OGH 8Ob71/69

OGH8Ob71/6922.4.1969

SZ 42/58

Normen

Außerstreitgesetz §145
Außerstreitgesetz §145

 

Spruch:

Wurde bei der Abstimmung in der Generalversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Antrag auf Auflösung der Gesellschaft infolge Nichtbeachtung eines Vollmachtmangels als mit einer Für- gegen eine Gegenstimme abgelehnt angesehen, ist das Klagebegehren auf Feststellung der Auflösung schon mangels Vorliegens eines notariell beurkundeten Auflösungsbeschlusses abzuweisen.

Entscheidung vom 22. April 1969, 8 Ob 71/69.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die beiden Parteien sind je mit einem Stammkapital von 110.000 S Gesellschafter einer im Handelsregister eingetragenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Kläger berief für den 1. März 1968 eine außerordentliche Generalversammlung in den Amtsräumen des öffentlichen Notars Dr. L. ein, mit dem Tagesordnungspunkt Auflösung der Gesellschaft und Allfälliges. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß die Gesellschaft in der Generalversammlung vom 1. März 1968 durch Beschluß der Gesellschafter aufgelöst worden sei. Er verlangt weiter die Verurteilung des Beklagten, die diesem gemäß § 88 GesmbHG. obliegende Anzeige, betreffend die Auflösung der Gesellschaft, an das Handelsgericht zu erstatten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte fest: Während der Kläger zur Generalversammlung persönlich erschien, ließ sich der Beklagte durch einen Bevollmächtigten vertreten. Der Bevollmächtigte war aber nicht mit einer der Bestimmung des § 39 (3) GesmbHG. entsprechenden Vollmacht ausgestattet, sondern nur mit einer allgemeinen Prozeßvollmacht. Trotzdem wurde im Protokoll über den Verlauf der Generalversammlung vom Notar festgestellt, daß sämtliche Gesellschafter erschienen bzw. vertreten seien. Der Kläger stimmte für, der Bevollmächtigte des Beklagten gegen die Auflösung der Gesellschaft. Der Notar hielt im Protokoll fest, daß mit Rücksicht auf dieses Abstimmungsergebnis ein Antrag auf Bestellung von Liquidatoren nicht gestellt werde. Im Schreiben vom 4. März 1968 stellte sich der Klagevertreter auf den Standpunkt, der Bevollmächtigte des Beklagten habe keine ordnungsgemäße Spezialvollmacht gehabt, weshalb der Antrag auf Auflösung der Gesellschaft als genehmigt zu gelten habe. Das Erstgericht pflichtete zwar dem Kläger darin bei, daß der Bevollmächtigte des Beklagten nicht durch eine den Vorschriften entsprechende Spezialvollmacht ausgewiesen gewesen sei. Es war aber der Ansicht, daß sich aus diesem Umstand nicht die Berechtigung des vom Kläger erhobenen Klagebegehrens ableiten lasse. Der gegen einen gesetz- oder statutenwidrigen Generalversammlungsbeschluß in Betracht kommende Rechtsbehelf sei einzig und allein eine Klage nach § 41 GesmbHG. auf Nichtigerklärung eines solchen Beschlusses. Eine Klage auf Feststellung, was gewesen wäre, wenn die Gesetzwidrigkeit nicht unterlaufen wäre, sei dem Gesetz fremd. Ein Beschluß auf Auflösung der Gesellschaft, der zustandegekommen wäre, wenn der Bevollmächtigte des Beklagten nicht mitgestimmt hätte, könne nicht als zustandegekommen angesehen werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Das Berufungsgericht war der Ansicht, bei dem Feststellungsbegehren handle es sich in Wahrheit nicht um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes, sondern um die nicht zulässige Feststellung von Tatsachen, nämlich der Tatsache, daß an der Generalversammlung ein nicht mit der erforderlichen Spezialvollmacht ausgestatteter Vertreter des Beklagten teilgenommen habe und daß daher der Antrag des Klägers auf Auflösung der Gesellschaft angenommen worden sei. Davon abgesehen, müsse auf Grund des festgestellten Sachverhaltes davon ausgegangen werden, daß ein den Tagesordnungspunkt "Auflösung der GesmbH." bejahender Beschluß überhaupt nicht zustandegekommen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Kläger kann zwar darin gefolgt werden, daß der Kläger nicht bloß die Feststellung von Tatsachen anstrebt. Wäre die Gesellschaft in der Tat, wie vom Kläger geltend gemacht wird, durch Beschluß der Gesellschafter aufgelöst worden, so wäre damit die bis dahin bestandene Rechtslage verändert worden. Der Inhalt des geänderten Rechtsverhältnisses wäre feststellungsfähig.

Damit ist aber für den Kläger nichts gewonnen. Den Vorinstanzen kann nämlich im Ergebnis darin gefolgt werden, daß ein Beschluß der Gesellschafter auf Auflösung der Gesellschaft, wie er vom Kläger geltend gemacht wird, nicht vorliegt. Wenn auch die Beschlußfassung in der Generalversammlung, wie sich aus § 39 GesmbHG. ergibt, in der Regel an Förmlichkeiten nicht gebunden ist, so muß doch verlangt werden, daß der Wille der an der Abstimmung beteiligten Gesellschafter, einen mit Mehrheit angenommenen Antrag als beschlossen gelten zu lassen, in erkennbarer Weise zum Ausdruck kommt. Wäre es doch denkbar, daß die Gesellschafter trotz Vorliegens einer Mehrheit für den Antrag aus bestimmten Gründen, etwa weil sie sich nicht über gewichtige Einwände der Gegenseite oder über eine bloß wegen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Form anfechtbare Vollmacht nicht hinwegsetzen wollen, nicht den Willen haben, den Antrag als beschlossen zu behandeln. Im vorliegenden Fall kommt noch dazu, daß der Beschluß der Gesellschafter auf Auflösung der Gesellschaft kraft ausdrücklicher Bestimmung des § 84 (1) Z. 2 GesmbHG. an eine bestimmte Form gebunden ist, nämlich an die notarielle Beurkundung (vgl. auch Gellis, Kommentar zum GesmbHG., zu § 84, S. 254 ff.). Von einem diesem Formerfordernis entsprechenden, notariell beurkundeten Auflösungsbeschluß kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Wurde doch, nachdem ohne Behandlung der Frage, ob die Vollmacht des Vertreters des Beklagten den Formerfordernissen entspricht, festgehalten worden war, daß alle Gesellschafter anwesend, bzw. vertreten seien, ausdrücklich festgestellt, daß mit Rücksicht auf das zur Hälfte für und zur Hälfte gegen den Antrag lautende Abstimmungsergebnis ein Antrag auf Bestellung von Liquidatoren nicht gestellt werde. Diese Beurkundung widerspricht der Annahme, es sei die Auflösung der Gesellschaft als beschlossen angesehen und vom Notar ein solcher Beschluß beurkundet worden. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß sich der Kläger - aus anderen Gründen - gegen die Teilnahme des Bevollmächtigten des Beklagten ausgesprochen hat. Hat doch der Kläger daraus nicht die erforderlichen Folgerungen gezogen, die darin hätten bestehen müssen, daß der Kläger noch in der Generalversammlung seinen antrag als durch die gültig abgegebenen Stimmen genehmigt, die Auflösung der Gesellschaft daher als beschlossen festzustellen beantragt und den Antrag auf Bestellung von Liquidatoren für die aufgelöste Gesellschaft stellt. Eine solche Willensäußerung des Klägers kann nach der Beurkundung des Notars nicht angenommen werden. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß der Kläger selbst die in der Beurkundung des Notars zum Ausdruck gebrachte Nichtauflösung der Gesellschaft widerspruchslos hingenommen und daher von einer Antragstellung auf Bestellung von Liquidatoren Abstand genommen hat.

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