OGH 5Ob71/69

OGH5Ob71/692.4.1969

SZ 42/46

Normen

ZPO §34
ZPO §34

 

Spruch:

Auch das Unterlassen einer dem Prozeßbevollmächtigten aufgetragenen Prozeßhandlung wirkt gegenüber den anderen Prozeßsubjekten so, wie wenn sie die Partei selbst unterlassen hätte.

Entscheidung vom 2. April 1969, 5 Ob 71/69.

I. Instanz: Landesgericht Innsbruck: II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Der Kläger begehrte mit seiner am 25. September 1962 eingebrachten Klage die Zahlung eines Betrages von 73.690.05 S s. A. als restlichen Werklohn für die Errichtung eines Wohnhauses.

Der Beklagte beantragte, das Begehren abzuweisen, und wendete ein, es sei ein Pauschalhonorar vereinbart worden, das er berichtigt habe. Überdies erhob er Gegenforderungen.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5. März 1964 wurde Ruhen des Verfahrens vereinbart. Am 6. November 1967 beantragte der Kläger durch seinen nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten die Fortsetzung des Verfahrens. Der Beklagte wendete nun mit der Behauptung, die Klage sei nicht gehörig fortgesetzt worden (§ 1497 ABGB.), Verjährung der Forderung ein.

Das Erstgericht wies das Begehren wegen Verjährung der Klagsforderung ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Kläger habe sich darauf berufen, er sei über die Bedeutung des Ruhens des Verfahrens nicht orientiert gewesen, andererseits habe er schon nach einiger Zeit seinem damaligen Rechtsvertreter Dr. F. aufgeträgen, in der Sache "endlich weiter zu machen", doch habe dieser die Vertretung niedergelegt. Er habe nun einen neuen Vertreter in der Person des Rechtsanwaltes Dr. S. ausfindig gemacht, der erklärt habe, seinen Fall übernehmen zu wollen, aber trotzdem den Prozeß nicht fortgesetzt habe, worauf er ihm die Unterlagen wieder abverlangt und schließlich seinen nunmehrigen Vertreter beauftragt habe. Diese vom Kläger vorgebrachten Umstände bilden keine ausreichende Erklärung und Rechtfertigung für die ungewöhnliche Länge seiner Untätigkeit durch 3 1/2 Jahre. Es habe ihm doch nicht durch einen längeren Zeitraum verborgen bleiben können, daß seine Vertreter den Aufträgen nicht nachkamen und die Fortsetzung des Verfahrens nicht betrieben. Es wäre ihm freigestanden, ihnen hiefür kurze Termine zu stellen. Derartigen internen Vorgängen zwischen einer Partei und ihren Prozeßvertretern müsse grundsätzlich die Bedeutung für die Beurteilung der Verjährungsfrage abgesprochen werden; denn gemäß § 34 ZPO. haben die auf Grund einer Prozeßvollmacht vom Bevollmächtigten vorgenommenen Prozeßhandlungen im Verhältnis zur Gegenpartei dieselbe Wirkung, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen worden wären. Daraus ergebe sich die Belanglosigkeit der Frage, ob sich die Partei selbst über die Bedeutung der Ruhensvereinbarung im Klaren gewesen sei. Sie müsse auch die Unterlassung von Prozeßhandlungen durch ihren Bevollmächtigten gegen sich gelten lassen. Das Erstgericht habe daher ohne Rechtsirrtum den Eintritt der Verjährung der Klagsforderung angenommen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Daß nicht das Zeitausmaß des Ruhens des Verfahrens, sondern die Umstände des Einzelfalles für die Beurteilung der Frage entscheidend sind, ob der Kläger triftige Gründe für sein Zögern in der Fortsetzung des Prozesses ins Treffen führen kann, trifft zu. Diese Auffassung entspricht nicht nur der Lehre (Klang, Komm.[2] VI 656 ff.), sondern auch der ständigen Rechtsprechung (JBl. 1955 S. 552, EvBl. 1961 Nr. 80, SZ. XXXVI 50 u. v. a.). Gerade diese Erwägungen führen aber im vorliegenden Fall zu dem von den Untergerichten gewonnenen rechtlichen Ergebnis.

Auszugehen ist davon, daß weder der frühere Rechtsanwalt des Klägers, Dr. F., der im übrigen die Vollmacht zurückgelegt hat, noch der später betraute Rechtsanwalt Dr. S. dem Auftrag des Klägers, die Fortsetzung des Verfahrens in die Wege zu leiten, nachgekommen ist. Diese Prozeßhandlung hätte, da es sich um einen Anwaltsprozeß handelte, nur von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden können. Der Kläger hätte also, um die Verjährung zu verhindern, seinem Anwalt die Vollmacht kundigen und einen neuen Anwalt beauftragen müssen, sobald ihm klar geworden war, daß sein Bevollmächtigter in seiner prozessualen Untätigkeit verharrt. Es mag dem Kläger zugegeben werden, daß er, worauf die Revision verweist, nach der Kündigung der Vollmacht durch Dr. F. und der Betrauung des Dr. S. nicht sofort wieder mit einer Vollmachtskündigung vorgehen mußte, er durfte sich indessen nicht mit der prozessualen Untätigkeit dieses Anwalts durch mehr als zwei Jahre abfinden, zumal seit der Ruhensvereinbarung bis zu dieser Bevollmächtigung allein schon mehr als ein Jahr verstrichen war. Von der Sicht seines Gegners aus ergab sich damit eine Gesamtdauer der prozessualen Untätigkeit von mehr als dreieinhalb Jahren. Der Prozeß blieb infolgedessen nach der Ruhensvereinbarung über die im § 1486 Z. 1 ABGB. vorgesehene Gesamtverjährungszeit hinaus liegen. Der Kläger hat somit nicht alles getan, was er zur Weiterführung des Prozesses tun konnte; nur in diesem Fall hätte er mit Erfolg den Standpunkt vertreten können, daß seine Klage im Sinn des § 1497 ABGB. gehörig fortgesetzt wurde (EvBl. 1965 Nr. 144). Er muß übrigens in der Revision selbst zugeben, daß sich eine andere Person in diesem Belang energischer verhalten hätte. Der Kläger versucht nun, sich auf ein auftrags- oder pflichtwidriges Verhalten seiner Prozeßbevollmächtigten zu berufen. Diesem Versuch steht aber die Bestimmung des § 34 ZPO. entgegen, wonach die auf Grund einer Prozeßvollmacht von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozeßhandlungen im Verhältnis zur Gegenpartei dieselbe Wirkung haben, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen worden wären. Dies gilt nicht nur von Prozeßhandlungen, sondern auch von deren Unterlassung; denn auch die Unterlassung der aufgetragenen Prozeßhandlung durch den Prozeßbevollmächtigten wirkt gegenüber den anderen Prozeßsubjekten, also nach außenhin, so, wie wenn sie die Partei selbst unterlassen hätte (Petschek - Stagel, Der österreichische Zivilprozeß, S. 165 f., Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, S. 205 f., 214).

Der Annahme der Untergerichte, dem Kläger sei der Nachweis eines seine ungewöhnlich lange Untätigkeit bei Verfolgung des Prozeßzieles rechtfertigenden Umstandes nicht gelungen, kann daher nicht entgegengetreten werden. Da er somit die Unterbrechungswirkung seiner Klagserhebung nicht gewahrt hat, war der Verjährungseinrede Berechtigung zuzuerkennen.

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