OGH 1Ob291/68

OGH1Ob291/6819.12.1968

SZ 41/185

Normen

ABGB §830
ABGB §830

 

Spruch:

Ein von kraß ungleichen Interessenlagen ausgehendes, in seinen Auswirkungen mit einer eklatanten vermögensrechtlichen Benachteiligung des beklagten Mitteilhabers verbundenes Teilungsbegehren ist zur Unzeit und zum Nachteil des Beklagten erhoben.

Entscheidung vom 19. Dezember 1968, 1 Ob 291/68.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begehrt mit der seit 3. Jänner 1963 anhängigen Klage die Aufhebung der zwischen den Parteien bestehenden Eigentumsgemeinschaft an der Liegenschaft EZ. 759 KG. H. (Grundstück Nr. 453/7 Garten und Nr. 453/31 Bauarea, Haus in W.).

Die beklagte Partei hat u. a. eingewendet, daß das Teilungsbegehren zur Unzeit gestellt werde.

Das im ersten Rechtsgang gefällte, dem Klagebegehren stattgebende Urteil des Erstgerichtes wurde infolge Berufung der Beklagten vom Gericht zweiter Instanz - ohne Rechtskraftvorbehalt - aufgehoben und die Streitsache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurückverwiesen.

Das Erstgericht hat auch im zweiten Rechtsgang im Sinne des Klagebegehrens erkannt und ist dabei von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen: Die Parteien seien je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ. 759, KG. H., mit den Grundstücken Nr. 453/7 Garten und Nr. 453/31 Bauarea. Der Kläger habe seinen Hälfteanteil im Jahre 1955 von der Schwester der Beklagten um den Kaufpreis von 127.000 S erworben. Er bewohne in dem Haus die aus drei Zimmern, einer Küche und Nebenräumen bestehende Mezzaninwohnung, an der seine Ehefrau im Jahre 1960 Hauptmietrechte eingeräumt erhalten habe. Der Beklagten stehe im ersten Stockwerk des Hauses eine ebenso große Wohnung zur Verfügung, doch wohne diese seit einigen Jahren im 3. Wiener Gemeindebezirk, weil sie wegen einer Erkrankung ihres mittlerweile verstorbenen Ehemannes eine ebenerdig gelegene Wohnung benötige. Die Mansardenwohnung im Hause sei vermietet, die Hausbesorgerwohnung hingegen unbenützt. Mit dem am 18. Juni bzw. am 20. Juni 1960 geschlossenen Übereinkommen sollte eine einvernehmliche Benützungsregelung getroffen, nicht aber ein immerwährendes Miteigentumsverhältnis der Parteien vereinbart werden. Zur Behebung der am Hause vorhandenen Mängel und Gebrechen sei ein Betrag von 125.000 S erforderlich. Die nach Durchführung der notwendigen Reparaturarbeiten zu erwartende Erhöhung des Verkehrswertes des Objektes sei mit 25.000 S zu veranschlagen. Der Kläger verfüge über keine Barmittel; eine Mietzinsreserve sei nicht vorhanden. Die Beklagte beziehe eine Pension in der Höhe von 1068 S monatlich und habe für die notwendigen Instandsetzungsarbeiten einen Betrag von 40.000 S bereitgestellt.

In rechtlicher Hinsicht brachte das Erstgericht zum Ausdruck, daß die Parteien weder eine Realteilung der Liegenschaft noch eine Fortsetzung der Eigentumsgemeinschaft auf eine bestimmte Zeit oder für immer (§ 831 ABGB.) vereinbart haben und daß das Teilungsbegehren auch nicht zur Unzeit erhoben worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob das angefochtene und das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Streitsache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Vorinstanzen haben richtig erkannt, daß grundsätzlich jeder Teilhaber einen Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft besitzt und dieser Anspruch nur insoweit eine Einschränkung erfährt, als er nicht zur Unzeit oder zum Nachteil der übrigen geltend gemacht werden darf (Klang in Komm[2] III 1097 f.).

Die Vorinstanzen haben festgestellt, daß sich in dem klagsgegenständlichen Haus - abgesehen von zwei kleineren Wohneinheiten - zwei große Wohnungen befinden. Nach dem Inhalt des Bestandvertrages vom 8. September 1960 wurde die eine dieser beiden Großwohnungen unter Zugrundelegung einer Friedenszinshöhe von 1300 Kronen jährlich der Ehefrau des Klägers in Bestand gegeben. Feststellungen über die Rechtsverhältnisse an der zweiten, im 1. Stockwerk gelegenen Großwohnung fehlen.

Die Beklagte hat bereits in ihrer Berufung gegen das im ersten Rechtsgang gefällte Urteil des Erstgerichtes darauf hingewiesen, daß unter den gegebenen Umständen bei einer gerichtlichen Versteigerung der Liegenschaft wohl der Kläger mit seiner Familie im Hause verbleiben könnte, sie selbst aber die ihr zur Benützung überlassene Wohnung im 1. Stockwerk, für deren Freimachung sie im Jahre 1962 gemeinsam mit ihrem Bruder eine Ablösesumme von 100.000 S aufgewendet habe, räumen und dem Erwerber des Hauses geräumt übergeben müßte.

Sollte sich die Richtigkeit dieses Tatsachenvorbringens herausstellen und hervorkommen, daß nur die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Teilhaberin der im Miteigentum stehenden Liegenschaft in der beschriebenen Weise bedroht ist, der am Versteigerungserlös partizipierende Kläger hingegen im Hinblick auf die seiner Ehefrau während des Bestandes der Eigentumsgemeinschaft der Parteien zugestandenen, besonders vorteilhaften Bestandrechte in seinem Wohnbedarf geschützt bleibt, dann wäre ein von derart ungleichen Interessenlagen ausgehendes, in seinen Auswirkungen mit einer eklatanten vermögensrechtlichen Benachteiligung der Mitteilhaberin verbundenes Teilungsbegehren zur Unzeit und zum Nachteil der Beklagten (§ 830 ABGB.) erhoben.

Der allfällige Einwand, daß es dann dem Kläger für immer verwehrt wäre, ein erfolgversprechendes Teilungsbegehren zu stellen, vermag nicht zu überzeugen, weil seine Ehefrau auf die Mietrechte verzichten könnte und es dem Kläger überdies unbenommen bleibt, einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessenlagen durch die Aufnahme geeigneter Bestimmungen in die Versteigerungsbedingungen (beispielsweise: Verpflichtung des Erstehers, die Beklagte oder eine von ihr namhaft zu machende dritte Person zu denselben Bedingungen, wie sie der Ehefrau des Klägers nach dem Mietvertrag vom 8. September 1960 zugebilligt wurden, als Hauptmieter im Hause zu belassen bzw. aufzunehmen (vgl. Klang in Komm.[2] III 1101 sowie in JBl. 1932 S. 261)) herbeizuführen und damit das bestehende Teilungshindernis zu beseitigen.

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