Spruch:
Ein Verkäufer handelt nicht schon arglistig im Sinne des § 377 (5) HGB., wenn er eine Ware in Kenntnis eines Mangels verkauft hat; er muß vielmehr hiebei gegen eine Aufklärungspflicht verstoßen haben.
Entscheidung vom 11. Dezember 1968, 7 Ob 239/68.
I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung von 8574.85 hfl. als restlichen Kaufpreis für gelieferte Campingmöbel. Der Beklagte wendete ein, die Bezüge dieser Möbel seien nicht farbecht, daher mangelhaft gewesen, sodaß das Begehren auf Zahlung eines restlichen Kaufpreises nicht begrundet sei. Überdies habe der Beklagte durch die Lieferung der mangelhaften Ware einen Schaden von 73.350 S erlitten, den er als Gegenforderung geltend mache.
Der Erstrichter entschied, daß die Klagsforderung mit 8574.85 hfl. zu Recht, die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung dagegen nicht zu Recht besteht. Er erkannte daher den Beklagten schuldig, der Klägerin 8574.85 hfl. s. A. in österreichischen Schillingen zum Kurse des Zahlungstages zu bezahlen. Ein Zinsenmehrbegehren wies er ab. Er traf folgende Feststellungen:
Der Beklagte ließ sich bei der Sport- und Campingmesse 1964 in Köln Campingliegen und -sessel von der Klägerin vorführen. Es ist üblich, daß ein Interessent bei einer derartigen Vorführung u. a. auch eine einfache, aber doch verläßliche Probe der Haftfähigkeit der Farben der Überzüge macht. Im Dezember 1964 besuchte der Beklagte die Klägerin in Amsterdam und bestellte dort 14 Sessel einiger Modelle und einige Liegebetten. Der Großteil dieser bestellten Ware wurde dem Beklagten noch im Dezember 1964 geliefert. Am 13. Jänner 1965 bestellte der Beklagte bei der Klägerin 1200 Liegebetten, Klappsessel und Sessel. Ware und Faktura wurden dem Beklagten im März 1965 zugestellt. Anfangs Juni zahlte der Beklagte einen Teilbetrag der Faktura, suchte hinsichtlich des Restbetrages um Stundung bis Ende Juni 1965 an. Die Klägerin erklärte sich mit dieser Stundung einverstanden.
Mit Schreiben vom 5. Juli 1965 gab der Beklagte der Klägerin bekannt, daß die Liegebetten abfärben, weshalb Reklamationen beim Beklagten eingegangen seien. Er erklärte, die Ware der Klägerin zur Verfügung zu stellen, sofern diese nicht neue, indanthrengefärbte Überzüge kostenlos nachliefere. Die Klägerin lehnte dieses Ansinnen unter Hinweis darauf ab, daß von indanthrengefärbten Überzügen nie die Rede gewesen sei; sie habe auch nicht zugesichert, daß die Bezüge der Campingmöbel farbecht oder wasserbeständig seien.
Nach den Feststellungen des Erstrichters entsprach die von der Klägerin gelieferte Ware den Mustern. Es ist Handelsbrauch, daß ein Käufer auch die Muster prüft und daß ein Großhändler vor dem Weiterverkauf der Ware sich von deren Qualität überzeugt. Eine Beanstandung, daß die Ware nicht den Mustern entspricht, hat nach einschlägigem Handelsbrauch binnen acht bis vierzehn Tagen nach Einlangen der Lieferung beim Käufer zu erfolgen. Die Prüfung von Geweben auf ihre Farbechtheit kann durch einfache Druck- oder Reibproben erfolgen. Bei der Bestellung wurde nicht davon gesprochen, ob die Bezüge der Campingmöbel farbecht sind.
Rechtlich vertrat der Erstrichter den Standpunkt, daß die Mängelrüge des Beklagten verspätet, dieser daher verpflichtet sei, den restlichen Kaufpreis zu bezahlen.
Die vom Beklagten gegen dieses Urteil erhobene Berufung hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht führte zutreffend und unbekämpft aus, daß die Bestimmungen des österreichischen Rechtes auf den gegenständlichen Handelskauf zur Anwendung gelangen, da der Vertragsabschluß durch Korrespondenz erfolgte, in diesem Fall als Ort des Vertragsabschlusses der Wohnort oder die geschäftliche Niederlassung des Offerenten, sohin Wohnort bzw. Sitz des Beklagten bestimmend sei.
Der Beklagte wäre verpflichtet gewesen, die Ware unverzüglich zu untersuchen. Eine derartige Überprüfung hätte keine besonderen Fachkenntnisse erfordert, sie hätte ergeben, ob die Farbe von den Bezügen abgeht. Es treffe auch die Prozeßbehauptung des Beklagten nicht zu, die Klägerin habe den Mangel arglistig verschwiegen. Arglistiges Verschweigen setze die Verletzung einer Aufklärungsfrist voraus. Hiezu habe der Erstrichter unbedenklich festgestellt, daß nur dann eine besondere Erklärung über die Farbbeständigkeit der Bezüge erforderlich sei, wenn diese als indanthrengefärbt verkauft werden und daß die Farbbeständigkeit üblicherweise bei der Besichtigung der Ware vom Käufer überprüft werde. Da der Beklagte eine Lieferung bereits erhalten habe, konnte die Klägerin davon ausgehen, daß er von der ihm gebotenen Prüfungsmöglichkeit Gebrauch gemacht habe und daher über das Ausmaß der Farbbeständigkeit informiert sei. Für die Klägerin habe daher keine Aufklärungspflicht bestanden.
Da der Beklagte die Mängelrüge erst nach mehr als drei Monaten ab Erhalt der Lieferung, sohin verspätet, erhoben habe, könne er aus den von ihm behaupteten Mängeln weder einen Minderungs- noch einen Schadenersatzanspruch ableiten. Er sei vielmehr zur Bezahlung des Restkaufpreises verpflichtet.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob die Urteile der Untergerichte in ihrem der Klage stattgebenden Teil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Berufungsgericht führt zwar zutreffend aus, daß ein Verkäufer nicht schon dann arglistig im Sinne des § 377 (5) HGB. handelt, wenn er eine Ware in Kenntnis eines Mangels verkauft hat; er muß vielmehr hiebei gegen eine Aufklärungsfrist verstoßen haben. Es ist daher auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob und in welchem Umfang der Verkäufer nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf bestehende Handelsbräuche verpflichtet ist, den Käufer über Mängel der Ware aufzuklären. Die Aufklärungspflicht wird namentlich bei solchen Umständen anzunehmen sein, die für den Entschluß des Käufers derart von Bedeutung sind, daß er bei ihrer Kenntnis den Vertrag möglicherweise nicht oder nicht zu den gleichen Bedingungen abgeschlossen hätte (vgl. EvBl. 1967 Nr. 239 = HS. 5352, Schlegelberger, Kommentar[4] S. 2091, Anm. 46, 47, Staub - Heinichen, Kommentar[14], IV S. 240 Anm. 148). Während im allgemeinen das Bewußtsein des Verkäufers, der Käufer hätte bei Kenntnis des Mangels den Kaufvertrag nicht oder zu anderen Bedingungen abgeschlossen, Voraussetzung für die Annahme einer Arglist ist, bedarf es dieses Bewußtseins dann nicht, wenn einer Ware Eigenschaften fehlen, die typischerweise vom Verkehr als so wesentlich angesehen werden, daß eine Aufklärung üblich ist.
Schon in seiner Klagebeantwortung hat der Beklagte behauptet, die Farbechtheit der Überzüge von Campingmöbeln sei als selbstverständliche Voraussetzung anzusehen, die Organe der Klägerin hätten dadurch arglistig gehandelt, daß sie ihn nicht über den Mangel der Farbechtheit dieser Bezüge aufgeklärt hätten. Damit hat der Beklagte die Behauptung aufgestellt, die Klägerin wäre nach Treu und Glauben und mit Rücksicht
uf bestehende Handelsbräuche verpflichtet gewesen, ihn bei Besichtigung der Campingmöbel darauf aufmerksam zu machen, daß deren Bezüge leicht abfärben, daher für die Benützung zu Campingzwecken nicht anstandslos verwendbar sind.
Obwohl die Untergerichte festgestellt haben, daß im allgemeinen nur, wenn ein Stoff als indanthrengefärbt verkauft ist, erwartet wird, daß er farbecht sein muß, so ist doch zu untersuchen, ob nicht im besonderen Fall, weil man bei Campingmöbeln voraussetzen müsse, daß sie der Nässe ausgesetzt werden können, etwas anderes gelte, etwa, weil sich die Benützer mit nassem Badeanzug daraufsetzen können, wie in der Klagebeantwortung ausgeführt wird, oder weil es sich nicht vermeiden ließe, daß sie angeregnet werden.
Das Berufungsgericht meint, im besonderen Fall habe keine Aufklärungspflicht bestanden, weil die Klägerin der begrundeten Ansicht sein konnte, der Beklagte habe die ihm im Dezember 1964 übersandten Musterstücke überprüft, den Mangel der Farbbeständigkeit festgestellt und dennoch die weitere nunmehr beanstandete Lieferung bestellt. Sie habe daher weder wissen noch für möglich halten können, daß dem Beklagten dieser Mangel unbekannt sei.
Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden. Besteht nach Handelsbräuchen eine Verpflichtung des Verkäufers, den Käufer über Mängel einer Ware aufzuklären, so kann der Verkäufer eine vorsätzliche Verletzung dieser Verpflichtung nicht damit entschuldigen, er habe angenommen, der Käufer werde seiner Prüfungspflicht nachkommen. Der Käufer könnte dem mit Recht entgegenhalten, er habe nicht annehmen können, daß der Verkäufer das Fehlen der nach dem Handelsbrauch selbstverständlichen Eigenschaften ihm nicht angezeigt habe, er habe aus diesem Gründe eine Überprüfung in Richtung der als selbstverständlich vorausgesetzten Eigenschaften unterlassen.
Es kann daher auch der Entscheidung JBl. 1952 S. 568 f. nicht gefolgt werden, daß bei einem offenen Mangel Arglist kaum vorkommen könne. Bei einem nicht erkennbaren Mangel besteht keine Rügepflicht, so daß es § 377 (5) HGB. gar nicht bedürfte. Vielmehr setzt diese Bestimmung geradezu voraus, daß der Käufer die ihm nach § 377 HGB. obliegenden Vorsichten vernachlässigt hat. Das Gesetz entscheidet zu Gunsten des nachlässigen Käufers, wenn der Verkäufer arglistig handelt.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen leiden daher an einem unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wahrzunehmenden Feststellungsmangel.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, den Beklagten über die mangelnde Farbbeständigkeit der Bezüge der Campingmöbel aufzuklären, wird daher auf Grund eines Sachverständigengutachtens festzustellen sein, ob die Farbbeständigkeit der Bezüge eine typische Voraussetzung für Campingmöbel der von der Klägerin dem Beklagten gelieferten Art ist, ob daher der Verkäufer nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf das Bestehen von Handelsbräuchen verpflichtet ist, den Käufer über den Mangel der Farbbeständigkeit der Bezüge aufzuklären. Diese Feststellungsmängel machen eine Aufhebung der Entscheidung beider Vorinstanzen und eine Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht erforderlich.
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