OGH 4Ob583/69

OGH4Ob583/6923.9.1969

SZ 42/134

Normen

Außerstreitgesetz §43
Außerstreitgesetz §45
Außerstreitgesetz §43
Außerstreitgesetz §45

 

Spruch:

Keine Versiegelung (Sperre) der gesamten Wohnung des Erblassers, wenn dadurch Rechte eines Dritten beeinträchtigt würden.

Entscheidung vom 23. September 1969, 4 Ob 583/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Baden; II. Instanz: Kreisgericht Wr. Neustadt.

Text

Cäcilie E. ist am 23. März 1969 in Baden unter Hinterlassung eines anscheinend von ihr eigenhändig unterschriebenen und von drei Zeugen unterfertigten Testaments vom 11. März 1969 verstorben, worin Alfreda L. zur Alleinerbin eingesetzt wurde. Zum Nachlaß gehören 7/8-Anteile einer Liegenschaft in Baden mit dem Haus G.gasse 33, in dem sich auch die Wohnung der Erblasserin befindet.

Alfreda L. gab auf Grund des Gesetzes zum gesamten Nachlaß, der Bruder der Erblasserin, Karl Sch., deren Nichte Margarete F. und deren Neffe Helmut S. gaben ohne Nennung von Erbquoten auf Grund des Gesetzes die bedingte Erbserklärung ab. Sämtliche Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen. Den auf Grund des Gesetzes Erbserklärten, die die Echtheit der Unterschrift der Erblasserin auf dem Testament bestreiten, wurde die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zugeteilt.

Am 21. Juni 1969 hatte Alfreda L. vor dem Gerichtskommissär zu Protokoll gegeben, wie sie in Erfahrung habe bringen können, "sollen aus der bisher nicht versperrten erbl. Wohnung von ihr nicht bekannten Personen verschiedene, der Erblasserin gehörige Fahrnisse und Einrichtungsgegenstände (z. B. Waschmaschine etc.) verbracht worden sein." Im erblasserischen Hause in Baden, G.-gasse Nr. 33, sei dem erbl. Neffen, Helmut S. seinerzeit von dem vorverstorbenen Gatten der Erblasserin bzw. von der Erblasserin selbst im Souterrain ein Kabinett zu Wohnungszwecken vermietet bzw. kostenlos zu Mietzwecken überlassen worden. Nur zur Winterszeit habe die Erblasserin dem erbl. Neffen in ihrer Wohnung zu Schlafzwecken ein Zimmer eingeräumt bzw. ein Bett zur Verfügung gestellt. Nach dem Tode der Erblasserin habe sich S. die erbl. Wohnung angeeignet und bewohne diese ohne Zustimmung der Erben. Wegen der Gefahr, es könnten weitere Nachlaßgegenstände verschleppt werden, beantragte die Testamentserbin die Sperre der erbl. Wohnung im Sinne des § 43 AußStrG.

Das Erstgericht ordnete im zweiten Teil des Punktes 6) seines Beschlusses ONr. 11 - ohne nähere Begründung - die Versiegelung der erbl. Wohnung an und beauftragte den Gerichtskommissär mit der Durchführung dieser Maßnahme.

Diese Beschlußfassung wurde vom erbserklärten Neffen der Erblasserin, Helmut S. mit Rekurs bekämpft.

Das Rekursgericht gab dem Rekurse Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß in seinem Punkte 6) dahin ab, daß es den Antrag der Alfreda L. auf Versiegelung der Wohnung der Erblasserin abwies. Dabei ließ sich das Rekursgericht von den folgenden Erwägungen leiten:

Helmut S. habe im Rekurse zulässig neu vorgebracht, daß er seit 1961 ein Mietrecht an der gesamten Wohnung der Erblasserin im Hause Baden, G.-gasse Nr. 33, bestehend aus zwei Zimmern, Bauernstube, Vorzimmer, Küche mit Speisekammer, Badezimmer, Closett und Loggia habe und zwar in Form der Mitbenützung mit der Erblasserin. Seit 1963 habe der Rekurswerber hiefür auch einen monatlichen Mietzins von 100 S bezahlt, wofür er jedoch bis zum Ableben der Erblasserin keine Belege habe, da die Zahlung ohne Quittung erfolgt sei. Dies habe er auch durch Zeugen unter Beweis gestellt. Gemäß § 43 AußStrG. sei die Versiegelung der Verlassenschaftsmasse unter anderem dann anzuordnen, wenn Umstände besondere Vorsicht erfordern, was sicherlich bei Verschleppungsgefahr der Fall sei. Anderseits aber dürfe eine Versiegelung in Rechte Dritter nicht eingreifen. Seien solche Rechte strittig, könne eine Klärung nur im ordentlichen Rechtsweg herbeigeführt werden. Schon aus dem Antrag der Alfreda L. auf Versiegelung ergebe sich, daß Helmut S. Rechte an der Wohnung der Erblasserin für sich beanspruche, von denen die Testamentserbin zwar behaupte, daß sie nicht zu Recht bestunden, jedoch zugebe, daß der erbl. Neffe nach dem Tod der Erblasserin die Wohnung in Besitz genommen habe. Eine abschließende Prüfung der diesbezüglichen näheren Rechtsverhältnisse könne daher nur im Rechtsweg erfolgen. Eine Versiegelung der von Helmut S. bewohnten Wohnung würde das Ergebnis des Rechtsstreites vorwegnehmen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Alfreda L. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Auszugehen ist davon, daß Alfreda L. nicht etwa auf eine Versiegelung der Verlassenschaftsmasse, wie sie § 45 AußStrG. vorsieht, sondern auf eine Versiegelung (Sperre) der Wohnung der Erblasserin in ihrer Gesamtheit als Sicherungsmaßnahme abzielt, in welchem Sinne auch die Beschlußfassung des Erstgerichtes erfolgte und auf deren Wiederherstellung im Revisionsrekurse ausschließlich abgestellt wird. Da aber die Antragstellerin in ihrem Antrag selbst einräumte, daß Helmut S. - der jedenfalls derzeit in der Wohnung wohnt - von der Erblasserin außer einem ihm im Souterrain vermieteten Kabinett "für die Winterszeit zu Schlafzwecken in ihrer Wohnung ein Zimmer eingeräumt, beziehungsweise ein Bett zur Verfügung gestellt worden war," liegen jedenfalls schon nach diesen Angaben - wenn auch beschränkte - Benützungsrechte des erbl. Neffen Helmut S. an der in Frage stehenden Wohnung vor, in die durch eine Versiegelung in der Form einer Sperre der gesamten Wohnung unter dem Gesichtspunkt des § 43 AußStrG. nicht eingegriffen werden darf, weil dadurch Rechte eines Dritten, die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestanden haben, nicht beeinträchtigt werden dürfen (NotZ. 1927 S. 158, 2 Ob 827/53). Helmut S., der nach der Aktenlage jedenfalls ab 6. Juni 1961 im Hause G.-Gasse 33 gemeldet erscheint, behauptet und hat unter Beweis gestellt, daß er schon bei Lebzeiten seiner Tante und insbesondere auch im Zeitpunkt ihres Ablebens Mitmieter der Wohnung gewesen sei und die gesamte Wohnung gemeinsam mit ihr benützte. Ob dies zutrifft oder er erst nach dem Tode der Tante die ganze Wohnung für sich in Besitz nahm, ist aus den Erwägungen des Rekursgerichtes im Rechtsweg zu klären und hat bei der Entscheidung über den Antrag auf Sperre der ganzen Wohnung mit Rücksicht auf die feststehenden Benützungsrechte des Helmut S. außer Betracht zu bleiben. Jedenfalls kann dem ordentlichen Rechtsweg durch eine Sicherungsmaßnahme wie sie der Antragstellerin vorschwebt, nicht vorgegriffen werden.

Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Sollte sich etwa auf Grund von allfällig vorzunehmenden ergänzenden Erhebungen ergeben, daß eine konkrete Gefahr dafür besteht, daß die Verlassenschaftsmasse zur Gänze oder zum Teil verbracht wird, ist es dem Erstgericht unbenommen, von Amts wegen oder auf Antrag geeignete Maßnahmen unter den Voraussetzungen des §§ 43 ff. AußStrG. zu treffen, die aber keinesfalls in einer Versiegelung in Form einer Sperre der gesamten Wohnung bestehen könnten. Derzeit liegt in diesem Zusammenhang jedenfalls bloß die verschwommene Behauptung der Alfreda L. in ihrem Antrag vor, daß verschiedene der Erblasserin gehörige Gegenstände aus der Wohnung der Erblasserin verbracht worden sein sollen, die nach der Aktenlage durch nichts näher erhärtet ist.

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