Spruch:
Eine Erbserklärung kann nicht als Anerkenntnis oder Verzicht gewertet werden und schließt eine damit in Widerspruch stehende spätere Erbschaftsklage nicht aus
OGH 27. Jänner 1970, 8 Ob 15/70 (OLG Wien 4 R 190/69; LGZ Wien 31 Cg 150/69)
Text
Das Erstgericht hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin aus dem ihr mit Einantwortungsurkunde v 10. Dezember 1968 nach Dipl-Ing Rudolf W eingeantworteten Nachlaß der diesem mit Einantwortungsurkunde v 2. Juni 1955 eingeantworteten Substitutionsnachlaß nach August Franz W, bestehend aus einem Achtelanteil der Liegenschaft EZ 1820 KG W, der Klägerin ins Eigentum abzutreten und zu übergeben. Das Erstgericht ist hiebei von folgendem unbestrittenen Sachverhalt ausgegangen: Im Jahre 1925 sei Marie W gestorben, zu deren Nachlaß die Liegenschaft EZ 1820 KG W gehört habe. Marie W habe vier Kinder, u zw drei Söhne, August Franz W, Dipl-Ing Josef W und Dipl-Ing Rudolf W sowie die Tochter Cornelia hinterlassen. Jedes der vier Kinder habe je ein Viertel der Liegenschaft geerbt. Am 28. Februar 1946 sei August Franz W gestorben, der in seinem Testament zur Haupt- und Universalerbin seine Frau Anna W eingesetzt, jedoch dem Wunsche seiner Eltern gemäß, daß der ihm nach ihrem Ableben zugekommene Anteil des Hauses auf der erwähnten Liegenschaft in der Familie bleiben solle, hinsichtlich dieses Anteiles u a folgende Einschränkung verfügt habe: "Nach dem Ableben meiner Witwe geht der mir gehörende Anteil, falls ich Kinder haben sollte, an diese oder ihre Nachkommen über, sonst an die Kinder oder deren Nachkommen meiner Brüder Rudolf W und Josef W. Sollten solche Kinder oder Nachkommen nach diesen nicht vorhanden sein, so geht dann der Hausanteil an meine noch lebenden Geschwister über. Sollte auch von meinen Geschwistern niemand mehr am Leben sein, so kann meine Witwe frei verfügen".
Mit Einantwortungsurkunde vom 23. Mai 1947, .../46, sei der Nachlaß des August Franz W auf Grund des Testamentes und der unbedingten Erbserklärung der Witwe Anna W eingeantwortet und im Grundbuch ob der EZ 1820 KG W bei dem erbl 1/4-Anteil das Eigentumsrecht der Anna W mit der Beschränkung der im Testament Punkt Drittens angeordneten fideikommissarischen Substitution einverleibt worden.
Im Jahre 1952 sei Cornelia W kinderlos gestorben.
Am 17. April 1955 sei Anna W nach kinderloser Ehe gestorben. Im Substitutionsnachlaß habe sich nur der 1/4-Anteil der Liegenschaft EZ 1820 KG W befunden. Dieser Anteil sei mit Einantwortungsurkunde vom 2. Juni 1955, .../46, je zur Hälfte, also in Ansehung der ganzen Liegenschaft je zu einem Achtel, an den erbl Bruder Dipl-Ing Rudolf W und an die Klägerin, die Tochter des damals noch lebenden Bruders Dipl-Ing Josef W, eingeantwortet worden.
Am 10. Dezember 1968 sei schließlich auch Dipl-Ing Rudolf W gestorben. In seinem Nachlaß habe sich ein Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 1820 KG W befunden, während sein Bruder Dipl-Ing Josef W zu einem Viertel und die Klägerin zu einem Achtel Miteigentümer der Liegenschaft gewesen seien. Der Hälfteanteil an dieser Liegenschaft sei auf Grund eines Testamentes des Verstorbenen und der unbedingt abgegebenen Erbserklärung seiner Witwe, der Beklagten, eingeantwortet worden. Ihr Eigentumsrecht sei im Grundbuch einverleibt worden. Die Ehe des Dipl-Ing Rudolf W mit der Beklagten sei kinderlos gewesen. Nach der Einantwortung des Nachlasses des Dipl-Ing Rudolf W an die Beklagte habe die Klägerin die Fortsetzung der Substitutionsabhandlung zu 6 A .../46 beantragt, da der Klägerin auf Grund der Anordnung in Punkt Drittens des Testamentes des August Franz W nicht nur ein Achtel, sondern ein Viertel der Liegenschaft EZ 28 KG W gebührt hätte. Mit Beschluß vom 14. März 1969 sei die Klägerin mit ihrem Antrag auf den Rechtsweg verwiesen worden. Dem Rekurs der Klägerin gegen diesen Beschluß sei keine Folge gegeben worden.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: August Franz W habe in seinem Testament von der Möglichkeit einer fideikommissarischen Substitution Gebrauch gemacht und seiner als Universalerbin eingesetzten Witwe Anna W hinsichtlich des Viertelanteiles der Liegenschaft EZ 28 KG W Nacherben ernannt und deren Aufeinanderfolge angeordnet: Zuerst seine Kinder oder deren Nachkommen; für den Fall seiner Kinderlosigkeit die Kinder und deren Nachkommen seiner beiden Brüder Dipl-Ing Rudolf W und Dipl-Ing Josef W; sollten solche Kinder oder Nachkommen nicht vorhanden sein, seine noch lebenden Geschwister; erst wenn bei seinem Tode auch seine Geschwister nicht mehr am Leben sein sollten, könne seine Witwe über den erwähnten Hausanteil frei verfügen. Diese Verfügung sei vollkommen klar gewesen. Da August Franz W kinderlos verstorben sei und im Zeitpunkt seines Todes an Kindern seiner Brüder nur eines, nämlich die Klägerin, gelebt habe, seien die Brüder von der Nacherbschaft durch die Klägerin ausgeschlossen gewesen. Die Klägerin sei daher bei der Durchführung der Substitutionsabhandlung nach dem Tode der Anna W insoferne übergangen worden, als ihr statt des Viertelanteiles an der Liegenschaft EZ 28 KG W nur dessen Hälfte (also ein Achtel) und die andere Hälfte dem vom Antritt der Nacherbschaft durch sie ausgeschlossenen Bruder des August Franz W, dem Dipl-Ing Rudolf W eingeantwortet worden sei. An dieser Übergehung könne auch der Umstand nichts ändern, daß die Klägerin im Zuge der Substitutionsabhandlung im Jahre 1955 - etwa aus einem Rechtsirrtume - durch ihren Machthaber bloß zur Hälfte des Substitutionsnachlasses statt zum ganzen eine Erbserklärung abgegeben habe. Ein Verzicht eines Erben oder Legatars könne nur vertraglich vereinbart werden, dies sei aber hier nicht geschehen. Ebensowenig liege in der Erbserklärung der Klägerin bezüglich eines Achtels der genannten Liegenschaft eine Verschweigung. Da die Klägerin Nacherbin sei, sei sie zur Erbschaftsklage berechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus: Die vom Erstgericht vorgenommene Auslegung der die Reihenfolge der Nacherben regelnden Bestimmung des Testamentes des August Franz W sei die nach dem Sinn der vom Testator verwendeten Worte einzig mögliche. Die nur bezüglich eines Achtels der Liegenschaft abgegebene Erbserklärung der Klägerin habe für sich allein den Verlust des Erbrechtes und damit den Ausschluß von der Erbschaftsklage nicht herbeiführen können. Eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und Dipl-Ing Rudolf W bezüglich Abänderung der Ansprüche auf die Nacherbschaft in Widerspruch zu den darüber im Testament des August Franz W enthaltenen Bestimmungen, sei von der Beklagten nicht behauptet worden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagte gesteht in ihrer Revision zu, daß die Erbserklärung der Klägerin zur Begründung eines privatrechtlichen Verhältnisses untauglich sei, meint aber, die Klägerin müsse die Handlungen des von ihr ordnungsgemäß bevollmächtigten Machthabers gegen sich gelten lassen. Insbesondere könnten dessen Handlungen mittels einer Erbschaftsklage nicht mehr unwirksam gemacht werden. Habe es die Klägerin unterlassen, sich zum Zeitpunkt der Kundmachung des Testamentes von dessen Inhalt zu überzeugen und ihrem Machthaber entsprechende Weisungen zu erteilen, müsse sie dies gegen sich gelten lassen. In diesem Zusammenhang beruft sich die Beklagte auch auf die Bestimmungen des § 863 ABGB. Alle diese Erwägungen können aber der Beklagten nicht zum Erfolg verhelfen. Ob die Erbserklärung durch die Klägerin selbst oder durch einen Machthaber abgegeben wurde, ist bedeutungslos; ihre Wirkungen sind in beiden Fällen gleich. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann eine Erbserklärung kein Privatrechtsverhältnis insbesondere keinen Vertragstatbestand (Anerkenntnis, Verzicht) begrunden (Demelius in NZ 1930, 104, JBl 1956, 99). Nur wenn der Erbserklärung eine ausdrückliche oder stillschweigende vertragliche Einigung zwischen den Beteiligten zugrundegelegen wäre, könnte diese und nur diese dem Gebiete des Privatrechtes angehörende vertragliche Einigung dem Anspruch gem § 823 ABGB entgegengesetzt werden (JBl 1956, 99). Eine solche vertragliche Einigung ist aber, wie ebenfalls vom Berufungsgericht zutreffend betont wurde, von der Beklagten gar nicht behauptet worden. Einer Erörterung der Umstände, wie es zur Abgabe der Erbserklärung der Klägerin in der Substitutionsabhandlung gekommen ist, bedurfte es daher, entgegen der Ansicht der Beklagten, nicht. Die Ableitung eines Verzichtes aus dem Umstande, daß die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten die Erbserklärung nur zur Hälfte des Substitutionsnachlasses, das ist zu einem Achtel der Liegenschaft EZ 1820 KG W, abgegeben hat, ist daher von den Untergerichten mit Recht abgelehnt worden. Ebensowenig ist durch eine fehlerhafte oder nur auf einen Teil des Nachlasses beschränkte Erbserklärung die spätere Erbschaftsklage des besseren Erben ausgeschlossen worden (§ 823 ABGB). Irgend eine Willenserklärung - außer der Erbserklärung - die mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, an einem Verzichtswillen der Klägerin zu zweifeln, übrig ließe, hat die Klägerin nicht behauptet oder gar bewiesen. Auch der Hinweis der Beklagten auf die Bestimmung des § 863 ABGB kann ihrem Standpunkt daher nicht zum Erfolg verhelfen.
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