Spruch:
Es ist nach dem für das Gericht maßgebenden internationalen Privatrecht zu prüfen, welches Recht anzuwenden ist und in welchem Umfange die danach zuständige Rechtsordnung es den Parteien überläßt, eine gültige Vereinbarung über die Anwendung fremden Rechtes zu schließen.
Entscheidung vom 14. Oktober 1969, 4 Ob 570/69.
I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Bezahlung des (eingeschränkten) Betrages von Lire 1.154.429 samt Nebengebühren als Kaufpreis für geliefertes Nadelschnittholz.
Die beklagte Partei wendete ein, das gelieferte Holz habe nicht der Bestellung entsprochen. Es sei trockene Ware der III. und IV. Güteklasse bestellt, hingegen zum größten Teile nasse, frisch geschnittene Ware der IV. und V. Güteklasse, teilweise sogar Abfallholz geliefert worden. Die beklagte Partei habe diese Mängel sofort gerügt und die Ware dem Kläger zur Verfügung gestellt.
Mit dem Ersturteil wurde dem Klagebegehren stattgegeben.
Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die beklagte Partei habe mit dem in Mailand abgeschlossenen Schlußbrief vom 15. Jänner 1967 beim Kläger Nadelschnittholz der Güteklasse III. und IV. in den Stärken 48, 38, 28 und 24 mm zum Preise von Lire 25.000 pro m3 bestellt. Nach dem Wortlaut des zweisprachig (italienisch und deutsch) verfaßten Schlußbriefes seien auch die auf dessen Rückseite abgedruckten - gleichfalls in deutscher und in italienischer Sprache wiedergegebenen - Verkaufskonditionen Vertragsinhalt geworden. Nach diesen Verkaufskonditionen werde die Abdeckung der Waggons nur gegen Bestellung vorgenommen; der Käufer habe bei Qualitätsverlusten durch Regen kein Recht auf Reklamation. Soweit eine vertragliche Regelung fehle, hätten die österreichischen Holzhandelsusancen vom Jahre 1951 und das österreichische Handelsgesetz zu gelten. Nach § 2 (3) der Österreichischen Holzhandelsusancen seien spätere Abänderungen von schlußbrieflich festgelegten Vertragsbedingungen schriftlich zu vereinbaren. § 83 dieser Usancen enthalte die Einteilung der Klassensortimente für Fichten- und Tannenschnittholz in Güteklassen 0 bis IV., eine Güteklasse V. gebe es dort nicht. Für die gegenständliche Holzlieferung sei am 8. März 1967 ein Betrag von Lire 1.198.610 in Rechnung gestellt worden. Die Ware sei am 20. März 1967 bei, der beklagten Partei eingetroffen. Mit Schreiben vom selben Tage habe die beklagte Partei die Qualität der Ware bemängelt und diese dem Kläger zur Verfügung gestellt. Am 22. April 1967 habe über Ersuchen des Holzagenten Romano K., der in Innsbruck ansässige Holzsachverständige Hugo P. die Ware begutachtet und sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß diese nach italienischer Sortierung nur zum Teil den Güteklassen III. und IV. im übrigen aber der Güteklasse V. entspreche. Daraufhin habe der Kläger den Sachverständigen Hugo P. um Erstellung eines Gutachtens unter Zugrundelegung der österreichischen Güteklassen ersucht. Am 3. Mai 1967 habe Hugo P. ein solches weiteres Gutachten erstellt, nach welchem mit Ausnahme von 5 bis 10% der 38 mm-Stücke die gesamte Ware nach österreichischer Sortierung den Güteklassen III. und IV. entspreche. Dieses Gutachten habe den Tatsachen entsprochen. Es sei auch unrichtig, daß es sich um frisch geschnittene Ware gehandelt habe. Die Ware sei vielmehr zur Gänze "verladetrocken" gewesen. Für den 5 bis 10%igen Ausschuß der 38 mm-Ware sei eine Preisminderung von höchstens Lire 44.181 gerechtfertigt. Bei der Versendung der Ware sei eine Abdeckung mit Dachbrettern angemessen gewesen. Daß die beklagte Partei die Abdeckung durch Planen verlangt hätte, sei nicht erwiesen worden. Nach dem Marktbericht des Salzburger Holzwirtschaftsrates sei im Holzexport nach Italien der Preis frei Grenze für die österreichischen Güteklassen III. und IV. im 4. Quartal 1966 Lire 23.500 bis 26.000 und im 1. Quartal 1967 Lire
23.500 bis 25.000 gewesen.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, die strittigen Rechtsverhältnisse seien nach österreichischem Recht zu beurteilen, weil die Streitteile ausdrücklich die Anwendbarkeit der österreichischen Holzhandelsusancen und des österreichischen Handelsrechtes vereinbart hätten. Daher seien für die Beurteilung der Güte des gelieferten Nadelschnittholzes die im § 83 der österreichischen Holzhandelsusancen festgelegten Güteklassen nach den österreichischen Sortierungsvorschriften maßgebend. Die Behauptung der beklagten Partei, daß die Sortierung nach italienischen Güteklassen vereinbart worden sei, sei nicht erwiesen worden, zumal hiezu nach § 2 (3) der österreichischen Holzhandelsusancen der Nachweis einer dementsprechenden schriftlichen Änderung des ursprünglichen Kaufvertrages erforderlich gewesen wäre. Damit erweise sich auch der Einwand als unbegrundet, daß sich schon aus der Höhe des Kaufvertrages die Vereinbarung der Anwendung der italienischen Sortierungsvorschriften ergäbe. Im übrigen hätte der vereinbarte Preis von Lire 25.000 pro m3 ohnehin den zur gegenständlichen Zeit üblichen Preisen für die österreichischen Güteklassen III. und IV. entsprochen. Da der Kläger der beklagten Partei die bestellte Ware im ordnungsgemäßen Zustand und entsprechend den vereinbarten Güteklassen geliefert habe, stehe ihm der vereinbarte Kaufpreis von Lire 1.198.610 zu, abzüglich der vom Kläger durch Einschränkung des Klagebegehrens berücksichtigten Minderung von Lire 44.181 für den minderwertigen Teil der 38 mm-Ware. Dabei sei die Frage der mangelnden Abdeckung durch Planen unerheblich, weil der Kläger den allenfalls dadurch bedingten Qualitätsverlust durch Einschränkung des Klagebegehrens auf seine Rechnung genommen habe. Außerdem wäre nach Punkt 5 der Verkaufskonditionen eine solche Abdeckung nur gegen Bestellung vorzunehmen gewesen; es sei aber nicht erwiesen worden, daß die beklagte Partei eine solche Bestellung getätigt habe. Die eingeschränkte Kaufpreisforderung bestehe daher zur Gänze zu Recht.
Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der beklagten Partei das Ersturteil. Das Berufungsgericht befand das erstgerichtliche Verfahren frei von Mangelhaftigkeiten, übernahm die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und teilte dessen rechtliche Beurteilung.
Das Berufungsgericht führte aus, daß die Streitteile vereinbarten, auf die strittigen Rechtsverhältnisse die österreichischen Holzhandelsusancen und die österreichischen Gesetze anzuwenden, ergebe sich klar und schlüssig aus dem Schlußbrief vom 15. Jänner 1967 im Zusammenhalt mit dem Schreiben des Klägers vom 23. Jänner 1967. Die beklagte Partei selbst ziehe die Echtheit dieser Urkunden nicht in Zweifel. Die Maßgeblichkeit der österreichischen Klassifizierung aber ergebe sich aus den Bestimmungen der österreichischen Holzhandelsusancen, deren Anwendbarkeit vereinbart wurde. Dafür, daß von der vereinbarten Anwendbarkeit dieser Bestimmungen einvernehmlich wieder in Schriftform abgegangen worden wäre, seien weder den Parteienbehauptungen noch den erstgerichtlichen Feststellungen irgendwelche Anhaltspunkte zu entnehmen. Ob aber mündlich oder stillschweigend davon ausgegangen wurde, sei nicht entscheidungswichtig, weil nach § 2 (3) der Österreichischen Holzhandelsusancen eine solche Abänderung der Schriftform bedurft hätte. Damit sei auch der Einwand der beklagten Partei unbegrundet, daß sich schon aus der Höhe der Kaufpreises die Vereinbarung der Anwendbarkeit der italienischen Sortierungsvorschriften ergäbe. Im übrigen habe nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. K., der sich auf den Marktbericht des Salzburger Landesholzwirtschaftsrates berief, der vereinbarte Preis von Lire 25.000 pro m3 ohnehin den zur maßgeblichen Zeit üblichen Preisen für die österreichischen Güteklassen III. und IV. entsprochen. Soweit schließlich noch geltend gemacht werde, die auf der Rückseite des Schlußbriefes festgelegte Anwendbarkeit österreichischen Rechtes sei nach italienischem Recht nicht bindend, vermöge auch diese Rüge nicht durchzudringen. Nach den Beweisergebnissen hätten beide Streitteile den Vertrag vom 15. Jänner 1967 unterfertigt, dessen zweisprachiger Wortlaut auf die auf der Rückseite der Urkunde deutsch und italienisch abgedruckten Verkaufskonditionen und somit auch auf die unter anderem festgelegte Anwendbarkeit österreichischen Rechtes verweise. Es hätten also beide Teile übereinstimmende Willenserklärungen dahin abgegeben, daß das Vertragsverhältnis nach österreichischem Recht zu beurteilen sei. Daß dabei auf ihrer Seite Willensmängel vorgelegen seien, habe die beklagte Partei nicht behauptet. Der mit der Berufung erstmalig vorgebrachte Einwand, die auf der Rückseite eines Schriftstückes abgedruckten Vertragsbedingungen seien nach italienischem Recht für einen italienischen Geschäftsmann nicht bindend, könne daher nur als Geltendmachung einer dem österreichischen Rechte fremden Formvorschrift gewertet werden. Die Form sei aber ein Erfordernis eines Rechtsgeschäftes. Die für ein Rechtsgeschäft notwendige Form bestimme sich daher grundsätzlich nach dem Recht, das für das Rechtsgeschäft maßgebend ist (Walker, Internationales Privatrecht[5] S. 223 ff.). Im vorliegenden Falle sei zufolge der dahingehend abgegebenen Willenserklärungen österreichisches Recht maßgebend, daher seien auch die Formvoraussetzungen für die Gültigkeit des Vertrages bzw. eines Teiles desselben nach österreichischem Recht zu beurteilen. Dazu komme, daß der Kläger auf Grund des ihm übermittelten, von der beklagten Partei unterfertigten Schlußbriefes annehmen mußte, daß sich die beklagte Partei auch den auf der Rückseite abgedruckten Verkaufskonditionen und der Anwendbarkeit österreichischen Rechtes unterwerfe. Sollten daher etwa nach italienischem Recht auf der Rückseite eines Schriftstückes abgedruckte Vertragsbedingungen wirklich nicht bindend sein, so hätte dies die beklagte Partei nach der redlichen Verkehrsübung dem Kläger bei Vertragsabschluß mitteilen müssen. Sie habe dies nicht getan. Daher verstoße die nunmehrige Geltendmachung der Unwirksamkeit dieses Teiles des Vertragsinhaltes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und hob die Urteile der Untergerichte auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Ausführungen der Rechtsrüge richten sich ausschließlich dagegen, daß das Berufungsgericht - gleich dem Erstgericht - den festgestellten Sachverhalt unter Zugrundelegung österreichischen Rechtes und österreichischer Holzhandelsusancen beurteilte. Daß die Vereinbarung der Anwendung eines bestimmten Rechtes zulässig ist (5 Ob 190/67, 5 Ob 122/69, vergl. auch Köhler, Internationales Privatrecht[3], S. 151, Kegel, Internationales Privatrecht[2], S. 227), also eine Parteienrechtswahl zulässig vorgenommen werden kann, wird von der beklagten Partei nicht etwa bezweifelt, insbesondere auch nicht, daß die italienische Rechtsordnung an und für sich das Institut der Parteienrechtswahl kennt. Die Rechtsrüge stellt vielmehr ausschließlich auf die bereits im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung ab, nach italienischem Recht seien die auf der Rückseite eines Schriftstückes abgedruckten Vertragsbedingungen für den Verpflichteten nicht bindend und aus diesem Gründe könne österreichisches Recht nicht angewendet werden. Dies aber gibt nichts anderes ab, als die Behauptung, wegen der ins Treffen geführten, nicht näher bezeichneten Bestimmung italienischen Rechtes sei eine gültige Parteienrechtswahl überhaupt nicht zustande gekommen.
Was aber die Beurteilung der Frage anlangt, ob im konkreten Fall eine gültige Vereinbarung über die Anwendung österreichischen Rechtes getroffen wurde, muß davon ausgegangen werden, daß die von den Parteien einverständlich vorgenommene Rechtswahl ein Vertrag ist (Schnitzer, Internationales Privatrecht, S. 177). Die Parteien können aber in einem internationalen Fall kein originäres Recht setzen. Das mit der Sache befaßte Gericht hat vielmehr nach dem für das Gericht maßgebenden internationalen Privatrecht seines Landes zu untersuchen, welches Recht - einheimisches oder fremdes - auf den Fall anzuwenden ist und sodann zu prüfen, ob und in welchem Umfange die somit zuständige Rechtsordnung es dem Individuum oder den Parteien überläßt, ein anderes Recht zu wählen. Nach diesem somit zuständigen Recht ist daher auch die Frage zu beurteilen, ob eine gültige Vereinbarung über die Anwendung österreichischen Rechtes zustandegekommen ist (Schnitzer, a. a. O., S. 178 f.). Da nach dem für die österreichischen Gerichte maßgebenden internationalen Privatrecht, nämlich nach der Bestimmung des § 37 ABGB., ein zwischen einem Inländer und einem Ausländer im Ausland geschlossener Vertrag nach dem Rechte des Ortes des Vertragsabschlusses zu beurteilen ist und der Vertrag in Italien abgeschlossen wurde, ist die Frage, ob eine gültige Vereinbarung über die Anwendung österreichischen Rechtes im konkreten Falle zustande gekommen ist, nach italienischem Recht zu beurteilen.
Im aufgezeigten Umfang erweist sich daher das Verfahren vor dem Erstgericht als ergänzungsbedürftig, das vor allem die beklagte Partei zur näheren Präzisierung der von ihr ins Auge gefaßten Bestimmungen zu veranlassen haben und schließlich im Wege einer Anfrage an das Bundesministerium für Justiz entsprechende Klarheit zu schaffen haben wird.
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