Spruch:
§ 86 GewO. normiert keine Erkündigungspflicht des neuen Dienstgebers hinsichtlich eines etwa noch aufrecht bestehenden Dienstverhältnisses seines Hilfsarbeiters zu einem anderen Dienstgeber.
Entscheidung vom 26. November 1969, 5 Ob 250/69.
I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Das auf Zahlung von 19.910 S samt 5% Zinsen seit 15. Juli 1965 gerichtete Klagebegehren ist auf die Behauptung gestützt, daß die Beklagte in Kenntnis des aufrechten Arbeitsverhältnisses des Hilfsarbeiters Josef S. zum Kläger diesen Hilfsarbeiter in Verwendung genommen und auch in Arbeit behalten habe, nachdem ihr der Kläger mit Schreiben vom 25. April 1965 von dem aufrechten Dienstverhältnis des S. Mitteilung gemacht hatte. S. hätte eine 14tägige Kündigungsfrist einhalten müssen. Durch das Ausbleiben von der Arbeit beim Kläger habe dieser einen Produktionsausfall und damit einen Schaden in der Höhe des Klagebetrages erlitten, für den die Beklagte gemäß § 86 GewO. hafte.
Die Beklagte wendete ein, daß S., der bis zum 13. April 1965 als Akkordarbeiter beim Kläger beschäftigt gewesen sei, an diesem Tag vorzeitig aus dem Dienstverhältnis ausgetreten sei, weil der Kläger ihm mitgeteilt habe, daß er ihn nicht weiterhin als Akkordarbeiter beschäftigen könne. Außerdem habe der Kläger den S. aufgefordert, für zwei Wochen nach Hause zu gehen, da er auch keine andere Arbeit für ihn habe. Tatsächlich habe S. für die Zeit nach dem 13. April 1965 vom Kläger keinen Lohn erhalten. Der Kläger habe S. wegen dessen vorzeitigen Austrittes bei der Krankenkasse abgemeldet und schließlich der Beklagten die Arbeitspapiere des S. übersandt. Die Beklagte habe bei der Einstellung des S. am 20. April 1965 weder Kenntnis von dessen aufrechtem Dienstverhältnis zum Kläger noch Grund zur Annahme gehabt, daß ein solches Dienstverhältnis bestehe. Der Kläger habe erst am 26. April 1965 in einem Telefongespräch mit Dipl.-Ing. R., dem Prokuristen der Beklagten, behauptet, Dienstgeber des S. zu sein, doch habe S. diese Behauptung ausdrücklich als unrichtig zurückgewiesen. Dennoch habe es die Beklagte dem S. freigestellt, wiederum beim Kläger zu arbeiten, doch habe S. dies abgelehnt.
Das Erstgericht erkannte im ersten Rechtsgang mit Zwischenurteil vom 14. Juli 1966 zu Recht, daß der Anspruch des Klägers, soweit er einen ab 27. April 1965 entstandenen Schaden zum Gegenstand habe, dem Gründe nach zu Recht, soweit ein früher entstandener Schaden geltend gemacht werde, aber nicht zu Recht bestehe.
Das Berufungsgericht hob diese Zwischenurteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf; die Sache wurde an das Erstgericht zur weiteren Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. In diesem Aufhebungsbeschluß vertrat das Berufungsgericht die Rechtsansicht, daß ein haftungsbegrundendes schuldhaftes Verhalten der Beklagten erst dann bejaht werden könne, wenn feststehe, daß die Beklagte die Möglichkeit hatte, sich Klarheit über das vom Kläger behauptete, von Josef S. aber in Abrede gestellte Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses des S. zum Kläger zu verschaffen. Wenn die Beklagte keine solche Möglichkeit gehabt habe, dann könne ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie sich mit der Mitteilung des S. begnügte. Die Unterlassung entsprechender Nachforschungen der Beklagten sei ihr dann als Fahrlässigkeit anzulasten, wenn solche Nachforschungen den erforderlichen Aufschluß über das Dienstverhältnis des S. erbracht hätten. In dieser Richtung bedürfe das Verfahren einer Ergänzung. Es sei aber auch die Ursächlichkeit des Verhaltens der Beklagten für den vom Kläger behaupteten Schaden noch nicht genügend geklärt, da noch nicht feststehe, ob S. die Weiterarbeit beim Kläger erst ablehnte, als ihn die Beklagte eingestellt hatte. In diesem Fall wäre das mangelnde Interesse des S. an einer Weiterarbeit beim Kläger von der Beklagten verursacht worden.
Im fortgesetzten Verfahren behauptete die Beklagte zusätzlich, daß sich der Kläger den allenfalls erlittenen Schaden selbst zuzuschreiben habe, weil er es unterlassen habe, anstelle des S. einen anderen, am zuständigen Arbeitsmarkt reichlich verfügbaren Hilfsarbeiter einzustellen.
Nunmehr wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Josef S. sei durch 14 Jahre bei der Besitzvorgängerin der Beklagten in deren Ziegelei in A. beschäftigt gewesen. In der Folge habe er durch mehrere Jahre, jedoch meist nur während der Saison, die im Frühjahr beginne, als Ziegeleiarbeiter beim Kläger gearbeitet. Nachdem S. im Winter 1964/65 bei einer Bachregulierung gearbeitet hatte, habe er im Februar 1965 im Betrieb der Beklagten um Arbeit vorgesprochen. Er sei auf später verwiesen worden. Bei einer weiteren Vorsprache des S. sei ihm die Einstellung als Regiearbeiter angeboten worden, doch habe S. diese Arbeit abgelehnt. Am 8. März 1965 habe er im Ziegelwerk des Klägers als "Ausscheiber" im Akkord zu arbeiten begonnen. Am 13. April 1965 habe ihm der Kläger mitgeteilt, daß er wegen des schlechten Wetters bis auf weiteres zu Hause bleiben möge; er werde gerufen, sobald der Betrieb fortgesetzt werden könne. S. habe darauf den Betrieb des Klägers unter Zurücklassung seines Bettzeuges, seiner Arbeitskleidung und seiner Arbeitspapiere verlassen. Bei seiner anschließenden Vorsprache im Ziegelwerk der Beklagten habe S. nicht erklärt, daß er in einem ungekundigten Dienstverhältnis zum Kläger stehe. Er habe bloß erwähnt, daß dort für ihn derzeit keine Arbeit sei, weil der Ofen stillgelegt worden sei. Er wolle nunmehr in A. arbeiten, weil dieser Arbeitsplatz für ihn günstiger liege. Auf die Frage nach seinen Arbeitspapieren habe S. erklärt, daß diese noch beim Kläger liegen. Darauf sei dem S. mitgeteilt worden, er könne am 20. April 1965 bei der Beklagten mit der Arbeit beginnen. S. habe tatsächlich am 20. April 1965 im Betrieb der Beklagten zu arbeiten begonnen. Es sei üblich, daß die Arbeitspapiere bei neuaufgenommenen Hilfsarbeitern erst später beigebracht werden. Am Ende der Woche nach Ostern 1965 habe der Kläger in B., wo S. wohnte, angerufen und gebeten, ihn aufzufordern, am nächsten Montag (26. April 1965) wieder zur Arbeit zu kommen. Als S. ausblieb, habe der Kläger von einem anderen Ziegeleiarbeiter erfahren, daß S. bei der Beklagten arbeite. Darauf habe der Kläger am 26. April 1965 den Prokuristen der Beklagten, Dipl.-Ing. R., angerufen und ersucht, S., der zum Kläger in einem Dienstverhältnis stehe, sofort zu schicken. Dipl.- Ing. R. habe erwidert, er wisse nichts davon und werde sich erkundigen. Den Inhalt dieses Telefongespräches habe der Kläger der Beklagten auch mit einem Schreiben mitgeteilt; die Beklagte habe dieses Schreiben am 3. Mai 1965 erhalten. Als Dipl.-Ing. R. dem S. die Mitteilung des Klägers vorhielt und ihm freistellte, zum Kläger zurückzukehren, habe S. erklärt, es bestehe kein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Kläger, weil der Kläger ihm mitgeteilt habe, er brauche nicht mehr zu kommen, der Kläger habe für ihn keine Arbeit. Außerdem habe S. erklärt, der Kläger sei ihm wiederholt den Lohn schuldig geblieben, S. sei an einer Arbeit beim Kläger nicht mehr interessiert; er gehe auf keinen Fall zum Kläger zurück. Die Beklagte habe es bei dieser Erklärung des S. bewenden lassen und auch das Schreiben des Klägers nicht beantwortet.
Weiters stellte das Erstgericht fest, daß die Krankenkassen an Privatpersonen keine Auskünfte über das Bestehen eines Dienstverhältnisses geben. Der Kläger habe durch das Ausbleiben des S. von der Arbeit einen Schaden erlitten.
Das Erstgericht war der Meinung, daß es nicht erforderlich sei zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Einstellung des S. im Betrieb der Beklagten das Dienstverhältnis des S. zum Kläger noch aufrecht war, sowie ob das Verhalten der Beklagten für den Schaden des Klägers kausal war, da feststehe, daß die Beklagte im kritischen Zeitpunkt keine Kenntnis vom Arbeitsverhältnis des S. zum Kläger gehabt habe. Sie habe davon auch keine Kenntnis haben können. Die Beklagte habe nicht fahrlässig gehandelt, als sie S. ohne Arbeitspapiere beschäftigte, weil dies branchenüblich sei. Im übrigen sei bereits in dem in seinem abweislichen Teil unangefochten gebliebenen Zwischenurteil ausgesprochen worden, daß dem Kläger für die Zeit vom 20. April 1965 bis zum 26. April 1965 kein Schadenersatzanspruch zustehe; es könne daher jetzt unerörtert bleiben, ob die Beklagte bei der Aufnahme des S. schuldhaft gehandelt habe. Als die Beklagte erfahren habe, daß der Kläger behaupte, Arbeitgeber des S. zu sein, habe sie alles getan, was von einem Unternehmer vernünftigerweise verlangt werden könne. Sie habe es S. freigestellt, zum Kläger zurückzukehren, doch habe S. dies mit der Behauptung abgelehnt, daß er in keinem Arbeitsverhältnis zum Kläger stehe und auf keinen Fall wieder beim Kläger arbeiten wolle. Die Beklagte habe in dieser Lage keine Möglichkeit gehabt, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob die Behauptung des Klägers oder die des S. zutreffe. Keinesfalls sei es der Beklagten zumutbar gewesen, allein auf die Behauptung des Klägers hin die Entlassung des S. auszusprechen. Die Beklagte treffe daher kein Verschulden im Sinne des § 86 GewO.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil der ersten Instanz. Es übernahm sämtliche Feststellungen, verneinte die von der Berufung des Klägers behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens - in dieser Richtung wurden allerdings nur Feststellungsmängel geltend gemacht - und schloß sich auch im wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an. Darüber hinaus führte das Berufungsgericht aus, daß § 86 GewO. eine Haftung des Gewerbeinhabers nur für die Abwerbung eines Hilfsarbeiters und dafür normiere, daß dieser einen Hilfsarbeiter in Kenntnis seines aufrechten Arbeitsverhältnisses zu einem Dritten in Verwendung nimmt oder in Arbeit behält. Den Gewerbeinhaber treffe jedoch keine Nachforschungspflicht, da das Gesetz keine Haftung des Gewerbeinhabers für den Fall normiere, daß dieser vom aufrechten Arbeitsverhältnis seines Hilfsarbeiters Kenntnis hätte haben müssen. In gleicher Weise anerkenne die Rechtsprechung eine Schadenersatzpflicht für die durch einen Dritten veranlaßte Vertragsverletzung nur insoweit, als der Dritte wissentlich in bestehende Vertragsrechte eingreife. Dipl. Ing. R. habe aus der Behauptung des S., daß ihm der Kläger wiederholt den Lohn schuldig geblieben sei, entnehmen können, daß S. rechtmäßig vorzeitig ausgetreten sei. Schließlich sei der Sachverhalt selbst nach Ansicht des Klägers für die Beklagte nach dem Telefongespräch mit dem Kläger unklar geblieben, so daß von einer Kenntnis des Beklagten über das aufrechte Dienstverhältnis des S. nicht gesprochen werden könne.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In erster Linie bekämpft die Revision die Ansicht der Untergerichte, daß den Gewerbetreibenden, der einen Hilfsarbeiter aufnehme, keine Erkündigungspflicht in bezug auf ein etwa noch aufrechtes früheres Dienstverhältnis dieses Hilfsarbeiters treffe. Nach Ansicht des Klägers sei der Gewerbetreibende insbesondere dann, wenn er Vollkaufmann sei und irgendwelche Zweifel über das Bestehen eines solchen Dienstverhältnisses habe, zu Nachforschungen verpflichtet. Unterlasse er diese Nachforschungen, treffe ihn die Haftung nach § 86 GewO. Ebenso hafte der Gewerbetreibende, wenn er den Hilfsarbeiter weiter beschäftige, nachdem er von einer unrechtmäßigen Lösung seines früheren Arbeitsverhältnisses erfahren habe. Diese Ansicht habe auch das Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluß vertreten; nunmehr billige das Berufungsgericht aber die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Beklagte zu entsprechenden Nachforschungen nicht verpflichtet gewesen sei. Es sei auch unrichtig, daß der Beklagte keine Möglichkeit zu weiteren Nachforschungen gehabt habe. Schon eine Rückfrage beim Kläger hätte ergeben, daß S. nicht nur seine Arbeitspapiere, sondern auch sein Bettzeug und seine Arbeitskleidung beim Kläger zurückgelassen habe.
Nach § 1162a ABGB. (§ 150 III. TN.) ist der Dienstgeber, dessen Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt, berechtigt, entweder den Wiedereintritt seines Dienstnehmers zur Dienstleistung nebst Schadenersatz oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages zu verlangen. § 86 GewO. i. d. F. des Gesetzes vom 25. Jänner 1919, StGBl. Nr. 42, bestimmt nun, daß jener Gewerbeinhaber, der einen Hilfsarbeiter zum Vertragsbruch durch vorzeitige Auflösung seines Dienstverhältnisses ohne gesetzlich zulässigen Grund verleitet, oder der ihn vor rechtmäßiger Beendigung des früheren Arbeitsverhältnisses in Kenntnis der unrechtmäßigen Lösung in Verwendung nimmt oder in Arbeit behält, für den dem Hilfsarbeiter gemäß § 1162a ABGB. obliegenden Schadenersatz haftet. Diese Bestimmung ersetzte die bis dahin in Geltung gestandene Vorschrift des § 86 GewO., wonach der Gewerbeinhaber neben seiner Haftung für den dem früheren Arbeitgeber durch Vertragsbruch des Hilfsarbeiters erwachsenen Schaden auch noch bestraft werden konnte, wenn er den Hilfsarbeiter zum Vertragsbruch verleitet oder ihn in Kenntnis, daß er sein Arbeitsverhältnis mit dem letzten Arbeitgeber nicht rechtmäßig löste, in Arbeit genommen oder nachdem er davon erfahren habe, in Arbeit behalten hatte. Hinsichtlich der Haftung des neuen Dienstgebers für den vom vertragsbrüchigen Hilfsarbeiter dessen früherem Arbeitgeber verursachten Schaden trat somit durch die Neufassung des § 86 GewO. keine inhaltliche Änderung ein (vgl. Adler in JBl. 1919 S. 146). Nach den Erläuternden Bemerkungen zur angeführten Novelle der Gewerbeordnung (Beilage 89 zu den sten. Prot. der provisorischen Nationalversammlung für Deutsch-Österreich) erschien es zweckmäßig, die im § 86 der alten Gewerbeordnung vorgesehene zivilrechtliche Haftung jenes Gewerbeinhabers, der am Vertragsbruch mitschuldig ist oder daraus Vorteile zieht, ausdrücklich aufrecht zu erhalten. Es tritt also die Haftung des neuen Dienstgebers nach § 86 GewO. übereinstimmend mit der seinerzeitigen Vorschrift nur ein: 1. wenn er den Hilfsarbeiter zum Vertragsbruch verleitet, 2. wenn er ihn vor rechtmäßiger Beendigung des früheren Arbeitsverhältnisses in Kenntnis der unrechtmäßigen Lösung in Verwendung nimmt, und 3. wenn er ihn trotz nachträglich erlangter Kenntnis in Arbeit behält (vgl. Adler a.a.O.). Daß zur Begründung der Haftung des neuen Dienstgebers ein "Kennenmüssen" der tatsächlichen Verhältnisse, also des aufrechten Bestehens eines anderen Dienstverhältnisses des neu eingestellten Hilfsarbeiters, genügen würde, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Daher kann von einer Erkündigungspflicht des neuen Dienstgebers in der Richtung, ob der neu einzustellende Hilfsarbeiter noch in einem anderen Dienstverhältnis beschäftigt ist, weil er etwa ohne wichtigen Grund vorzeitig ausgetreten wäre, keine Rede sein.
Diesfalls behauptete nun der Kläger gar nicht, daß die Beklagte ihren Hilfsarbeiter Josef S. zum Vertragsbruch verleitet habe; wohl aber leitet er seinen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte aus der behaupteten Kenntnis der Beklagten vom aufrechten Dienstverhältnis des S. zum Kläger im Zeitpunkt seiner Einstellung und daraus ab, daß die Beklagte den S. trotz nachträglich erlangter Kenntnis von seinem Arbeitsverhältnis zum Kläger in Arbeit behalten habe. Ob jemand Kenntnis von einem bestimmten Sachverhalt hat, ist eine Tatfrage, die entsprechende Feststellung ist das Ergebnis der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. Im vorliegenden Fall wurde nun festgestellt, daß die Beklagte bzw. deren Betriebsleiter bei Einstellung des S. keine Kenntnis von dessen allenfalls noch aufrechtem Dienstverhältnis zum Kläger hatte. Um mit seinen Ansprüchen gegen die Beklagte durchdringen zu können, hätte der Kläger daher beweisen müssen, daß die Beklagte den S. trotz nachträglich erlangter Kenntnis von seinem aufrechten Dienstverhältnis zum Kläger in Arbeit behielt. Dazu wäre nicht bloß der Beweis erforderlich gewesen, daß das Arbeitsverhältnis des S. zum Kläger im Zeitpunkt des Telefongespräches zwischen dem Kläger und dem Prokuristen der Beklagten (am 26. April 1965) überhaupt noch aufrecht war, bzw. daß S. ohne wichtigen Grund vorzeitig beim Kläger ausgetreten war, sondern auch, daß die Beklagte davon noch während der Kündigungsfrist des S. Kenntnis erlangt habe. Denn selbst ein ohne wichtigen Grund erklärter vorzeitiger Austritt beendet das Dienstverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist in rechtmäßiger Weise, weil im Austritt jedenfalls die Willenserklärung des Dienstnehmers gelegen ist, das Dienstverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu lösen (Adler - Höller in Klang[2] V 345). Im Hinblick auf die Feststellung der Untergerichte, daß die Beklagte am 26. April 1965 lediglich Kenntnis von der Behauptung des Klägers erhielt, S. stehe zu ihm in einem aufrechten Dienstverhältnis, während S. selbst ein solches Dienstverhältnis mit der Begründung in Abrede stellte, daß ihm der Kläger mitgeteilt habe, er brauche nicht mehr zu kommen er habe für ihn keine Arbeit, überdies aber auch behauptete, daß der Kläger ihm wiederholt den Lohn schuldig geblieben sei, er also einen Grund für seinen vorzeitigen Austritt im Sinne des § 82a GewO. anführte, kann keine Rede davon sein, daß die Beklagte noch während der Kündigungsfrist des S. Kenntnis vom aufrechten Dienstverhältnis des S. bzw. von seinem ohne wichtigen Grund vorzeitig erklärten Austritt erlangt hätte.
Die Behauptung der Revision, daß die Beklagte wegen ihrer Eigenschaft als Vollkaufmann verpflichtet gewesen sei, rechtzeitig eine Klärung des Sachverhaltes in bezug auf das Dienstverhältnis des S. zum Kläger herbeizuführen, findet im Gesetz keine Deckung. Desgleichen kann der Auslegung des § 86 GewO. durch den Kläger dahin, daß für die Begründung des Haftungstatbestandes die Mitteilung des früheren Dienstgebers von der unrechtmäßigen Lösung des Dienstverhältnisses ausreiche, nicht zugestimmt werden. Es ist durchaus nicht richtig, daß nur eine solche Auslegung die Haftung des neuen Dienstgebers für den durch einen vertragsbrüchigen Hilfsarbeiter verursachten Schaden zu begrunden vermöchte, da es lediglich eine Beweisfrage ist, welche Kenntnis der neue Dienstgeber von der Beendigung des früheren Dienstverhältnisses seines neu eingestellten Hilfsarbeiters hat.
Daß der Kläger seine Schadenersatzansprüche auch nicht aus § 1295 ABGB. abzuleiten vermag, hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Soweit die Rechtsprechung einen Dritten überhaupt für Vertragsverletzungen haften läßt, die durch ihn veranlaßt wurden oder an denen er mitwirkte, wird wenigstens gefordert, daß der Dritte von dem Eingriff in die Vertragsrechte Kenntnis hatte (vgl. SZ. XXXI 3 und 87). Es wäre daher auch hier der Nachweis notwendig gewesen, daß die Beklagte Kenntnis vom Vertragsbruch des S. hatte.
Soweit die Revision schließlich geltend macht, daß das angefochtene Urteil von der im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes vertretenen Rechtsansicht über die Nachforschungspflicht der Beklagten abgewichen sei, ist ihr entgegenzuhalten, daß dies keinesfalls einen Revisionsgrund darstellt, weil die rechtliche Beurteilung letzten Ende dem Revisionsgericht zusteht und es daher gleichgültig ist, ob das Berufungsgericht von seiner ursprünglichen Rechtsansicht abgegangen ist, wenn die Rechtsansicht in der nunmehrigen Berufungsentscheidung die richtige ist (vgl. Fasching Komm. IV S. 227, ZBl. 1919 Nr. 131).
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