Spruch:
Hat der Beklagte behauptet, der Kläger sei Ausländer, und erklären beide Parteienvertreter, nicht zu wissen, welche Staatsangehörigkeit der Kläger besitze, so trifft die Beweislast für das Bestehen eines die Befreiung von der Sicherheitsleistung begrundenden Umstandes den Kläger.
Entscheidung vom 16. Dezember 1968, 2 Ob 362/68.
I. Instanz: Bezirksgericht Kitzbühel; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger begehrt vom Beklagten den Ersatz des Schadens aus einem Verkehrsunfall, den nach seinen Behauptungen der Beklagte verschuldete.
Der Beklagte bestritt nach Grund und Höhe. Mit dem Hinweis darauf, daß der Kläger Ausländer sei und im Inland hinreichendes Vermögen nicht besitze, stellte er den Antrag, dem Kläger eine Sicherheitsleistung von 12.000 S für die Prozeßkosten aufzuerlegen. Bei der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erklärten die Vertreter beider Parteien, nicht zu wissen, welche Staatsangehörigkeit der Kläger besitze.
Das Erstgericht wies den Antrag des Beklagten ab. Dieser habe nicht angeben können, welche Staatsbürgerschaft der Kläger habe. Der Name des Klägers lege die Vermutung nahe, daß er schwedischer, dänischer oder norwegischer Staatsbürger sei. Gegenüber diesen Staaten bestehe jedoch Gegenseitigkeit im Sinn des Art. 17 des Haager Prozeßübereinkommens.
Die zweite Instanz gab dem Rekurs des Beklagten Folge. Sie trug in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses dem Kläger den Erlag von 4000 S als Sicherheit für Prozeßkosten unter den im § 60 ZPO. normierten Sanktionen auf. Die Ausländereigenschaft des Klägers habe zwar der Beklagte zu beweisen. Im vorliegenden Fall habe der Kläger aber diese Eigenschaft nicht bestritten. Ihm wäre daher der Beweis oblegen, daß der Ausnahmefall, insbesondere jener der Gegenseitigkeit, vorliege, und die Abweisung des Antrages zu beantragen. Dies habe der Kläger unterlassen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs des Klägers ist unabhängig von dem Rechtskraftvorbehalt, den das Rekursgericht - offenbar in irriger Anwendung der Bestimmung des § 527 (2) ZPO. - aussprach, ohne diesen Ausspruch zu begrunden, zulässig. Die Frage, ob der Kläger eine Sicherheit nach § 56 ZPO. zu leisten habe, ist auch keine Kostenfrage (vgl. EvBl. 1967 Nr. 422), weshalb das Rechtsmittel auch nach § 528 (1) ZPO. nicht unzulässig ist. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht begrundet.
Er macht geltend, daß die Frage, ob eine Sicherheit auferlegt werden solle, den vom Beklagten zu erbringenden Beweis der Ausländereigenschaft des Klägers voraussetze. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht aus der Erklärung des Klagevertreters, nicht zu wissen, welche Staatszugehörigkeit der Kläger habe, gefolgert, daß dessen Ausländereigenschaft zugegeben worden sei. Bei Zweifeln in diesem Belang wäre der Beschluß der ersten Instanz aufzuheben und dieser eine neuerliche Prüfung aufzutragen gewesen.
Dieses Vorbringen ist nicht stichhältig.
Die Bestimmung der §§ 57 ff. ZPO. betreffend die Sicherheitsleistung für Prozeßkosten wurde inhaltlich gleich, wenn auch eingeschränkt, aus der deutschen Zivilprozeßordnung übernommen (vgl. Sperl, Lehrbuch S. 741). Es erscheint daher gerechtfertigt, zur Klärung von Zweifelsfragen auch das deutsche Schrifttum heranzuziehen. Hienach trifft den Beklagten die Beweislast für die fehlende inländische Staatszugehörigkeit des Klägers und diesen die Beweislast für die Ausnahme, z. B. für das Bestehen eines die Befreiung begrundenden Umstandes (Stein - Jonas, Komm.[17], zu § 110 DZPO. III 2).
Auf die Behauptung des Beklagten, der Kläger sei Ausländer, haben jedoch ebenso wie auf jede andere Tatsachenbehauptung die Bestimmungen der §§ 266 f. ZPO. Anwendung zu finden. Hienach macht einerseits ein ausdrückliches Zugeständnis den Beweis entbehrlich (§ 266 (1) ZPO.). Dabei ist nicht die Unterlassung der ausdrücklichen Bestreitung für die Beweisbedürftigkeit entscheidend, sondern vielmehr der Mangel eines ausdrücklichen Zugeständnisses (JBl. 1948 S. 163). Anderseits hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes des gegnerischen Vorbringens zu beurteilen, ob mangels ausdrücklichen Geständnisses des Gegners tatsächliche Behauptungen einer Partei als zugestanden anzusehen seien (§ 267 (1)
ZPO.).
Nun hat der Vertreter des Klägers lediglich erklärt, nicht zu wissen, welche Staatsangehörigkeit der Kläger habe, er hat somit die behauptete Ausländereigenschaft nicht ausdrücklich zugestanden. Wenn er sie andererseits auch nicht ausdrücklich bestritt, so findet dies seine Rechtfertigung in der Bestimmung des § 408 (1) ZPO., die mutwillige Bestreitungen unter Sanktion stellt. Gerade die Bestimmung des § 267 (1) ZPO. eröffnet aber in diesem Fall die Möglichkeit, die Erklärung des Klagevertreters als ein schlüssiges Zugeständnis der Ausländereigenschaft des Klägers zu werten. Nach Vorliegen eines derartigen Zugeständnisses wäre es aber ihm oblegen, einen der in § 57 (2) ZPO. erschöpfend angeführten Gründe darzutun, welche zur Folge haben, daß die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung nicht eintritt. Daß er dies nicht einmal versucht hat, bestreitet der Kläger selbst nicht.
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