiedenen Orten Österreichs und in Vaduz durch listige Handlungen und Vorstellungen, nämlich durch die Zusage, beim Ankauf von Mercedes-Benz-Tankzügen Aufträge zum Transport von Treibstoffen mit wöchentlich mindestens je 1000 Frachtkilometern zu einem besonders günstigen Tarif und auf die Dauer von 2 Jahren vergeben zu können, eine Reihe von Personen in Irrtum geführt und geschädigt hätten. Unter den in der Anklageschrift aufgezählten Geschädigten befindet sich auch der Kläger, bezüglich dessen der tatsächliche Schaden mit 155.000 S angegeben wurde.

Im Verlauf des Strafverfahrens wurde Adolf G am 18. Oktober 1963 in Untersuchungshaft genommen und am 6. Dezember 1963 nach Leistung des Gelöbnisses und Erlag einer Kaution von 100.000 S auf freien Fuß gesetzt. Weil er das Gelöbnis brach und sich nach Bulgarien absetzte, wurde mit dem rechtskräftig gewordenen Beschluß des LG Feldkirch v 31. Juli 1964 (12 Vr 1437/60) der Kautionsverfall ausgesprochen.

Bei der Hauptverhandlung am 17. Oktober 1966 haben die Privatbeteiligten ihre Forderungen wie folgt angegeben:

Erich B 3.000 S,

Georg L 182.000 S,

Wolfgang E 416.742 S,

Kurt H 20.000 S,

Josef N 80.000 S,

Wilhelm M 170.000 S,

Anton S (Kläger) 166.000 S,

Anton St 17.000 S,

Johann C 3.000 S,

Anni A 310.000 S,

Dr Alfred B 1.000 S,

zusammen 1.348.742 S.

Mit dem Urteil des LG Feldkirch vom 18. Oktober 1966, 12 Vr 1437/60268, wurde Adolf G nicht des Verbrechens des Betruges, sondern nur des Vergehens der fahrlässigen Krida iSd §§ 486 Z 1, 486a StG für schuldig befunden, weil er in der Zeit vom 1. Juni 1959 bis Ende 1960 in Vaduz und an verschiedenen Orten Österreichs als Organ der "T" fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit dieses Unternehmens dadurch herbeigeführt habe, daß er ohne hinreichendes Eigenkapital gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Dr Alfred B dieses Unternehmen grundete und als dessen Inhaber gewagte Geschäfte abschloß, die mit seinen Vermögensverhältnissen in auffallendem Widerspruch standen, so insb 24 österr Kaufleute zum Teil unter unwahren Angaben und Vorspiegelungen zu Transport- und Lieferungsverträgen bestimmte, von 8 Kaufleuten, die Mercedes-Benz-Tankzüge zum Preis von je 55.000 S bestellten, Anzahlungen von insgesamt 1.120.000 S entgegennahm, damit zum Teil übermäßigen Aufwand trieb und leichtsinnig und unverhältnismäßig Kredite benützte. Die Privatbeteiligten - worunter sich auch der Kläger befand - wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Das Strafverfahren gegen Dr B ist noch nicht abgeschlossen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, festzustellen, daß ihm aus dem zu Vr 1437/60 des LG Feldkirch mit Beschluß vom 31. Juli 1964 für verfallen erklärten Haftkautionsbetrag von 100.000 S, den Adolf G erlegt hatte, für seinen Schaden in der Höhe von 146.812.33 S ein Anspruch auf Zahlung eines Schadensbetrages gem § 193 Abs 3 StPO im Verhältnis zur Höhe der von den übrigen Geschädigten fristgerecht geltend gemachten Forderungen gegen die beklagte Republik Österreich zustehe. Er stellte ferner das Eventualbegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm aus der zu Vr 1437/60 des LG Feldkirch mit rechtskräftigem Beschluß vom 31. Juli 1964 für verfallen erklärten Haftkaution von 100.000 S, die Adolf G erlegt hatte, den Betrag von 20.000 S gem § 193 Abs 3 StPO zu zahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß der dem Kläger von Adolf G zugefügte Schaden mit dem Urteil des LG Feldkirch 1 Cg 136/66 rechtskräftig mit 145.800 S festgestellt worden sei. Der Betrag sei von G aber nicht hereinzubringen. Nach § 193 Abs 3 StPO stehe dem Kläger daher das Recht zu, die Entschädigung aus der verfallenen Haftkaution zu begehren. Da mehrere Geschädigte vorhanden seien und deren Ansprüche aus der Haftkaution nicht befriedigt werden könnten, gewähre der Anspruch auf kridamäßige Verteilung der Haftkaution ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung iSd § 228 ZPO.

Der Beklagte wendete ein: 1. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung sei auch dann nicht gegeben, wenn mehrere Gläubiger aus einer verfallenen Haftkaution kridamäßig zu befriedigen seien; der Kläger sei in der Lage, eine Leistungsklage einzubringen. 2. Der Kläger sei nicht befugt, aus der verfallenen Haftkaution eine Entschädigung zu begehren, weil Adolf G nicht wegen des im Zeitpunkt des Kautionserlages ihm zur Last gelegten Verbrechens des Betruges, sondern wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida strafgerichtlich verurteilt worden sei. 3. Der Kläger sei nicht durch ein Verhalten des Adolf G geschädigt worden. Er habe den Vertrag mit der "T" abgeschlossen; über seine Anzahlung habe auch nicht Adolf G sondern Dr B verfügt. 4. Der Kläger könne seinen Schadenersatzanspruch gegen Dr B geltend machen. 5. Der Anspruch sei verjährt, weil der Kläger nicht unverzüglich nach der Beendigung des Strafverfahrens die Klage eingebracht habe.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren des Klägers bezüglich eines Betrages von 145.800.34 S statt. Es ging davon aus, daß der Kläger, der durch die den Gegenstand des Strafverfahrens Vr 1437/60 des LG Feldkirch bildenden strafbaren Handlungen des Adolf G geschädigt worden sei, gem § 193 Abs 3 StPO das Recht habe, Entschädigung aus der für verfallen erklärten Bürgschaftssumme zu verlangen. Daß G nicht wegen Betruges, sondern - weil im Zweifel die Schädigungsabsicht nicht als erwiesen angenommen worden sei - nur wegen fahrlässiger Krida verurteilt wurde, sei ohne Belang. Das Gericht sei an die rechtliche Beurteilung der Tat durch den Ankläger überhaupt nicht, im Sachverhalt aber nur insoweit gebunden, als Anklage- und Urteilsfaktum ident sein müßten. Der durch die strafbare Handlung des Adolf G dem Kläger zugefügte Schaden sei im Verfahren 1 Cg 136/66 des LG Feldkirch mit 145.800:34 S rechtskräftig festgestellt worden. In diesem Rahmen habe der Kläger Anspruch auf Befriedigung aus der verfallenen Bürgschaftssumme. Da jedoch weitere Geschädigte vorhanden seien, denen gleichfalls ein Anspruch auf kridamäßige Befriedigung aus der Bürgschaftssumme zustehe, eine Gläubigerkonvokation hier nicht in Frage komme und es dem Kläger damit nicht möglich sei, das Ausmaß der einzelnen Ansprüche feststellen zu lassen, sei sein Feststellungsbegehren gerechtfertigt und damit auf das hilfsweise gestellte Leistungsbegehren nicht einzugehen.

Das Berufungsgericht wies mit Teilurteil das Hauptbegehren (Feststellungsbegehren) des Klägers ab. Im übrigen (Eventualbegehren und Kostenausspruch) hob es das Urteil des Prozeßgerichts auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang unter Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Gericht zweiter Instanz ging davon aus, daß das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung nicht gegeben sei, wenn eine Leistungsklage eingebracht werden könne. Nach § 193 Abs 3 StPO habe der durch die strafbare Handlung Geschädigte das Recht zu verlangen, daß aus der für verfallen erklärten Haftkaution vor allem seine Entschädigungsansprüche befriedigt werden. Seien mehrere Geschädigte vorhanden und reiche die für verfallen erklärte Haftkaution zur Deckung aller Ansprüche nicht aus, dann habe jeder Geschädigte nur einen Anspruch auf Entschädigung in dem Betrag, der sich zur Haftkaution so verhalte, wie sich sein Anspruch zur Summe aller Ansprüche verhalte. Da für eine solche kridamäßige Verteilung besondere Verfahrensvorschriften nicht bestunden, hätten die Anspruchswerber ihre Entschädigungsforderungen gegen die Repubulik Österreich im Zivilprozeß geltend zu machen, ohne daß es notwendig wäre, vorher ein Aufforderungsverfahren einzuleiten. Dem Kläger obliege aber der Nachweis dafür, daß er durch die strafbare Handlung, deretwegen der Schädiger in strafrechtliche Untersuchung gezogen und zum Erlag einer Haftkaution veranlaßt worden sei, einen Schaden erlitten habe. Daß dem Kläger wegen Vorhandenseins mehrerer Geschädigter ein Entschädigungsanspruch nicht im vollen Umfang zustehe, hätte aber die Beklagte darzutun. Daraus ergebe sich, daß der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs mit Leistungsklage nichts im Wege stehe. Der Kläger habe das Risiko dafür zu tragen, welchen Betrag er geltend mache. Ein Feststellungsurteil wäre auch nicht vollstreckbar, und es würde ein nachfolgendes Verfahren über die Höhe des Anspruches erforderlich machen.

Es sei nun zu prüfen, ob das als Eventualbegehren gestellte Leistungsbegehren zu Recht bestehe, weil Adolf G nicht wegen des ihm in der Anklage zur Last gelegten Verbrechens des Betruges verurteilt worden sei. Über Adolf G sei aber die Untersuchungshaft erst nach der Erhebung der Anklage verhängt worden. Nach der Anklage sei ihm das Verbrechen des Betruges angelastet worden, weil er durch die Zusage, beim Ankauf von Mercedes-Benz-Tankzügen besonders günstige Aufträge zum Transport von Treibstoffen vergeben zu können, mehrere Personen - darunter den Kläger - in Irrtum geführt und geschädigt habe. In objektiver Hinsicht sei der Sachverhalt, der der Anklage zugrunde gelegen sei, der gleiche, wie er ohne Änderung der Anklage zur Verurteilung wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida geführt habe; nur in subjektiver Hinsicht sei die für den Betrug notwendige Schädigungsabsicht nicht erwiesen. Daß mit der Verurteilung das Anklageprinzip nicht verletzt worden sei, er gebe sich aus § 262 StPO, wonach das Gericht verpflichtet sei, von Amts wegen zu prüfen, ob die der Anklage zugrunde liegenden Tatsachen nicht eine andere als die vom Ankläger bezeichnete Straftat begrunden. Es sei daher davon auszugehen, daß die Haftkaution von Adolf G im Zusammenhang mit jener Straftat erlegt worden sei, wegen derer er schließlich auch verurteilt wurde. Auch aus dem Urteil des LG Feldkirch v 18. Oktober 1966, 12 Vr 1437/60-268, ergebe sich, daß der Kläger durch die dem Adolf G zur Last gelegten Taten geschädigt worden sei. Ob der Schaden von Adolf G allein herbeigeführt oder von Dr B mitverursacht worden sei, sei ohne Belang. Adolf G habe mit Dr B die "T" gegründet und habe sich von ihm alle Rechte als Alleininhaber abtreten lassen. Es liege daher ein Handeln vor, das nach §§ 1301, 1302 ABGB auch im Fall einer Mithaftung des Dr Adolf G angesichts der Unbestimmbarkeit der Anteile jedenfalls seine Solidarhaftung begründe.

Daß dem Kläger gegen Adolf G wegen der den Gegenstand des Strafverfahrens 12 Vr 1437/60 des LG Feldkirch bildenden strafbaren Handlungen ein Schadenersatzanspruch von 145.800.34 S s A zustehe, sei durch das Urteil des LG Feldkirch v 20. August 1968, 1 Cg 136/66-12 (bestätigt mit Urteil des OLG Innsbruck v 15. Oktober 1968, 1 R 97/68), dargetan. Wenngleich die Rechtskraftwirkung dieses Urteils auf die Parteien beschränkt sei, besitze ein Urteil auch eine Tatbestandswirkung dergestalt, daß die Verpflichtung des Verurteilten bis zum Beweis des Gegenteils als festgestellt anzunehmen sei. In dieser Beziehung habe auch die Beklagte nur vorgebracht, daß die von der Firma Dipl-Ing H S & Co geleistete Zahlung von 50.000 S auf den Schaden hätte angerechnet werden müssen, was das Erstgericht aber ohnehin berücksichtigt habe.

Auch eine Solidarhaftung des Adolf G mit Dr B schließe den Anspruch des Klägers nicht aus, weil § 193 StPO den Anspruch unabhängig davon einräume. Auch eine Verjährung des Anspruchs sei nicht eingetreten. Abgesehen davon, daß das Strafurteil am 18. Oktober 1966 verkündet und die Klage am 21. Dezember 1966 eingebracht worden sei, bestehe für eine Verpflichtung zur unverzüglichen Geltendmachung des Anspruchs keine Handhabe. Der Anspruch nach § 193 Abs 3 StPO könne so lange geltend gemacht werden, als die Forderung selbst nicht verjährt sei. Der Kläger habe aber bereits bei der Erstattung der Anzeige am 15. September 1960 die Erklärung abgegeben, sich mit einem Betrag von 155.000 S dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen. Durch diese Erklärung sei aber die Verjährung gem § 1497 ABGB unterbrochen worden. Demgemäß sei das Eventualbegehren dem Gründe nach berechtigt, doch fehlten Feststellungen über seine Höhe, so daß die Sache noch nicht spruchreif sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts nicht Folge. Auch der Rekurs der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz blieb erfolglos.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

A. Zur Revision des Klägers:

Was die in der Revisionsbeantwortung aufgeworfene Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges anlangt, so ist für den geltend gemachten Anspruch der Rechtsweg zulässig. Nach § 193 Abs. 3 Satz 2, zweiter Halbsatz, StPO hat der durch die strafbare Handlung Geschädigte das Recht, zu verlangen, daß aus der für verfallen erklärten Haftkaution vor allem seine Entschädigungsansprüche befriedigt werden. Werden die Ansprüche des durch die strafbare Handlung Geschädigten von der Republik Österreich, die durch den rechtskräftigen Beschluß des LG Feldkirch v 31. Juli 1964, Vr 1437/60. Eigentümerin der für verfallen erklärten Kaution wurde, nicht anerkannt, dann steht ihm, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Lohsing - Serini, Österr. Strafprozeßrecht 249; Rosenblatt, Der Anspruch des Beschädigten auf die für verfallen erklärte Kaution, GZ 1902, 314; Roeder, LB d österr. Strafverfahrensrechtes 133) ausgesprochen hat (KH 3714;

SZ 6/321;

SZ 26/41; 2 Ob 235/54), der Rechtsweg zur Geltendmachung seiner Ansprüche mit Klage offen. Für die Auffassung, daß der Klage ein Verwaltungsverfahren vorauszugehen hätte, bietet § 193 Abs 3 StPO keinen Anhaltspunkt. Auch für eine analoge Anwendung der Bestimmungen über das Aufforderungsverfahren nach dem AHG oder nach anderen Vorschriften besteht, wie der OGH bereits dargetan hat (

SZ 26/41), kein Anlaß. Die Ausführungen der Beklagten in der Revisionsbeantwortung sind nicht geeignet, diese Auffassung zu entkräften.

Sind mehrere durch eine strafbare Handlung Geschädigte vorhanden und reicht die für verfallen erklärte Haftkaution zur Deckung aller Ansprüche nicht aus, dann hat jeder Geschädigte nur einen Anspruch auf verhältnismäßige Befriedigung, nämlich nach dem Verhältnis seiner Forderung zur Gesamtsumme der Forderungen. Der Geschädigte hat dabei den Nachweis für das Zurechtbestehen seiner Forderung zu erbringen. Die Beklagte hingegen, die die Haftkaution treuhändig zu verwalten hat, ist verpflichtet, die Unzulänglichkeit der Haftkaution für die Befriedigung aller Ansprüche einzuwenden und sich zum Nachweis ihres Einwandes die Unterlagen zu beschaffen. Da eine Regelung i S des § 1409 Abs 1 Satz 2 ABGB - die im übrigen nur bei einem rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Vermögens in Betracht kommt - nicht getroffen wurde, ist davon auszugehen, daß die verfallene Kautionssumme einen gemeinschaftlichen Befriedigungsfonds für alle durch die strafbare Handlung Geschädigten bildet. Es gibt kein Zuvorkommen und keine Priorität eines Entschädigungswerbers vor einem anderen, wenn dieser auch später den Anspruch auf Befriedigung aus der verfallenen Kautionssumme geltend gemacht hat (Rosenblatt, GZ 1902, 315).

Bei der Beurteilung der Frage, ob das Hauptbegehren als Feststellungsbegehren anzusehen ist, ist bei der Prüfung der Klage nicht vom Wortlaut des Klagebegehrens allein auszugehen, sondern es ist, wie der OGH ausgesprochen hat (

SZ 18/165), die Klage nach ihrem gesamten Inhalt zu prüfen. Wenn daher nach der Darstellung der Klage die Feststellung des dem Leistungsbegehren zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses begehrt wird, so hindert die Fassung des Klagebegehrens das Gericht nicht, die Klage darauf zu prüfen, ob das in ihr enthaltene, wenn auch nicht eindeutig formulierte Feststellungsbegehren gerechtfertigt ist.

Dem Berufungsgericht ist auch beizupflichten, daß dem Kläger das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung i S des § 228 ZPO fehlt. Wohl greift der Grundsatz, daß eine Feststellungsklage nicht zuzulassen ist, wenn die Leistungsklage eingebracht werden kann, nur mit der Einschränkung Platz, daß durch die Geltendmachung des Leistungsanspruchs auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird. Demgemäß dürfen weitere als die im Leistungsbegehren enthaltenen Ansprüche aus der Feststellung des einschlägigen Rechtsverhältnisses oder Anspruchs nicht in Betracht kommen. Das trifft aber im vorliegenden Fall zu. Der Kläger ist in der Lage, den ihm nach § 193 Abs 3 StPO zustehenden Anspruch mit einer Leistungsklage geltend zumachen. Die Höhe der Haftkaution ist ihm auf Grund des durchgeführten Strafverfahrens bekannt geworden. Der auf ihn entfallende Anteil ist, soweit ihm die Forderungen der anderen Geschädigten bekannt sind, für ihn bestimmbar. Daß einer von den bekannt gewordenen Geschädigten auf seinen Anteil verzichtet hätte und sich dadurch die Quote des Klägers erhöhte, wurde nicht behauptet.

In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf hingewiesen, daß es allenfalls der Beklagten obliegt, die Unzulänglichkeit der Kaution im Hinblick auf die Höhe der zu befriedigenden Ansprüche einzuwenden.

Nicht beigetreten kann den Ausführungen des Revisionswerbers, daß das rechtliche Interesse für eine Feststellungsklage gegeben sei, weil beim Erlag der Haftkaution Unkosten aufliefen und deshalb die Höhe des Anteils nicht bestimmt werden könne.

Maßgebend für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ist nur der Grund des Rechts oder Rechtsverhältnisses, das festgestellt werden soll, nicht aber die einzelnen Rechte, die zur Masse gehören, aus der der festzustellende Anspruch oder die mit diesem konkurrierenden Ansprüche befriedigt werden sollen. Im übrigen sind nach § 1 Abs 3 lit a des Bundesgesetzes vom 4. Juli 1962 BGBl 182 über die Gebühren für die Verwahrnisse der gerichtlichen Verwahrungsabteilungen Verwahrnisse im strafgerichtlichen Verfahren von den Verwahrungsgebühren befreit, so daß einschlägige Auslagen nicht entstehen.

Auch die Frage, ob die der Haftkaution zugewachsenen Zinsen im Rahmen eines Anspruchs nach § 193 Abs 3 StPO zu berücksichtigen sind (s hiezu Lohsing - Serini 248 Anm 8), bedarf aus den angeführten Erwägungen keiner Erörterung.

B. Zum Rekurs der Beklagten:

Die Beklagte wendet sich dagegen, daß der Kläger auf die verfallene Haftkaution Ansprüche geltend mache, obwohl im Zeitpunkt des Erlages der Kaution das Verbrechen des Betruges den Gegenstand der Anklage gebildet habe, wogegen Adolf G nur wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida verurteilt worden sei. Die Anklageschrift habe G zur Last gelegt, daß er seine Vertragspartner, darunter den Kläger, durch verschiedene Zeitungsinserate in Irrtum geführt und zum Abschluß von Kaufverträgen veranlaßt habe. Die Haftkaution sei ihm daher nicht im Zusammenhang mit demjenigen Delikt auferlegt worden, dessenthalben er letztlich schuldig erkannt worden sei.

Dazu ist zu sagen, daß Adolf G nach der Anklageschrift wohl das Verbrechen des Betruges zur Last gelegt wurde, weil er durch die Zusage, beim Ankauf von Tankzügen besonders günstige Aufträge zum Transport von Treibstoff vergeben zu können, mehrere Personen, darunter den Kläger, in Irrtum geführt und geschädigt habe. Wenn Adolf G mangels eines hinreichenden Nachweises seiner Schädigungsabsicht des Vergehens der fahrlässigen Krida schuldig erkannt wurde, so liegt darin kein Verstoß gegen das Anklageprinzip, denn das Gericht ist verpflichtet, von Amts wegen zu prüfen, ob die der Anklage zugrunde liegenden Tatsachen nicht eine andere als die vom Ankläger bezeichnete strafbare Handlung begrunden (Lohsing - Serini 420; Grösswang, Die Identität der Tat, JBl 1951, 56; 12 Os 118/62). Das hat aber zur Folge, daß der Erlag der Haftkaution als im Zusammenhang mit jener strafbaren Handlung vorgenommen angesehen werden muß, wegen der Adolf G letztlich verurteilt wurde. Wollte man die gegenteilige Auffassung vertreten, so wäre die Beklagte nicht in der Lage gewesen, die Haftkaution für verfallen zu erklären (Lohsing - Serini 250). Der Verfall der Kaution wurde aber mit dem rechtskräftigen Beschluß des LG Feldkirch vom 31. Juli 1964, Vr 1437/60, ausgesprochen. Daß der Kläger aber durch das Verhalten des Adolf G geschädigt wurde und daß dem Kläger durch die strafbare Handlung des Adolf G als kausale Folge der geltend gemachte Anspruch entstand, hat das Berufungsgericht dargetan.

Entgegen den Ausführungen der Rekurswerberin kann es auf sich beruhen, ob Adolf G und Dr Adolf B im bewußten Zusammenwirken den Kläger zum Vertragsabschluß unter irrigen Voraussetzungen veranlaßt haben und ob sie solidarisch oder nur nach Kopfteilen für den entstandenen Schaden haften. Mit dem in einem kontradiktorischen Verfahren ergangenen Urteil des LG Feldkirch vom 20. August 1968, 1 Cg 136/66-12 (bestätigt mit Urteil des OLG Innsbruck vom 15. Oktober 1968, 1 R 97/68), wurde dem Kläger ein Schadenersatz im Betrag von 145.000.34 S s A auf Grund der strafbaren Handlung des Adolf G zuerkannt. Wenngleich der Kläger mit der vorliegenden Klage nicht Adolf G, sondern die Republik Österreich belangt, so kommt doch dem im Vorprozeß ergangenen Urteil 1 Cg 136/66-12 neben der Rechtskraft eine Tatbestandswirkung zu. Letztere besteht darin, daß die Tatsache, daß ein Urteil zwischen den Parteien ergangen ist, hinsichtlich des Rechtsanspruchs, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Pollak[2] 547; Sperl, LB 829; Fasching, Komm z d ZPG § 411 ZPO Anm 63) ausgesprochen hat (

SZ 14/13; 1 Ob 561/63 u a), für und wider jeden wirkt. Ein Urteil und sein Inhalt müssen so hingenommen werden, wie sie vorliegen, ohne daß eine neuerliche Prüfung des Urteils auf sein ordnungsgemäßes Zustandekommen und auf die Richtigkeit des Urteilsinhalts zulässig wäre. Der Kläger ist daher in der Lage, seinen urteilsmäßig festgestellten Anspruch hinsichtlich einer verfallenen Haftkaution geltend zu machen, die in dem gegen Adolf G eingeleiteten Strafverfahren erlegt wurde.

Auf die von Adolf G erlegte und für verfallen erklärte Haftkaution besteht auch nicht etwa nur ein subsidiärer Anspruch; es müssen nicht vorweg alle in Betracht kommenden mithaftenden Personen geklagt oder gegen sie Exekution geführt werden. § 193 Abs 3 StPO enthält keine Haftungsbeschränkungen, wie etwa bei der Ausfallsbürgschaft.

Sofern die Beklagte vorbringt, die verfallene Haftkaution bilde eine Sondermasse, die wie eine Konkursmasse nach den Grundsätzen der KO auf die durch die Straftat unmittelbar Geschädigten oder nach den Grundsätzen des Erlagrechts (§ 1425 ABGB) zu verteilen sei, bietet das Gesetz dafür keinen Anhaltspunkt. Die für die Befriedigung von Masseforderungen im Konkurs (§ 124 KO) geltenden Verfahrensgrundsätze sind,auf die Geltendmachung der Ansprüche der Massegläubiger beschränkt. Sie können ebensowenig wie die für den gerichtlichen Erlag nach § 1425 ABGB bestehenden Grundsätze bei Klagen, die sich auf § 193 Abs 3 StPO grunden, herangezogen werden. Wenngleich die Beklagte damit rechnen muß, von mehreren Geschädigten belangt zu werden, besteht doch nach den bestehenden Vorschriften keine Möglichkeit, andere Verfahrensgrundsätze als die des Zivilprozesses anzuwenden.

Der Anspruch des Klägers ist aber auch nicht verjährt. § 193 Abs 3 StPO setzt dem Beschädigten keine Frist für die Verfolgung seines Anspruchs. Er ist daher jedenfalls in der Lage, seinen Anspruch gegenüber der Beklagten so lange geltend zu machen, als seine Schadenersatzforderung nicht verjährt wäre (Rosenblatt, GZ 1902, 316). Nach § 1489 ABGB käme eine Verjährungsfrist von drei Jahren in Betracht, da Adolf G nicht wegen eines Verbrechens, sondern wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida verurteilt wurde. Allein der Kläger hat bereits bei der Erstattung der Anzeige am 15. September 1960 erklärt, sich mit einem Betrag von 155.000 S dem einzuleitenden Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen. Der Kläger beteiligte sich auch am Strafverfahren als Privatbeteiligter. Eine solche Anschlußerlärung im Strafverfahren ist, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Klang[2] VI 659; Ehrenzweig[2] I/1, 323) ausgesprochen hat (

SZ 29/72; ZVR 1960/52 u a), der Anbringung einer Klage gleichzuhalten und als ein "Belangen" i S des § 1497 ABG aufzufassen, durch das der Ablauf der Verjährungsfrist unterbrochen wird.

Es trifft zu, daß der Kläger im Strafverfahren mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde. Das Urteil des LG Feldkirch 12 Vr 1437/60 wurde am 18. Oktober 1966 verkundet. Wenn die gegenständliche Klage am 21. Dezember 1966 beim Erstgericht eingebracht wurde, so kann darin keine unnötige Verzögerung bei der Geltendmachung des Anspruchs erblickt werden. Die Klagsanbringung innerhalb einer Frist von etwa 2 Monaten ist vielmehr als gehörige Fortsetzung i S des § 1497 ABGB anzusehen (vgl hiezu ZVR 1960/52; ZVR 1962/304).

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