Spruch:
Der dritte Satz des § 49 UrhG stellt Film- und Funkberichte über Tagesereignisse völlig gleich; dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um eine "Live"-Sendung oder um eine auf einem Bild- oder Schallträger festgehaltene Sendung handelt
OGH 13. Jänner 1970, 4 Ob 368/69 (OLG Wien 2 R 135/69; HG Wien 18 Cg 156/69)
Text
Das auf § 86 UrhG gestützte Klagebegehren auf Zahlung eines angemessenen Entgelts (ursprünglich 50.000 S, später eingeschränkt auf 20.000 S) begrundet die klagende Partei damit, daß ihr die Werknutzungsrechte an der Lehar-Operette "Der Graf von Luxemburg" zustehen. Diese Operette sei im Sommer 1967 im Rahmen der Operettenwochen in Bad Ischl auf Grund eines mit der klagenden Partei geschlossenen Aufführungsvertrages bühnenmäßig aufgeführt worden. Im August 1967 habe die beklagte Partei ohne Bewilligung der klagenden Partei Aufzeichnungen der Aufführung dieser Operette vorgenommen und diese Aufzeichnungen am 24. August 1967 im Fernsehen im Rahmen eines Berichtes über Bad Ischl (und nicht etwa im Rahmen eines Berichtes über aktuelle Tagesereignisse) ausgestrahlt. Dabei seien auch fünf Lieder aus der genannten Operette gesendet worden.
Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, es habe sich bei dieser Sendung um einen aktuellen Bericht über die Operettenwochen in Bad Ischl gehandelt, der im Rahmen der täglichen Sendung "Zeit im Bild" gesendet worden sei. Dabei seien auch einzelne Stellen aus der Operette "Der Graf von Luxemburg" festgehalten und ausgestrahlt worden. Zu dieser Aufzeichnung und Ausstrahlung sei nach den §§ 46 Abs 1, 49 und 52 Abs 2 UrhG die Einwilligung der Klägerin nicht erforderlich gewesen.
Das Erstgericht hat das Verfahren auf den Grund des Anspruches eingeschränkt und das Klagebegehren abgewiesen.
Es hat festgestellt: Der klagenden Partei stehen die alleinigen Werknutzungsrechte zur bühnenmäßigen Aufführung sowie die Verlagsrechte an der Operette "Der Graf von Luxemburg" zu. Im Sommer 1967 haben in Bad Ischl Operettenwochen stattgefunden, in deren Rahmen auf Grund eines mit der klagenden Partei geschlossenen Aufführungsvertrages, mit dem aber keine Sende-, Fernseh- oder Filmrechte eingeräumt worden seien, die genannte Operette aufgeführt wurde. Im August 1967 hat die beklagte Partei in Bad Ischl Aufnahmen über den Kurbetrieb und über die Operettenwochen vorgenommen. Diese Aufzeichnungen hat sie am 24. August 1967 im Anschluß an die Sendung "Zeit im Bild" unter dem Titel "Operettenwochen in Bad Ischl" ausgestrahlt. Die Sendung hatte eine Gesamtdauer von 19 Minuten und 30 Sekunden. Der Inhalt des Films bestand im wesentlichen darin, daß der Sprecher zunächst einen positiv gehaltenen Kommentar über Bad Ischl und seine Tradition, besonders in musikalischer Hinsicht gab. Hierauf folgte ein Interview mit mehreren Kurgästen höheren Alters. Während dieses Interviews sind Einblendungen auf einzelne Kurgäste und Gruppen von Kurgästen an besonders bekannten Plätzen in Bad Ischl erfolgt. Es wurde das "Cafe Zauner" gezeigt und ein Ausschnitt einer Darbietung der Cellistin Senta B. Hierauf kam ein Interview mit Ernst H, der die Bedeutung von Bad Ischl als Operettenstadt in Vergangenheit und Gegenwart hervorgehoben hat. Dabei hat er insbesondere die gerade auf dem Spielplan gestandene Operette "Der Graf von Luxemburg" gewürdigt. Dann wurden Ausschnitte aus dieser Operette gezeigt, u zw die Gesangnummern: 1. "Mein Ahnherr war der Luxemburg", 2. "Lieber Freund, man greift nicht nach den Sternen",
3. "Ich bin verliebt", 4. "Pierre, der schreibt an Klein-Fleurette", wobei am Ende des jeweiligen Gesamtstückes Einblendungen in das Theaterpublikum, das heftig applaudierte, erfolgten. Bei den Einblendungen in die Operette hat man Kopf und Arme des Dirigenten sehen können. Diese vier Gesangstücke hatten samt den verbundenen Einblendungen eine Sendedauer von zirka fünf Minuten. Im weiteren Verlauf der Fernsehsendung erfolgten ein Interview mit einer Künstlerin über die Operette "Der Zigeunerbaron" und ein Interview mit dem Komponisten R über die Villen der großen, früher in Bad Ischl tätig gewesenen Künstler. Schließlich ist ein Gespräch mit einem für die Veranstaltung der Operettenwochen besonders verantwortlichen Sargtischlereibesitzer aus Bad Ischl in dessen Betrieb aufgenommen worden, wobei als Hintergrund die Produktion von Särgen zu sehen war. Bei den verschiedenen Interviews wurde ständig wiederkehrend die Frage nach der Lebensberechtigung der Operette in der heutigen Zeit gestellt. Abschließend folgte wieder eine Einblendung in die Operettenaufführung, u zw in das "Auftrittslied der Kokozow". Bei der Fernsehausstrahlung ist über den angeführten, beim gerichtlichen Augenschein vorgeführten Inhalt hinaus noch durch zirka drei Minuten eine ältere Dame mit einem Dackel gezeigt worden, dem sie die Situation des Kurbetriebes in Bad Ischl schilderte, was dieser kopfnickend zur Kenntnis nahm.
Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes weise die gegenständliche Aufzeichnung sämtliche Tatbestandsmerkmale einer freien Werknutzung i S der §§ 49 und 52 Abs 2 UrhG auf. Es seien nur kleine Ausschnitte eines öffentlich aufgeführten Werkes zu Fernsehzwecken aufgezeichnet und gesendet worden. Auch handle es sich um eine Berichterstattung über ein Tagesereignis, was schon aus dem Filmtitel und der Sendezeit unmittelbar im Anschluß an die Sendung "Zeit im Bild" sowie aus der Art der Aufnahmen hervorgehe.
Das Berufungsgericht hat das Ersturteil bestätigt. Das Berufungsgericht ist der Ansicht Peters, Urheberrecht, 135, 139, nicht gefolgt, daß im Rahmen von Funkberichten die freie Werknutzung für die Berichterstattung über Tagesereignisse nur für sogenannte "Live-Sendungen" zulässig sei. Es sei nicht einzusehen, welcher Unterschied sich in bezug auf den Urheberrechtsschutz aus dem Umstand ergeben soll, ob ein solcher Funkbericht "live" oder nach vorangegangener Aufzeichnung ausgestrahlt werde. Das Schwergewicht der Bestimmung des § 49 UrhG liege sowohl bei den dort genannten Filmberichten als auch bei den Funkberichten darauf, daß es sich um Berichte über Tagesereignisse handeln müsse. Damit solle dem öffentlichen Bedürfnis nach Information Rechnung getragen werden. Dieses Bedürfnis rechtfertige es, die urheberrechtlichen Nutzungsrechte zu beschränken. Daher stelle die Bestimmung des dritten Satzes des § 49 UrhG nur die Funkberichte den in den beiden ersten Sätzen behandelten Filmberichten gegenüber, ohne daß aber hinsichtlich der Art und des Umfanges der freien Werknutzung für den einen oder anderen dieser beiden Fälle ein Unterschied gelten solle. Ausschlaggebend sei ausschließlich der Inhalt des Filmes. Dieser enthalte aber tatsächlich eine Berichterstattung über ein Tagesereignis, also über einen Vorgang aus jüngster Zeit, der bedeutsam genug sei, die Öffentlichkeit davon zu unterrichten. Schon der Titel, unter dem die Filmaufzeichnung ausgestrahlt wurde, nämlich "Operettenwochen in Bad Ischl", zeige, daß der Film auf eine aktuelle Veranstaltung während der Sommersaison in Bad Ischl hinweisen wollte. Der Film sei auch alsbald nach seiner Aufzeichnung ausgestrahlt und damit die Aktualität der Sendung betont worden. Wäre es der Beklagten nur darum gegangen, Auszüge aus der bühnenmäßigen Aufführung der Operette "Der Graf von Luxemburg" wiederzugeben, so hätte sie keinen Anlaß gehabt, im Zuge des Filmberichtes noch die Operette "Der Zigeunerbaron" im Rahmen eines Interviews zu erwähnen. Sie habe damit vielmehr zum Ausdruck gebracht, daß es ihr darum gegangen sei, auf die Operettenwochen als Veranstaltung und damit als Tagesereignis hinzuweisen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt die Revision a) in der Auslegung des § 49 dritter Satz UrhG und b) in der Auslegung des Begriffes "Bericht über Tagesereignisse".
Zu a) versucht die Revision darzutun, daß zwar nach dem ersten und zweiten Satz des § 49 UrhG Filmberichte über Tagesereignisse auf Bild- und Schallträgern festgehalten und ausgestrahlt werden dürfen, also "live", oder unter Zuhilfenahme eines Bild- und Schallträgers im Rundfunk gesendet werden dürfen, daß dies aber nicht bei Funkberichten über Tagesereignisse gelte; bei diesen bestehe eine freie Werknutzung nur bezüglich "Live"-Sendungen. Dies ergebe sich einerseits aus der historischen Entwicklung, andererseits aber auch daraus, daß bei anderer Auslegung der dritte Satz des § 49 UrhG überflüssig wäre.
Zu dieser Frage ist den Kommentaren Lißbauers, Mitteis und Rintelens nichts zu entnehmen. Peter begrundet seine Ansicht im "Urheberrecht", 135 und 139 nicht näher. Aber gerade die historische Entwicklung spricht gegen die Auffassung der klagenden Partei, wie sich auch aus den Erläuternden Bemerkungen zu dem Entwurf des Urheberrechtsgesetzes (vgl Peter, Urheberrecht, 569 f) ergibt. Schon die Verordnung, BGBl 1933/347, hatte urheberrechtliche Sondervorschriften über die kinomatographische Berichterstattung getroffen. Durch die Verordnung, BGBl 1933/198, wurden die Tonfilmtheater zur Vorführung von Kurztonfilmen verpflichtet, die hauptsächlich der Verbreitung von Kenntnissen des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Österreich, der österreichischen Landschaften und der Wiedergabe aktueller Ereignisse in Österreich dienen. In Übereinstimmung mit der Verordnung, BGBl 1933/347, gestatten § 49 und § 59 Abs 2 UrhG, kleine Teile von öffentlich vorgetragenen oder aufgeführten Werken der Literatur und der Tonkunst zu Filmberichten über Tagesereignisse auf Bild- und Schallträger festzuhalten sowie diese zu vervielfältigen, zu verbreiten und im Rahmen solcher Filmberichte zu öffentlichen Vorträgen oder Aufführungen und zu Rundfunksendungen zu benützen. Einem Vorschlag des Bundeskulturrates entsprechend sollten nach den Erläuternden Bemerkungen auch die Funkberichte gleich den Filmberichten begünstigt werden (Peter, Urheberrecht, 570). Der Gesetzgeber wollte also keinen Unterschied zwischen Filmberichten und Funkberichten über aktuelle Tagesereignisse machen und auch keinen Unterschied bezüglich "Live"-Sendungen und solchen Sendungen über Tagesereignisse, die auf einem Bild- und Schallträger festgehalten worden waren. Film- und Funkberichte über Tagesereignisse sollten also durch, den dritten Satz des § 49 UrhG völlig gleichgestellt werden, was auch im Wortlaut dieser Gesetzesstelle hinlänglich deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Die Anfügung des dritten Satzes im § 49 UrhG erklärt sich offenbar aus der vom Bundeskulturrat vorgeschlagenen Ausdehnung der freien Werknutzung auch auf Funkberichte. Die gleiche historische Entwicklung hat überdies das deutsche Urheberrecht durchgemacht. Erst § 50 des deutschen Urheberrechtsgesetzes 1965 hat Film- und Funkberichte über Tagesereignisse vollkommen gleichgestellt, was von Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht[2], 238 IV schon 1960 gefordert worden war.
Zu b): Die Frage, ob im gegebenen Fall ein Funkbericht über ein Tagesereignis vorliegt, ist, wie die Untergerichte richtig erkannt haben, nach dem Inhalt des Funkberichtes zu beurteilen. Gewiß können die Grenzen zwischen einem Funkbericht über Tagesereignisse und einem Dokumentarbericht fließen und manchmal nicht leicht zu ziehen sein. Im gegenständlichen Fall sind aber die Untergerichte mit Recht davon ausgegangen, daß die Operettenwochen in Bad Ischl im Sommer 1967 zu den Tagesereignissen zu zählen sind, über die informiert zu werden ein öffentliches Interesse bestand. Ein Funkbericht über dieselben fällt daher unter die Begünstigung es § 49 UrhG, wenn sich dieser Funkbericht im Rahmen dessen hält, was üblicherweise im Rahmen von Funkberichten über Tagesereignisse gebracht wird. Ein Funkbericht über Operettenwochen muß sich aber durchaus nicht auf die bloße Aufzählung der aufgeführten Werke und der aufführenden Künstler beschränken, er kann durch die Schilderung des Milieus, in dem die Operettenwochen stattfinden, aufgelockert und durch kleine Bild- und Tonstellen der aufgeführten Werke illustriert werden. Die Sendung "Operettenwochen" in Bad Ischl" wurde nach den getroffenen Feststellungen im Anschluß an die Sendung "Zeit im Bild" ,ausgestrahlt und dauerte 19 1/2 Minuten. Hievon entfielen 5 Minuten auf jene fünf Lieder, für die die klagende Partei ein angemessenes Entgelt begehrt. Unter diesen Umständen muß von kleinen Teilen des aufgeführten Literatur- und Tonkunstwerkes ("Der Graf von Luxemburg") i S des § 49 UrhG gesprochen werden. Diese kleinen Teile des an sich urheberrechtlich geschützten Werkes durften daher in freier Werknutzung von der beklagten Partei anläßlich ihres Funkberichtes über die Operettenwochen in Bad Ischl gebracht werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das Milieu der Operettenwochen in Bad Ischl zum Teil etwas breit geschildert wurde, weil die freie Werknutzung des § 49 UrhG nicht auf eine knappe Fassung des Film- oder Funkberichtes abstellt, sondern nur darauf, daß nur kleine Teile des aufgeführten Werkes frei gesendet werden dürfen.
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