OGH 5Ob11/69

OGH5Ob11/695.3.1969

SZ 42/35

Normen

ABGB §1125
ABGB §1125

 

Spruch:

Eine Privatgasleitung gehört zur "Unterfläche" der Liegenschaft.

Entscheidung vom 5. März 1969, 5 Ob 11/69.

I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Mit Kaufvertrag vom 19. Mai 1963 erwarb der Kläger von der Republik Österreich die Grundstücke Nr. 2611/1 Garten im Ausmaß von 790 m2 und Nr. 2611/2 Baufläche im Ausmaß von 148 m2, beide inliegend in der EZ. 758, KG. O., um 10.880 S. Diese beiden Grundstücke wurden von der bisherigen Einlage abgeschrieben, und es wurde für sie die neue Einlage Zi. 1297, KG. O., eröffnet. Als der Kläger im Herbst 1967 auf seinem Grundstück eine Grube für ein Schwimmbecken ausheben ließ, stieß er auf eine private Gasleitung, die das Areal der Beklagten mit Gas versorgt.

Das Erstgericht stellte entsprechend dem Klagebegehren fest, daß der Beklagten an dieser durch das Grundstück des Klägers führenden und in dessen Alleineigentum stehenden Gasleitung keine wie immer gearteten Nutzungsrechte zustehen. Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Die Gasleitung wurde im Jahre 1917 verlegt und, soweit dies aus den Unterlagen des Gaswerkes feststellbar ist, im Jahre 1924 erstmals kommissioniert.

Gemäß Art. 3 der Konzession betreffend den Bau einer radiotelegrafischen Anlage in Wien vom 18. September 1922 räumte die Republik Österreich der Beklagten das Recht ein, die vormals zur Radiostation L. gehörigen, ärarischen Grundstücke während der Dauer der Konzession zum Bau und Betrieb ihrer Anlage zu benützen.

Die strittige Gasleitung ist in keiner Form ins Grundbuch eingetragen. Auch die Baubehörde hatte keine Kenntnis davon, im ältesten, aus dem Jahre 1931 stammenden Grundstückplan der Bundesgebäudeverwaltung ist sie gleichfalls nicht eingezeichnet. Die Bundesgebäudeverwaltung erfuhr von ihrer Existenz erst durch den vorliegenden Rechtsstreit. Ihr Sachbearbeiter, der Zeuge Franz E., sicherte daher dem Kläger anläßlich der Veräußerung der Grundstücke deren volle Lastenfreiheit zu.

Demgemäß bestimmt § 1 des Kaufvertrages, daß dem Kläger das Eigentum mit allen Rechten übertragen werde, die die Verkäuferin besitzt und auszuüben berechtigt ist, daß aber die Verkäuferin keine Gewähr für die Richtigkeit des angegebenen Ausmaßes und für eine bestimmte physische Beschaffenheit der Liegenschaft übernimmt. § 4 des Kaufvertrages lautet:

"Die Verkäuferin übernimmt die Haftung, daß das Kaufobjekt frei von allen bücherlichen und außerbücherlichen Lasten in das Eigentum der Käuferseite übergeht, ausgenommen die bezughabenden Ersichtlichmachungen im Grundbuch, weshalb die Käuferseite hiemit bestätigt, daß sie Kenntnis von den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen des Kaufobjektes sowie des derzeitigen Grundbuchstandes hat und dieses ausdrücklich anerkennt."

Der Kläger selbst erlangte erstmals durch die Grabung im Herbst 1967 Kenntnis von der Gasleitung. Er verlangte zu 5 C .../67 des Bezirksgerichtes Favoriten von der Beklagten deren Entfernung; die Beklagte bestritt dort ihre Passivlegitimation mit der Begründung, die Gasleitung stehe im Eigentum der Republik Österreich, eine Demontage könne daher bestenfalls von dieser verlangt werden.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht wie folgt:

Der Kläger habe mit dem Eigentum an den Grundstücken gemäß § 297 ABGB. auch Eigentum an dem durch seine Grundstücke laufenden Teil der Privatgasleitung erworben. Dennoch stehe ihm ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung zu, weil er vor Entfernung dieses Teiles die Rechtslage geklärt wissen müsse.

Der Kläger habe schon deswegen die Nutzungsberechtigung der Beklagten im Kaufvertrag nicht übernommen, weil die Vertragsparteien bei dessen Abschluß davon keine Kenntnis hatten. Er habe auf die Zusicherung der Lastenfreiheit seitens der Verkäuferin vertrauen dürfen. Der Ausschluß einer Haftung der Verkäuferin "für eine bestimmte physische Beschaffenheit" laut § 1 des Kaufvertrages bedeute nicht, daß der Kläger irgendwelche Rechte dritter Personen an den Grundstücken anerkannt habe. Laut § 4 müsse der Kläger nur jene Belastungen gegen sich gelten lassen, die im Zeitpunkt des Verkaufes der Liegenschaft im Grundbuch eingetragen waren. Selbst wenn die Beklagte ein Nutzungsrecht an der Privatgasleitung gegenüber der Republik Österreich ersessen hätte, sei diese Verpflichtung gemäß § 443 ABGB. nicht auf den Kläger übergegangen, da er hievon keine Kenntnis hatte.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstrichters, übernahm die darauf gegrundeten Feststellungen und pflichtete auch der rechtlichen Beurteilung im wesentlichen bei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung wird in der Revision nicht mehr bestritten. Es ergibt aber auch die amtswegige Prüfung, daß es von den Vorinstanzen im Hinblick auf die unklare, eine Bereinigung fordernde Rechtslage mit Recht bejaht wurde.

In der Sache selbst ist davon auszugehen, daß dem Kläger gemäß § 1 des Kaufvertrages das Eigentum an dem Grundstück mit allen Rechten übertragen wurde, die die Verkäuferin besaß und auszuüben berechtigt war, und daß dies frei von allen bücherlichen und außerbücherlichen Lasten geschah. Das Eigentum an einem Grundstück umfaßt mangels anderer Vereinbarung oder gesetzlicher Einschränkung sowohl dessen Ober- als auch dessen Unterfläche (§ 1125 ABGB.) und ist insbesondere nach unten nicht begrenzt (EvBl. 1964 Nr. 260). Nur soweit besondere Vorschriften vorliegen oder besondere Vereinbarungen getroffen wurden, können ausnahmsweise Teile des Untergrundes selbständige Sachen sein (Ehrenzweig[2] 1/2 S. 38). Sonst aber gehört alles, was "erd-, mauer-, niet- und nagelfest" ist (§ 297 ABGB.), somit auch alle Teile der Unterfläche, zur unbeweglichen Sache (Klang[2] II 11. Gschnitzer, Sachenrecht S. 58).

Die Autoren, auf die sich die Revision beruft (Unger, System[3] I S. 459, Kirchstetter, Kommentar S. 163), sprechen durchaus nicht gegen diese Rechtsansicht, sondern treten nur für eine einschränkende Auslegung der von ihnen als zu weit gefaßt angesehenen Bestimmung des § 297 ABGB. ein.

Es bedarf aber auch keiner Erörterung der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage, ob die in den Erdboden verlegte Gasleitung als selbständiger oder unselbständiger Bestandteil zu qualifizieren ist; vielmehr ist sie mangels besonderer Vereinbarung ein Teil der Unterfläche, des Untergrundes, und damit des Gründeigentums und ist als solcher mit dem Eigentum an der Liegenschaft auf den Kläger übergegangen, soweit sie durch das von ihm erworbene Grundstück verläuft.

Ob und in welcher Form der Beklagten gegenüber der Republik Österreich ein Recht zustand, durch die der letzteren gehörige Leitung von den Wiener Gaswerken Gas zu beziehen, braucht nicht untersucht zu werden, weil eine derartige Duldungspflicht, falls sie bestanden haben sollte, dem Kläger nicht überbunden wurde und auch aus keinem anderen Rechtsmittel auf ihn übergegangen ist.

Zu Unrecht verweist die Revision auf die unter Punkt 9 zu § 481 ABGB. (MGA.[28]) zitierten Entscheidungen (SZ. IX 137, XXXIV 128 und XXXVI 92). Nach diesen kann bei Übertragung von zwei demselben Eigentümer gehörigen Grundstücken, deren eines offenkundig dem anderen dient, an zwei verschiedene Personen ohne Eintragung eine Dienstbarkeit entstehen. Abgesehen davon, daß die Beklagte nach ihrem eigenen Revisionsvorbringen nicht Eigentümerin des "herrschenden" Grundstückes ist, kann von einer Offenkundigkeit der angeblichen Dienstbarkeit hier schon deshalb nicht gesprochen werden, weil das Vorhandensein der Gasleitung sämtlichen Beteiligten unbekannt war.

Unstichhältig ist schließlich der Hinweis der Revisionswerberin darauf, daß sie gegenüber der Republik Österreich durch mehr als dreißigjährige Ersitzung der Rohrleitung gemäß § 460 ABGB. ein dingliches Recht ersessen hat. Eine solche Ersitzung könnte gegenüber dem Kläger, der gutgläubig im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher erworben hat, nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.

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