Normen
Einführungsgesetz zur ZPO ArtXLII
Einführungsgesetz zur ZPO ArtXLII
Spruch:
Rechtliche Stellung des von der Mehrheit bestellten Verwalters gegenüber der Minderheit.
Entscheidung vom 8. Jänner 1969, 5 Ob 341/68.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin ist zu 9/20 Anteilen Miteigentümerin des Hauses in Wien, D.-Straße 134. Die übrigen 11/20 Anteile gehörten ursprünglich dem im Jahre 1966 verstorbenen Franz W. Sie gingen dann auf Grund letztwilliger Verfügung an Gertrude H. über. Zufolge Bevollmächtigung durch die Mehrheitseigentümer verwaltet die Beklagte seit 1. März 1965 das Haus. Seitens der Klägerin ist sie nicht bevollmächtigt.
Die Klägerin begehrt Verurteilung der Beklagten zur Rechnungslegung über die durch ihre Tätigkeit als Verwalterin des Hauses aus Anlaß der Ausführung von Instandsetzungsarbeiten von Gewerbetreibenden oder dritten Personen als Provision oder aus welchen Namen immer habenden Titeln vereinnahmten oder von Rechnungen einbehaltenen Beträgen, Gewährung der Einsichtnahme in die Belege hierüber sowie Beeidigung der Richtigkeit der Rechnungslegung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit folgender Begründung ab:
Gemäß § 837 ABGB. sei nur der Miteigentümer, der das gemeinschaftliche Gut ohne Auftrag der übrigen Miteigentümer verwaltet, Rechnungslegung verpflichtet, nicht aber dessen Machthaber. Die Beklagte sei nur Machthaberin der Mehrheitseigentümerin und daher passiv nicht legitimiert.
Zufolge Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und verwies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Es führte hiezu folgendes aus:
An die Bestellung der Beklagten zur Hausverwalterin durch die Mehrheitseigentümer sei die Klägerin zufolge §§ 833 bis 836 ABGB. gebunden. Gemäß § 837 ABGB. sei die Beklagte Machthaberin, und zwar sämtliche Teilhaber, also auch der überstimmten Minderheit. Sie habe alle Rechte und Pflichten eines Machthabers, damit auch die Pflicht zur Rechnungslegung. Gemäß § 830 ABGB. sei jeder Teilnehmer berechtigt, auf Ablegung der Rechnung und Verteilung des Ertrages zu dringen. Nur dann, wenn einverständlich ein gemeinsamer Verwalter bestellt worden wäre, hätte er seiner Pflicht zur Rechnungslegung Genüge getan, wenn er auch nur einem Miteigentümer Rechnung gelegt hätte. Dieser Fall liege hier nicht vor, daher müsse die Beklagte auch der Klägerin als Minderheitseigentümerin Rechnung legen. Der Erstrichter, der sich bisher nur mit der Frage der passiven Klagslegitimation befaßt habe, werde daher auf die meritorische Berechtigung des Klagebegehrens einzugehen haben.
Ein Anspruch auf Beeidigung der Richtigkeit einer Rechnung ergebe sich im allgemeinen aus Art. XLII EGZPO. nicht, weil eine Rechnung weder ein Vermögen noch Schulden darstelle, sondern den vermögensmäßigen Ablauf eines Auftragsverhältnisses. Nur wenn es dem Auftraggeber gelinge, darzutun, daß Rechnungsposten vermutlich unrichtig oder unvollständig seien, könne er vom Beauftragten, der von der Verschweigung Kenntnis habe, die Leistung des Eides erlangen. Um dies beurteilen zu können, bedürfe es einer entsprechenden Ergänzung und Erörterung des Parteienvorbringens.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß die Beklagte, wenn sie auch vom Mehrheitseigentümer zur Verwalterin bestellt wurde und die Klägerin mit dieser Bestellung nicht einverstanden war, zufolge der Bestimmungen der §§ 833 ff. ABGB. auch Machthaberin der Klägerin ist und deren Anteile mitverwaltet. Sie ist berechtigt und verpflichtet, die Interessen der Minderheitseigentümerin wahrzunehmen. Wohl hat die Klägerin verschiedene Möglichkeiten, sich gegen die ihr nicht genehme Verwaltung zu wehren, insbesondere kann sie, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, die Aufhebung des Miteigentums begehren. Solange dies aber nicht geschehen ist, gilt die Bestellung der Beklagten zur Verwalterin auch für und gegen die Klägerin (Klang[2] III 1118).
Ist dies aber der Fall, dann ist die Beklagte auch verpflichtet, der Klägerin über die für sie geführte Verwaltung ihres Miteigentumsanteiles Rechnung zu legen. Dieses Recht kann ihr weder von der Mehrheitseigentümerin noch von der beklagten Verwalterin bestritten werden (Klang a.a.O., EvBl. 1952 Nr. 411, GlUNF. 4153). Der Einwand des Rekurses, der Verwalter könnte, falls er einer Disziplinarordnung untersteht, wie beispielsweise ein Anwalt, in eine Pflichtenkollision geraten, trifft zunächst hier nicht zu. Davon abgesehen kann es zu einer solchen Kollision aber schon deshalb nicht kommen, weil - wie oben dargelegt - der von der Mehrheit bestellte Verwalter eben auch als Machthaber der Minderheit gilt.
Die Beklagte bemüht sich in ihren Rekursausführungen, die Schwierigkeiten aufzuzeigen, die sich für sie daraus ergeben können, daß sie als Machthaberin der Klägerin angesehen wird, die mit ihrer Verwaltungsführung nicht einverstanden ist. Daß solche Schwierigkeiten entstehen können, soll nicht verkannt werden; dies vermag aber nicht zu rechtfertigen, der Klägerin ihre Ansprüche auf Einsichtnahme in die Tätigkeit der Verwalterin ihres Minderheitsanteiles zu nehmen. Übrigens steht es im Belieben der Beklagten, ob sie eine derartige Schwierigkeiten mit sich bringende Verwaltung übernehmen will oder nicht.
Mit Rücksicht auf die Behauptung der Beklagten, sie sei von Franz W. bzw. von Gertrude H. nur bevollmächtigt, deren Anteilsrechte, nicht aber das ganze Haus zu verwalten, wird der Erstrichter, der von seinem unrichtigen Rechtsstandpunkt aus überhaupt keine Feststellungen getroffen hat, den Umfang der Bevollmächtigung und des Auftrages der Beklagten festzustellen haben.
Unbegrundet ist der Rekurseinwand, Provisionen und andere Einnahmen sowie einbehaltene Beträge, welche der Beklagten als Verwalterin des Hauses aus Anlaß der Ausführung von Instandsetzungsarbeiten von Gewerbetreibenden oder anderen Personen zugekommen sind, seien keine verrechnungspflichtigen Beträge aus dem Hauseigentum, sondern stunden ihr für ihre Vermittlungstätigkeit zu. Die Beklagte verwechselt hier die Herausgabe- mit der Rechnungslegungspflicht. Ob sie verpflichtet ist, derartige Einnahmen herauszugeben, ist auf Grund des bisher vorliegenden Klagebegehrens nicht zu entscheiden. Derartige Einnahmen stunden aber jedenfalls mit der Hausverwaltung im Zusammenhang, so daß der Klägerin gemäß Art. XLII EGZPO. ein Anspruch auf Rechnungslegung zuerkannt werden muß.
Hinsichtlich der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen die Beeidigung einer Rechnung in Betracht kommt, kann auf die im Rekurs nicht bekämpften, zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden, die sich mit Lehre und Rechtsprechung decken (vgl. Stanzl in Klang[2] IV/1 843, Fasching, Kommentar II S. 96 JBl. 1968 S. 422, EvBl. 1967 Nr. 32 u. a.).
Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)