OGH 5Ob136/69

OGH5Ob136/6921.5.1969

SZ 42/80

Normen

EO §378
EO §382 Z5
EO §378
EO §382 Z5

 

Spruch:

Zur Sicherung eines Anspruchs auf Zuhaltung eines Kaufvertrages über eine Wohnliegenschaft kann dem Verkäufer die Bestandgabe untersagt werden.

Entscheidung vom 21. Mai 1969, 5 Ob 136/69.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der am 30. Oktober 1967 verstorbene Leopold S. war Eigentümer der Liegenschaft EZ. 515 GB. N. Er setzte seine Gattin, die Beklagte, zur Universalerbin ein und vermachte seiner Schwester Johanna S. einen Betrag von 100.000 S. Ein letztwillig übergangener Ziehsohn hat eine Forderung von 500.000 S angemeldet. Die Beklagte gab eine unbedingte Erbserklärung ab, auf Grund deren ihr der Nachlaß im Zuge des Verfahrens eingeantwortet wurde.

Die Kläger behaupten, zwischen ihnen und der Beklagten sei am 30. Jänner 1968 eine volle Einigung über den Verkauf der Nachlaßliegenschaft zustandegekommen; sie stellen daher folgendes Hauptbegehren:

Die Beklagte sei schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Kläger je zur Hälfte an der Liegenschaft einzuwilligen, und zwar Zug um Zug gegen die Einwilligung der Kläger, in die Einverleibung des Pfandrechtes für eine Kaufpreisrestforderung von 1.000.000 S, sowie der Dienstbarkeit des lebenslänglichen Benützungsrechtes an der Garage, beides zu Gunsten der Klägerin.

Subsidiär begehren die Kläger die Feststellung, daß zwischen ihnen und der Beklagten der Kaufvertrag zustandegekommen sei. Mit der Behauptung, die Beklagte verweigere unbegrundet die Unterfertigung der Aufsandungserklärung und es bestehe die Gefahr der Vereitlung oder erheblichen Erschwerung der Verwirklichung des klägerischen Anspruchs, da die Beklagte als testamentarische Alleinerbin über die Liegenschaft verfügungsberechtigt sei, beantragten die Kläger zunächst mittels einstweiliger Verfügung

1. der Beklagten die Veräußerung oder Belastung der Liegenschaft zu untersagen,

2. dieses Verbot grundbücherlich anzumerken,

3. der Beklagten subsidiär jede Verfügung über die Liegenschaft durch Verfügung über das Erbrecht, insbesondere durch Verzicht auf dieses oder dessen Veräußerung zu verfügen.

Das Erstgericht erließ eine Einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten verboten wurde, die Liegenschaft zu veräußern oder zu belasten. Das Wirksamwerden dieses Verbotes wurde vom Erlag einer Sicherheitsleistung von 50.000 S abhängig gemacht.

Auf neuerlichen Antrag der Kläger untersagte das Erstgericht der Beklagten nunmehr, über die strittige Liegenschaft ganz oder teilweise durch Bestandvertrag zu verfügen. Diese einstweilige Verfügung wurde vom Erlag einer Sicherheit von 30.000 S abhängig gemacht und für die Zeit erlassen, bis die Kläger ihren Anspruch durch Zwangsvollstreckung geltend machen können, längstens jedoch bis 31. Dezember 1969. Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Ende Jänner 1968 kam es zwischen den Streitteilen zu einer Willensübereinkunft, nach der die Beklagte den Klägern die Nachlaßliegenschaft um 1.400.000 S verkaufte. Die Kläger verpflichteten sich, eine vorhandene Garage in eine Wohnräumlichkeit umzugestalten, an der die Beklagte ein lebenslanges Benützungsrecht haben sollte. Ein bestimmter Teil des Kaufpreises sollte bar, der Rest in Monatsraten von 5000 S bezahlt werden. Die Beklagte versprach, in Kürze den Klagevertreter aufzusuchen, um die fixierten Punkte juristisch zu formulieren. Nach der vorliegenden Korrespondenz denkt die Beklagte jetzt an eine Vermietung des Hauses.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht dahin, daß es zu keinem formbedürftigen Erbschaftskauf gekommen sei. Vielmehr sei die Beklagte nach der nunmehr geschehenen Einantwortung verpflichtet, die zur Verwirklichung der Willenseinigung erforderlichen Handlungen zu setzen. Die von ihr beabsichtigte Vermietung laufe dem auf Bewohnung der Liegenschaft gerichteten Kaufzweck der Kläger zuwider und bedeute eine Gefährdung ihrer Ansprüche aus der Willensübereinkunft.

Zufolge Rekurses der Beklagten änderte das Rekursgericht diese Entscheidung dahin ab, daß es den Antrag der Kläger auf Erlassung der zweiten einstweiligen Verfügung aus rechtlichen Gründen abwies.

Es führte hiezu folgendes aus:

Nach § 378 EO. könne das Gericht einstweilige Verfügungen zur Sicherung des Rechtes einer Partei erlassen. Wie sich aus den §§ 381 und 382 EO. ergebe, könne unter Recht im Sinne dieser Gesetzesstelle nur jener Anspruch verstanden werden, den die Partei im Rechtsstreit geltend mache oder in einem künftigen Rechtsstreit geltend zu machen beabsichtige. Auf Grund des hier erhobenen Anspruches auf Zustimmung zur Einverleibung des behaupteten Eigentumsrechtes können daher nicht das Verbot, Mietrechte an der Liegenschaft zu begrunden, erwirkt werden. Denn dieses Verbot vermöge den Klagsanspruch in keiner Weise zu sichern. Nach § 1120 ABGB. seien Bestandrechte vom Käufer zu übernehmen, sie bilden aber kein Hindernis für die Einverleibung des Eigentumsrechtes.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Kläger Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist wohl richtig, daß sich eine einstweilige Verfügung immer im Rahmen des mit der Klage erhobenen oder zu erhebenden Anspruchs halten muß und daß dem Gläubiger Maßnahmen, auf die er bei siegreicher Durchsetzung des Hauptanspruches kein Recht hätte, auch im Provisorialverfahren nicht bewilligt werden dürfen (SZ. XXVII 329, EvBl. 1962 Nr. 477, 6 Ob 94/68 u. a.). Der Oberste Gerichtshof hat aber in einer Reihe von Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß bei der Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, nicht zu engherzig vorgegangen werden darf und daß die Voraussetzungen als gegeben anzusehen sind, wenn die Durchsetzung des Hauptanspruchs durch die vom Schuldner drohenden Verfügungen vereitelt oder erheblich erschwert würde.

So wurde zur Sicherung des den Klägern aus der unbefugten Schlägerung der Beklagten entstandenen Schadenersatzanspruches diesen die Veräußerung oder Verpfändung des geschlägerten Holzes verboten (ZBl. 1922 Nr. 131). Die Fortführung des Baues eines Wohnhauses und einer Mühle durch den Erwerber auf einer entzogenen Liegenschaft wurde als Gefährdung des Rückstellungsanspruches angesehen und durch einstweilige Verwaltung der Liegenschaft sowie durch an den Erwerber gerichtetes Verfügungsverbot untersagt (Heller - Rauscher, Die Rechtsprechung der Rückstellungskommission II. Teil Nr. 45). Zu SZ. XXVIII 261 wurde zur Sicherung eines Anspruches auf Abgabe einer Willenserklärung gegenüber der Finanzbehörde die Untersagung der Empfangnahme bzw. der Auszahlung eines Steuerguthabens grundsätzlich für zulässig erklärt, wenngleich die untergerichtlichen Entscheidungen aus anderen Gründen aufgehoben wurden. Zur Sicherung des Klagsanspruchs auf Erwirkung der substitutionsbehördlichen Genehmigung eines Kaufvertrags sowie auf Ausfolgung einer einverleibungsfähigen Eigentumsübertragungsurkunde wurde dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung verboten, die Liegenschaft zu belasten, zu verpfänden oder zu veräußern (SZ. XXXVIII 58). Schließlich verweist der Revisionsrekurs mit Recht auf die Entscheidung MietSlg. 18.752, in der zur Sicherung des Anspruchs auf Auflösung eines Schotter- und Sandabbauvertrages sowie auf Räumung und Übergabe der Liegenschaft im "gegenwärtigen" Zustand die Erlassung einstweiliger Betätigungs- und Veränderungsverbote zugelassen wurde.

Vergleicht man diese Fälle mit dem vorliegenden, so kann der Meinung des Rekursgerichtes, die beantragte Verfügung diene in keiner Weise der Sicherung des Klagsanspruches, nicht gefolgt werden. Das auf der strittigen Liegenschaft befindliche Haus ist nach der Aktenlage ein Einfamilienhaus, dessen Erwerb die Kläger anstreben, um darin zu wohnen. Würde die Beklagte die Räume dieses Hauses ganz oder zum Teil vermieten, so würde dadurch der von den Klägern angestrebte Vertragszweck entweder gänzlich vereitelt oder doch erheblich erschwert werden, da je nachdem, unter welchen Bedingnissen die Vermietung vorgenommen würde, die Entfernung der Mieter unmöglich oder nur durch einen langwierigen Rechtsstreit erreichbar wäre. Es trifft somit zwar zu, daß - wie das Rekursgericht ausführt - die Übertragung des Eigentumsrechtes an die Kläger durch eine allfällige Vermietung nicht gehindert würde, doch wäre dies keine lastenfreie Übertragung, wie sie der behaupteten Parteienabsicht zugrunde lag, sondern eine durch fremde Mietrechte wesentlich eingeschränkte.

Unter diesen Gesichtspunkten muß somit gesagt werden, daß sich die beantragte Verfügung im Rahmen der Verwirklichung des Klagsanspruches hält und deren Sicherung dient.

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