Spruch:
Wenn ein Angestellter, der die Voraussetzungen für den Erwerb seines Urlaubsanspruches erfüllt hat, während der Dauer des Dienstverhältnisses stirbt, können seine Erben den Anspruch auf Urlaubsentschädigung geltend machen.
Entscheidung vom 4. März 1969, 4 Ob 6/69.
I. Instanz: Arbeitsgericht Voitsberg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Franz T. war vom 1. Jänner 1939 bis zu seinem am 7. August 1967 erfolgten Tod Angestellter der Beklagten, zuletzt als Direktorstellvertreter mit einem Monatsbezug von 10.291 S. Im Zeitpunkt seines Todes befand er sich nicht im Krankenstand. Aus seinen beiden letzten Dienstjahren stand ihm noch ein Urlaubsanspruch von 46 Arbeitstagen zu. Der Verbrauch dieses Resturlaubs sollte vereinbarungsgemäß nach der für den 15. August 1967 erwarteten Rückkehr des Direktors R. vom Urlaub bis zum Jahresende erfolgen. Mit 31. Dezember 1967 sollte die Pensionierung T.s erfolgen. Der Verbrauch des genannten Resturlaubs von 46 Arbeitstagen ist nur durch den am 7. August 1967 erfolgten Tod T.s unterblieben.
Die Klägerinnen, und zwar die Witwe (Erstklägerin) und Tochter (Zweitklägerin) T.s, denen die Verlassenschaft eingeantwortet wurde, begehren die Bezahlung eines Betrages von 22.834.40 S brutto s. A. als Urlaubsentschädigung mit der Begründung, Franz T. habe infolge seines Todes den ihm zustehenden Urlaub nicht mehr verbrauchen können, weshalb sich sein Urlaubsanspruch in einen solchen auf eine in Geld bestehende Urlaubsentschädigung umgewandelt habe.
Das Erstgericht wies das Begehren ab. Es ging von der Rechtsauffassung aus, daß zwar am Unterbleiben des Verbrauchs des Urlaubs weder den Dienstgeber noch den Dienstnehmer ein Verschulden getroffen habe, daß aber nicht nur der Naturalanspruch auf Urlaubsgewährung, sondern auch der Anspruch auf Urlaubsentschädigung in Geld ein höchstpersönlicher Anspruch des Dienstnehmers sei, der im Sinne des § 531 ABGB. nicht auf die Erben übergehen könne.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne der Stattgebung des Begehrens ab. Einer der im § 17b AngG. aufgezählten Fälle, in denen der Angestellte seinen Anspruch auf Urlaub verliere, liege nicht vor, weshalb sich dieser Anspruch infolge Unmöglichkeit der Erfüllung in einen Geldanspruch auf Urlaubsentschädigung verwandelt habe. Dieser könne aber auch von den Erben gefordert werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Frage, ob nach dem Angestelltengesetz im Fall einer unverschuldeten Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs eine Urlaubsentschädigung in Geld zu gewähren ist, wurde in früheren Jahren nicht einhellig beantwortet. Die nunmehrige ständige Rechtsprechung (Arb. Slg. 8080, JBl. 1969 S. 100) vertritt den Standpunkt, daß sich der Anspruch des Angestellten auf Urlaubsgewährung in natura bei Unmöglichwerden seiner Erfüllung, sofern diesen daran kein Verschulden trifft, in einen Geldanspruch auf Urlaubsentschädigung umwandelt. Dies ergibt sich einerseits auf Grund der Bestimmungen der §§ 17 ff. AngG., insbesondere aus § 17
(1) AngG., wonach dem Angestellten in jedem Dienstjahr ein Urlaub gebührt, und aus § 17b AngG., der jene Fälle aufzählt, in welchen der Angestellte seinen Urlaubsanspruch verliert, andererseits aber auch aus dem im § 1447 ABGB. verankerten Grundsatz der sogenannten Vorteilsausgleichung, nach dieser Gesetzesstelle hebt das Unmöglichwerden der Erfüllung einer Verbindlichkeit alle Verpflichtungen, selbst die, den Wert derselben zu vergüten, zwar auf, jedoch muß der Schuldner in jedem Fall das, was er, um die Verbindlichkeit in Erfüllung zu bringen, erhalten hat, zwar gleich einem redlichen Besitzer, jedoch auf solche Art zurückstellen oder vergüten, daß er aus dem Schaden des anderen keinen Gewinn zieht. Demnach muß der Dienstgeber dasjenige, was er durch den rechtlichen Untergang seiner Naturalverpflichtung zur Urlaubsgewährung erspart hat, nämlich die Bezahlung des Entgelts für die Freizeit seines Dienstnehmers während des Bestandes des aktiven Dienstverhältnisses, herausgeben (Arb. Slg. 8080 und die Anmerkung Bydlinskis dazu in JBl. 1966S. 158).
Die Beklagte bekämpft auch nicht diese in den angegebenen Entscheidungen zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken, behauptet aber, diese seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der dem Franz T. zustehende Anspruch auf Urlaubsgewährung bis zu seinem Lebensende in einen Geldanspruch umgewandelt wurde. Für eine solche Umwandlung habe schon rein zeitlich keine Möglichkeit bestanden; der Geldanspruch könne daher auch nicht auf die Erben übergegangen sein.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Geht man davon aus, daß im Fall des zufälligen Unmöglichwerdens der Urlaubsverbindlichkeit der Dienstgeber nach dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung dasjenige herauszugeben hat, was er durch den rechtlichen Untergang seiner Naturalverbindlichkeit erspart hat, so steht dieser Verpflichtung des Dienstgebers nicht mehr ein höchstpersönlicher Anspruch seines Dienstnehmers, sondern ein mit der Auflösung des Dienstverhältnisses existent gewordener Anspruch auf Vorteilsausgleichung in Form der Urlaubsvergütung gegenüber, den auch die Erben geltend machen könne, da es sich um einen Geldanspruch handelt. Daß Franz T. im Zeitpunkt seines Todes die Voraussetzungen für den Erwerb seines Urlaubsanspruchs erfüllt hatte, wird nicht bestritten. Damit aber ist sein durch die Auflösung seines Dienstverhältnisses bedingter Anspruch auf Gewährung der Urlaubsentschädigung in Geld im Wege der Vorteilsausgleichung zu einem unbedingten geworden. Die damit verbundenen Rechte konnten daher auch vererbt werden.
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