Spruch:
Wenn der Versicherungsnehmer trotz Kenntnis vom bloßen Mitverschulden ein Alleinverschulden anerkennt, liegt eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vor.
Entscheidung vom 12. März 1969, 7 Ob 27/69.
I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Am 5. August 1961 stieß der Beklagte auf der Bundesstraße Nr. 1 im Ortsgebiet von H. mit einem von ihm gelenkten und ihm gehörigen PKW mit dem von Alois Z. gelenkten und in dessen Eigentum stehenden PKW zusammen, der aus einer Hauseinfahrt gekommen war. Durch den Zusammenstoß wurden beide Fahrzeuge beschädigt und Alois Z. leicht verletzt. Noch am Unfallstag erklärte der Beklagte mündlich und sodann auch schriftlich, diesen Unfall allein verschuldet zu haben und den entstandenen Schaden, soweit er nicht von seiner Versicherung gedeckt werde, persönlich zu bezahlen. Auch im Bericht an die nunmehrige Klägerin, seinen Haftpflichtversicherer, führte der Beklagte an, daß er allein schuldig sei und sich zur Schadensgutmachung verpflichtet habe.
Auf Grund einer von Alois Z. zu C .../64 des Bezirksgerichts Dornbirn eingebrachten Klage wurde der Beklagte, dem Gründe nach infolge seines Anerkenntnisses, rechtskräftig zur Zahlung eines Betrages von 8469 S samt 4% Zinsen seit 1. Mai 1962 sowie eines Betrages von 2921.41 S an Prozeßkosten verurteilt, wogegen Alois Z. dem Beklagten den Betrag von 407.92 S an Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen hatte.
Entsprechend dem Ausgang dieses Rechtsstreites zahlte die nunmehrige Klägerin an den Vertreter des Alois Z. am 16. September 1966 einen Betrag von 8190 S und am 9. März 1967 einen weiteren Betrag von 4042
S.
Mit der gegenständlichen Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Betrages von 18.042.45 S s. A., weil sie außer den angeführten Beträgen auch die Kosten der Vertretung des Beklagten im Rechtsstreit C .../64 des Bezirksgerichts Dornbirn in der Gesamthöhe von 5810.45 S "als Haftpflichtversicherer zu bezahlen hatte". Sie brachte vor, der Beklagte habe seine Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag vorsätzlich verletzt, da er ein Schuldanerkenntnis abgegeben habe, obwohl er habe wissen müssen, daß ihn an dem gegenständlichen Unfall kein Verschulden treffe, ferner im Schadensbericht unrichtig angegeben habe, am Unfall allein schuldtragend zu sein. Infolge dieser vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung sei die Klägerin gegenüber dem Beklagten zufolge des § 7 V AKB. leistungsfrei.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil nach dem Ergebnis des zwischen ihm und Alois Z. geführten Rechtsstreites beide Kraftfahrzeuglenker den Unfall verschuldet hätten, er infolge seines Anerkenntnisses gar keinen Prozeß mit Alois Z. habe führen und diesem gegenüber einen angemessenen Betrag habe anerkennen wollen, die Klägerin ihm aber ein derartiges Anerkenntnis untersagt habe, ferner die Klägerin durch ihren Vertreter Alfred G. erklärt habe, daß sie die ganze Gefahr der Prozeßführung trage. Sämtliche nunmehr begehrten Prozeßkosten seien daher ausschließlich infolge des von der Klägerin gewünschten Rechtsstreites entstanden, außerdem wäre die Klägerin bei Richtigkeit der von ihr behaupteten Schuldlosigkeit des Beklagten "leistungsfrei" - gemeint auch gegenüber dem Geschädigten leistungsfrei - gewesen.
Die Klägerin erklärte hiezu, daß die Führung des Vorprozesses zur Vermeidung von späteren Einwendungen des Beklagten und zur teilweise erfolgreichen Abwehr der unberechtigten Ansprüche des Alois Z. notwendig gewesen sei.
Das Erstgericht sprach der Klägerin einen Betrag von 6351.75 S, d.
s. drei Viertel des im Vorprozeß festgestellten Schadens, zu und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte fest, daß nach der tatsächlichen Sach- und Rechtslage der Beklagte nur zu einem Viertel, Alois Z. hingegen zu drei Viertel am Unfall schuldtragend gewesen sei, und vertrat die Ansicht, daß die erfolgte Anerkennung des Alleinverschuldens durch den Beklagten eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung darstelle, die Klägerin daher zufolge § 7 AKB. in Ansehung von drei Viertel des Schadens, den sie ohne Obliegenheitsverletzung nicht hätte bestreiten müssen, gegenüber dem Beklagten leistungsfrei sei, nicht aber in Ansehung des restlichen Schadensviertels. Zu den geltend gemachten Prozeßkosten führte das Erstgericht aus, daß sich die Klägerin angesichts des ihr bekanntgegebenen Schuldanerkenntnisses in den Rechtsstreit C .../64 des Bezirksgerichts Dornbirn nicht hätte einlassen dürfen und daher gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten dieses Prozesses besitze.
Der Beklagte ließ den stattgebenden Teil dieses Urteils unangefochten, die Klägerin bekämpfte dessen abweisenden Teil mit Berufung. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und sprach ihr auch den restlichen Viertelanteil des im Vorprozeß festgestellten Schadens, außerdem die dem Vertreter des Alois Z. bezahlten Kosten in Höhe von 2513.49 S s. A. zu. Lediglich in Ansehung der auf der Beklagtenseite erwachsenen Prozeßkosten bestätigte das Berufungsgericht die Klagsabweisung des Erstgerichts. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, daß hier eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Beklagten vorliege und die Klägerin daher ihm gegenüber zur Gänze leistungsfrei sei, ferner die Klägerin bei Führung des Vorprozesses keine der dem Beklagten gegenüber obliegenden Pflichten verletzt habe und daher gemäß §§ 150, 158c und 158f VersVG. die an Alois Z. bezahlten Kosten vom Beklagten ersetzt verlangen könne.
Infolge Revision der beklagten Partei bestätigte der Oberste Gerichtshof das angefochtene Urteil, das im Zuspruch eines Betrages von 6351.75 S samt 4% Zinsen seit 17. September 1966 sowie in der Abweisung des Mehrbetrages von 5810.45 S s. A. als nicht in Beschwerde gezogen unberührt blieb, in Ansehung des Zuspruches weiterer 3366.76 S samt 4% Zinsen aus 1838.25 S seit 17. September 1966 und aus 1528.51 S seit 10. März 1967 als Teilurteil, hob jedoch hinsichtlich des weiteren Teilbetrages von 2513.49 S samt 4% Zinsen seit 10. März 1967 sowohl das (stattgebende) Urteil zweiter Instanz einschließlich der Kostenentscheidung als auch das (abweisende) Urteil erster Instanz einschließlich der Kostenentscheidung auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist teilweise gerechtfertigt.
I. Zur Bekämpfung des Zuspruches des restlichen Schadensbetrages:
Diesbezüglich war zunächst zu prüfen, ob die Obliegenheitsverletzung des Beklagten auf grober Fahrlässigkeit oder auf Vorsatz beruht. Im Hinblick auf die Formulierung des § 6 (3) VersVG. und § 7 V AKB. trifft bei Feststellung einer objektiven Obliegenheitsverletzung wie im vorliegenden Fall den belangten Versicherungsnehmer die Beweislast dafür, daß er nicht vorsätzlich bzw. grob fahrlässig gehandelt habe (ebenso Prölß, VersVG.[17] zu § 6 Anm. 14, VersR. 1965 S. 170, JBl. 1968 S. 572 u. a.). Hier brachte der Beklagte selbst vor, nach der tatsächlichen Sachlage am gegenständlichen Unfall (nach seiner Meinung zur Hälfte) mitschuldig gewesen zu sein. Wenn er in Kenntnis dieser Sachlage sein Alleinverschulden anerkannte, so ist bereits aus seinem Prozeßvorbringen ersichtlich, daß er eine größere als die nach seiner Auffassung der Sachlage entsprechende Verschuldensquote anerkannte. Falls sich der Anerkennende bewußt ist, daß sein Anerkenntnis durch den von ihm erkannten Sachverhalt nicht gedeckt ist, muß eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung angenommen werden, wobei es gleichgültig ist, ob er in Kenntnis seiner Unschuld ein Teilverschulden oder ein Alleinverschulden oder in Kenntnis eines bloßen Teilverschuldens sein Alleinverschulden anerkennt. Ein geringerer Verschuldensgrad käme nur in Betracht, wenn das zufolge § 7 II (1) AKB. stets als objektive Obliegenheitsverletzung zu beurteilende Anerkenntnis in der Meinung abgegeben wird, daß es der Sachlage entspricht (siehe die Beispiele bei Stiefel - Wussow, AKB.[6] S. 252).
Bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung ist der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer zufolge § 7 V AKB. zur Gänze leistungsfrei, er ist jedoch gemäß § 158e (2) VersVG. nach Maßgabe seiner dem wahren Sachverhalt entsprechenden Haftpflicht dem Geschädigten gegenüber zur Leistung verpflichtet und demzufolge nach § 158c und f VersVG. auch berechtigt, bei Befriedigung des Geschädigten vom Versicherungsnehmer Ersatz zu fordern. Der Einwand des Beklagten, die Klägerin habe an Alois Z. Zahlungen geleistet, ohne hiezu verpflichtet zu sein, die gegenständliche Klage werde ausschließlich auf den Rechtsgrund der Erfüllung einer Leistungsverpflichtung gestützt, ist nach den vorstehenden Ausführungen in Ansehung der im Revisionsverfahren noch zu erörternden Schadensquote von einem Viertel des Gesamtschadens nicht stichhältig, weil in Ansehung dieser Schadensquote eine gesetzliche Verpflichtung der Klägerin dem Geschädigten gegenüber vorlag; hinsichtlich der weiteren, durch § 158e (2) VersVG. nicht erfaßten Quote von drei Vierteln des Schadens verhindert die Rechtskraft der diesbezüglichen Entscheidung des Erstgerichtes eine Erörterung dieser Frage, wobei es belanglos ist, aus welchem Motiv der Zuspruch dieser Schadensquote unbekämpft blieb.
In Ansehung der restlichen Schadensquote ist somit die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht einwandfrei, die Revisionsausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens beziehen sich lediglich auf den Zuspruch der Kosten des Vorprozesses.
Das angefochtene Urteil war daher im Zuspruch der restlichen Schadensquote zu bestätigen.
II. Zur Bekämpfung des Zuspruches der Kosten des Vorprozesses:
Mit der Behauptung, die gegenständliche Klage sei ausschließlich darauf gestützt, daß die Klägerin als Haftpflichtversicherer zur Bezahlung aller dem Alois Z. im Rechtsstreit C .../64 des Bezirksgerichtes Dornbirn zuerkannten Beträge verpflichtet gewesen sei, eine derartige Verpflichtung habe jedoch nicht bzw. nur hinsichtlich eines Teilbetrages bestanden, macht der Revisionswerber dem Berufungsgericht inhaltlich einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO. zum Vorwurf (Fasching III S. 647 u. a.). Tatsächlich war die Klägerin hier zufolge § 158e (2) VersVG. gegenüber Alois Z. nur zu einer der wahren Sach- und Rechtslage entsprechenden Leistung verpflichtet (Prölß, VersVG.[17] zu § 158e, Anm. 3. EvBl. 1967 Nr. 24 u. a.), sie hätte daher angesichts des unter 50% liegenden Mitverschuldens des Beklagten nach der erwähnten Gesetzesbestimmung auch keine Prozeßkosten zahlen müssen.
Die wiedergegebene Formulierung der Klagserzählung, die Klägerin "hatte ..." zu bezahlen, läßt zwar primär auf eine Heranziehung der Bestimmungen des § 158f VersVG. schließen, doch wurde diese Bestimmung nicht ausdrücklich angeführt. Außerdem ist in der erwähnten Formulierung auch die Behauptung eingeschlossen, tatsächlich bezahlt zu haben (und zwar in der Meinung, dazu verpflichtet zu sein), sodaß nicht gesagt werden kann, daß sich die Klägerin ausdrücklich auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt und die Erörterung ihres Klagebegehrens aus jedem anderen möglichen Rechtsgrund ausgeschlossen hätte. Nur bei einer derartigen Beschränkung wäre lediglich der geltend gemachte Rechtsgrund zu erörtern (SZ. XXXVII 177, RiZ. 1967 S. 36 u. a.), hier jedoch kann der Klage nicht entnommen werden, daß sich die Klägerin auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränken und jede andere rechtliche Qualifikation ausschließen wollte.
Hier hat die Klägerin u. a. jenen Kostenbetrag bezahlt, der dem Beklagten durch Exekutionstitel zur Zahlung auferlegt war. Da, wie oben dargetan, diese Schuld des Beklagten ohne eigene Verbindlichkeit der Klägerin bezahlt wurde, kommt die Bestimmung des § 158f VersVG. hier nicht zur Anwendung (Prölß, VersVG.[17] zu § 158f, Anm. 3, VersR. 1966 S. 502 u. a.). Wohl aber kommt bei Zahlung einer fremden Schuld in der irrigen Annahme, dazu verpflichtet zu sein, ein Zuspruch aus dem Rechtsgrund der condicio indebiti in Betracht (SZ. XXVIII 221, EvBl. 1956 Nr. 248 u. a.). Der Beklagte wendete jedoch gegen den Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Prozeßkosten im Rechtsstreit C .../64 des Bezirksgerichtes Dornbirn bereits in erster Instanz inhaltlich ein, daß die Klägerin durch ihren befugten Vertreter (Schadensreferent) Alfred G. das Kostenrisiko in diesem Rechtsstreit übernommen habe und der Beklagte daher zur Bezahlung dieser Kosten nicht verpflichtet sei. Bei Richtigkeit dieses Vorbringens wäre der Beklagte zur Refundierung des Betrages von 2513.49 S s. A. nicht verpflichtet.
Außerdem brachte der Beklagte vor, er sei zur Anerkennung des Anspruches Alois Z. dem Gründe nach und eines angemessenen Betrages der Höhe nach bereit gewesen, doch sei ihm von der Klägerin ein derartiges Anerkenntnis untersagt worden (hiefür wurden allerdings nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls keine Beweise angeboten). Bei Richtigkeit auch nur dieser Behauptung hätte der Beklagte der Klägerin nur jene Kosten zu ersetzen, welche im Rechtsstreit C .../64 des Bezirksgerichtes Dornbirn bei Abgabe des von ihm beabsichtigten Anerkenntnisses an Alois Z. zu zahlen gewesen wären.
In Ansehung des Betrages von 2513.49 S s. A. ist daher die Rechtssache noch nicht spruchreif, weil zu den angeführten Prozeßbehauptungen des Beklagten keinerlei tatsächliche Feststellungen getroffen wurden. In diesem Umfang war daher das angefochtene Urteil und, da es offenbar einer Verhandlung erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, gemäß § 510 (1) ZPO. auch das Urteil des Gerichtes erster Instanz aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
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