OGH 7Ob82/69

OGH7Ob82/6914.5.1969

SZ 42/78

Normen

Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz: §6 (1) Satz 2
VersVG §6
VersVG §23
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz: §6 (1) Satz 2
VersVG §6
VersVG §23

 

Spruch:

Die Leistungsfreiheit des Versicherers dem Versicherungsnehmer gegenüber tritt ein, wenn sie für den Fall einer Obliegenheitsverletzung a) im Versicherungsvertrag vereinbart oder

b) ausdrücklich im Gesetz normiert worden ist.

Es besteht keine gesetzliche Bestimmung, nach der eine mangelhafte Verwahrung eines Fahrzeuges den Verlust des Versicherungsschutzes aus der Haftpflichtversicherung zur Folge hätte.

Das Haftpflichtversicherungsverhältnis wird dadurch nicht berührt, daß der Versicherungsnehmer oder Halter einen längere Zeit andauernden Zustand schafft, der die Benützung des versicherten Kraftfahrzeuges zu Schwarzfahrten ermöglicht.

Entscheidung vom 14. Mai 1969, 7 Ob 82/69.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab, die beklagte Versicherungsgesellschaft habe den Klägern Versicherungsschutz für den dem Othmar S. zugefügten Schaden zu leisten, den Johann L. am 24. November 1963 als Fahrer eines PKW. Ford Taunus 12 M verschuldet hatte. Er trag folgende Feststellungen:

Die Zweitklägerin, Verlobte des Erstklägers, hatte diesem den auf ihren Namen zugelassenen oben näher bezeichneten Personenkraftwagen geborgt und zum Gebrauch überlassen. Der Erstkläger hatte den Kraftwagen, der bei der Beklagten gegen Haftpflicht versichert war, in der Durchfahrt zwischen dem Wohnhaus seiner Eltern und deren Wirtschaftsgebäude abgestellt. Den Zundschlüssel ließ er im unversperrten Wagen stecken. Im Hause der Eltern des Erstklägers wohnte Johann L. Ohne von irgend jemandem die Erlaubnis hiezu erhalten zu haben, führte Johann L., der keinen Führerschein besaß, den Personenkraftwagen am 24. November 1963 aus dieser Durchfahrt heraus, setzte ihn in Fahrt und verschuldete am gleichen Tag einen Verkehrsunfall, bei dem der Fahrzeuglenker Othmar St. verletzt und dessen Personenkraftwagen schwer beschädigt wurde. Wegen seiner Tat wurde Johann L. des Vergehens nach § 467 lit. b StG. schuldig erkannt. Auf Grund des Haftpflichtversicherungsvertrages hatte die Beklagte dem Othmar St. 18.926 S zu bezahlen. Rechtlich führte der Erstrichter aus, die Beklagte habe mit Recht unter Berufung auf § 2

(2) lit. b AKB. den Versicherungsschutz abgelehnt, weil der Erstkläger die Schwarzfahrt des Johann L. ermöglicht habe. Für diese Nachlässigkeit des Erstklägers hafte auch die Zweitklägerin.

Infolge Berufung der Kläger änderte das Berufungsgericht das Ersturteil dahin ab, daß es feststellte, die Beklagte habe den Klägern im Rahmen des zwischen der Zweitklägerin und der Beklagten abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages für jeden Schaden zu haften, den Johann L. bei dem von ihm mit dem PKW. Ford Taunus 12 M am 24. November 1963 verursachten Unfall dem Othmar St. zufügte. Das Mehrbegehren der Kläger auf Feststellung der unbeschränkten Haftung der Beklagten aus diesem Schadensfall wies das Berufungsgericht ab.

Das Berufungsgericht übernahm die vom Erstrichter getroffenen Feststellungen. Zutreffend sei der Erstrichter davon ausgegangen, daß sich der Unfall anläßlich einer Schwarzfahrt des Johann L. ereignet und daß der Erstkläger diese Schwarzfahrt dadurch schuldhaft ermöglicht hat, daß er den Zundschlüssel im unversperrten PKW. stecken ließ. Leistungsfreiheit nach § 2 (2) lit. b AKB. (in der im Unfallszeitpunkt geltenden Fassung) sei jedoch nur dann gegeben, wenn ein Lenker, der das Fahrzeug mit Zustimmung des Verfügungsberechtigten benützt, nicht den vorgeschriebenen Führerschein habe. Für die Fahrten eines unberechtigten Lenkers (Schwarzfahrers) habe die Versicherungsgesellschaft dem Versicherungsnehmer oder Halter Versicherungsschutz zu gewähren, gleichgültig, ob der unberechtigte Fahrer einen Führerschein habe. Nur der Schwarzfahrer sei vom Versicherungsschutz ausgenommen. Es liege auch keine Gefahrenerhöhung vor. Der Versicherungsschutz habe auch dann einzugreifen, wenn der Halter nach § 6 (1) Satz 2 EKHG. für die Folgen einer Schwarzfahrt einzustehen habe. Daß die Kläger vorsätzlich gehandelt hätten, sei nicht behauptet worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens wendet sich die Beklagte dagegen, daß das Berufungsgericht, ohne eine Beweisgrundlage dafür anzuführen, den Erstkläger deshalb als Halter des gegenständlichen Fahrzeuges qualifiziert habe, weil ihm das Fahrzeug von der Eigentümerin zur freien Benützung überlassen worden sei.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß bereits nach den Feststellungen des Erstrichters die Zweitklägerin dem Erstkläger das Auto "geborgt und damit zum Gebrauch überlassen hat". Diese Feststellung, deren Richtigkeit von der Beklagten gar nicht bekämpft wird, hat das Berufungsgericht übernommen. Es erübrigte sich daher für das Berufungsgericht, für diese Feststellung eine Beweisgrundlage anzuführen. Sollte die Beklagte jedoch der Ansicht sein, daß die oben erwähnte Feststellung nicht den Schluß auf eine Halterschaft des Erstklägers rechtfertige, so wären diese Bedenken unter dem Gesichtspunkte der rechtlichen Beurteilung vorzutragen gewesen.

In ihrer Rechtsrüge behauptet die Beklagte, die Leistungsfreiheit sei deshalb gegeben, weil der Erstkläger durch seine nachlässige Verwahrung des PKW. eine Obliegenheit verletzt und darüber hinaus noch eine Gefahrenerhöhung herbeigeführt habe. Auch diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Eine Obliegenheitsverletzung hätte im Sinne des § 6 VersVG. nur dann die Leistungsfreiheit des Versicherers dem Versicherungsnehmer gegenüber zur Folge, wenn dies in dem zwischen den Genannten geschlossenen Versicherungsvertrag vereinbart worden wäre. Dies ergibt sich schon aus den einleitenden Worten dieser Gesetzesstelle:

"Ist im Vertrag bestimmt ...". Die Leistungsfreiheit dem Versicherungsnehmer gegenüber tritt weiters auch dann ein, wenn dies im Gesetz ausdrücklich für den Fall einer Obliegenheitsverletzung normiert ist. Keine dieser beiden Möglichkeiten liegt hier vor. Es besteht keine gesetzliche Bestimmung, nach der eine mangelhafte Verwahrung eines Fahrzeuges den Verlust des Versicherungsschutzes aus der Haftpflichtversicherung zur Folge hätte, es wurde auch von der Beklagten keine derartige Vereinbarung behauptet.

Das Haftpflichtversicherungsverhältnis wird auch dadurch nicht berührt, daß der Versicherungsnehmer oder Halter einen längere Zeit andauernden Zustand schafft, der die Benützung des versicherten Kraftfahrzeuges zu Schwarzfahrten ermöglicht (Prölss, Versicherungsvertragsgesetz[17], S. 163 unter Verweisung auf die Entscheidung des BGH. vom 20. April 1961, Vers. 1961 S. 529).

Das Berufungsgericht hat sohin zutreffend mit Rücksicht auf § 2 (2) lit. b AKB. die Rechtsansicht vertreten, daß der Mangel der vorgeschriebenen Fahrerlaubnis (Führerschein) des Johann L. auf die Verpflichtung der Beklagten, Versicherungsschutz für den gegenständlichen Unfall zu gewähren, ohne Einfluß ist, da L. als unberechtigter Fahrer, d. h. ohne Zustimmung des Verfügungsberechtigten das Fahrzeug bei der Unfallsfahrt benützt hat.

Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß das Berufungsgericht den Versicherungsschutz auch dem Erstkläger als "Mithalter" des PKW. zugebilligt hat. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde der Kraftwagen von der Zweitklägerin als Versicherungsnehmerin ihrem Verlobten, dem Erstkläger, zur freien Benützung überlassen. Das Kraftfahrzeug kam daher mit Wissen und mit Willen der Zweitklägerin als Eigentümerin in die freie Disposition des Erstklägers. Daß diese Überlassung nur für eine einzelne Fahrt oder nur für kurze Zeit erfolgt wäre, hat die Klägerin, die - wie schon das Berufungsgericht hervorhebt - die Aktivlegitimation des Erstklägers im Verfahren I. Instanz nicht bestritten hat, nicht einmal behauptet.

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