Normen
Außerstreitgesetz §126
Außerstreitgesetz §126
Spruch:
Wenn der Erblasser für mehrere ohne Bestimmung der Teile berufene Erben denselben Nach-(Ersatz-)erben bestimmt, gehen die Anwachsungsberechtigten dem Nach-(Ersatz-)erben vor.
Entscheidung vom 5. Februar 1969, 6 Ob 20/69.
I. Instanz: Bezirksgericht Kitzbühel; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck
Text
Der am 11. April 1968 verstorbene Ing. Walter G. hinterließ ein Testament vom 5. Februar 1967, in welchem es u. a. heißt: "Als meine Erben setze ich meinen Neffen Lutz G. und seine Schwester Anna G. ein. Wegen der Verwüstung meines Elternhauses (Verschwendungssucht) möchte ich gegebenenfalls die Stellung beider unter Kuratel in Erwägung gezogen wissen und später als Nacherbin die Stadtgemeinde K. in ihre Rechte treten."
Die im Testament genannte erblasserische Nichte Anna G. ist am 4. November 1967 vorverstorben. In der Tagsatzung vor dem Gerichtskommissär vom 5. September 1968 gab der erblasserische Neffe Ludwig (Lutz) G. die Erklärung ab, der Erblasser sei im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung nicht testierfähig gewesen und überdies enthalte die letztwillige Verfügung keine verbindliche Substitutionsanordnung. Gemäß diesem Standpunkt gab er zum ganzen Nachlaß auf Grund des Gesetzes die bedingte Erbserklärung ab. Die Stadtgemeinde K. gab bei der nämlichen Tagsatzung folgende Erklärung ab: "Die Stadtgemeinde K. gibt auf Grund der erblasserischen letztwilligen Verfügung vom 5. Februar 1967 zum ganzen Nachlaß die bedingte Erbserklärung für den in diesem Testament festgelegten Nacherbfall ab und stellt weiters den Antrag, diese Erbserklärung bei Gericht anzunehmen".
Das Erstgericht nahm beide oben zitierten Erbserklärungen zu Gericht an und es teilte unter einem dem Ludwig G. zur Geltendmachung seiner Erbsansprüche die Klägerrolle zu.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Ludwig G., der sich aber nur gegen die Verteilung der Klägerrolle für den Erbrechtsstreit wendete, Folge und änderte den Beschluß dahin ab, daß es die Klägerrolle im Erbrechtsstreit der Stadtgemeinde K. zuteilte. Dabei führte das Rekursgericht aus, Lutz G. sei nach dem Inhalt des Testaments Vorerbe, die Stadtgemeinde K, aber Nacherbin. Die Nacherbschaft sei eine betagte und nicht eine bedingte, der Nacherbfall solle der Tod des Vorerben sein. Lutz G. habe nicht auf Grund des Testaments, sondern auf Grund des Gesetzes die bedingte Erbserklärung abgegeben, wozu er trotz seiner testamentarischen Erbseinsetzung berechtigt gewesen sei. Jedenfalls sei er Vorerbe entweder auf Grund des Testaments oder auf Grund des Gesetzes. Die Frage sei nur, ob ihm der Nachlaß mit oder ohne Beschränkung der fideikommissarischen Substitution einzuantworten sein werde. Wer eine solche Beschränkung des Erben behaupte, müsse sie beweisen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Stadtgemeinde K. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Beklagtenrolle im Erbrechtsstreit gehört dem Träger des stärkeren Erbrechtstitels, also demjenigen Erbanwärter, für den die größere Wahrscheinlichkeit des Erbrechts spricht. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht darum, ob dem erblasserischen Neffen Lutz G. der Nachlaß einzuantworten sein wird, weil dies gar nicht strittig ist, sondern darum, ob er durch die im Testament angeordnete fideikommissarische Substitution belastet ist oder nicht. Der allgemeine Grundsatz, daß der gesetzliche Erbe gegenüber dem Testamentserben den schwächeren Titel hat (EvBl. 1968 Nr. 408, SZ. XXXV 92 u. a.) betrifft den Fall, daß der gesetzliche Erbe und der Testamentserbe einander gegenüberstehen. Hier aber ist Lutz G. sowohl testamentarischer Vorerbe als auch gesetzlicher Erbe und er steht nur dem Anwärter auf die letztwillig verfügte Nacherbschaft gegenüber. Ob Lutz G. berechtigt war, angesichts seiner testamentarischen Berufung als Vorerbe unter Beiseitelassung dieses Berufungsgrundes die Erbserklärung auf Grund des Testamentes abzugeben (§ 808 ABGB.), ist bei Erledigung dieses Revisionsrekurses nicht zu untersuchen. Keinesfalls hat die Art seiner Erbserklärung einen Einfluß auf die Parteistellung im Erbrechtsstreit. Ihm kommt jedenfalls die Stellung des Vorerben im Streit um den Bestand oder Nichtbestand der fideikommissarischen Substitution zu. Er ist insofern der Träger des stärkeren Titels (EvBl. 1958 Nr. 371). Zutreffend hat das Rekursgericht ausgesprochen, daß die Stadtgemeinde K. jene Beschränkung des Erbrechtes des Lutz G. als Vorerben zu beweisen hat, die sich aus dem Testament des Erblassers ableitet.
Unhaltbar ist die von der Stadtgemeinde K. vertretene Auffassung, der Nacherbfall sei zum Teil infolge des Vortodes der Anna G. als Vorerbin schon eingetreten. Da Anna G. den Erblasser nicht überlebt hat, ist ihr das testamentarisch zugedachte Vorerbrecht niemals angefallen und ihr Anteil wegen gleichteiliger Bedenkung beider Geschwister dem Lutz G. angewachsen (§ 560 ABGB.). Wenn auch gemäß § 608 ABGB. die Einsetzung eines Nacherben die Bestellung zum Ersatzerben in sich schließt, so ist damit für die Stadtgemeinde K. nichts gewonnen. Denn sie wurde keineswegs für die Vorverstorbene allein eingesetzt. Da sie nur die Nacherbin beider im Testament Berufenen sein kann, diese aber untereinander ein Anwachsungsrecht haben, ist der Nach- und der Ersatzerbfall erst nach dem Tod beider Testamentserben gegeben (s. Weiss bei Klang[2] III S. 362).
Aus all dem ergibt sich, daß das Rekursgericht mit Recht der Stadtgemeinde K. die Klägerrolle für den Erbrechtsstreit um die fideikommissarische Substitution zugeteilt hat.
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