Spruch:
Vereinbarte Entgeltlichkeit begrundet nicht notwendig einen zweiseitig verbindlichen Vertrag.
Entscheidung vom 11. Dezember 1968, 7 Ob 237/68.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Nach dem Vorbringen der auf Zahlung von 22.937.50 S s. A. gerichteten Klage sei zwischen den Streitteilen im Jahre 1963 vereinbart worden, daß die am Bau eines Autobahnabschnittes beteiligte Beklagte das dort anfallende überschüssige Aushubmaterial, u. zw. zunächst das Grob- und dann das Feinmaterial, auf dem in P. gelegenen Werksgelände der Klägerin ablagern könne und schließlich die Planierung vorzunehmen habe, wobei diese Leistungen beiderseits kostenlos hätten erfolgen sollen. Die Beklagte habe dann zwar das Grobmaterial herangeführt, die Zufuhr des Kleinmaterials aber mit der Begründung, daß sie nicht über die erforderlichen Fahrzeuge verfüge, abgelehnt; desgleichen auch, trotz wiederholter Mahnung und Nachfristsetzung, die Planierungsarbeiten. Die Klägerin sei daher genötigt gewesen, den Materialtransport und die Planierung auf Kosten der Beklagten durchzuführen, wodurch ihr Auslagen in der Höhe des Klagsbetrages entstanden seien.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe, so wendete sie ein, mit der Klägerin keinen entgeltlichen Vertrag geschlossen und sich weder zur Lieferung einer bestimmten Menge oder Art von Aushubmaterial noch zur Vornahme der Planierungsarbeiten verpflichtet; eine Nachfrist sei ihr nicht gesetzt worden; überdies sei der Klagsanspruch verjährt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Seiner Entscheidung liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beklagte war als Bauunternehmer im Autobahnlos B.-P. beschäftigt und benötigte für anfallendes Aushubmaterial einen geeigneten Ablagerungsplatz, während die Klägerin Bedarf nach solchem Material hatte, um damit eine Mulde auf ihrem Betriebsgelände auszufüllen, wo die Errichtung einer Werkshalle vorgesehen war. Im Mai oder Juni 1963 kam es daher zu einer Übereinkunft wonach es der Beklagten ab sofort gestattet sein sollte, überschüssiges Aushubmaterial, über das sie nur mit Zustimmung der staatlichen Bauleitung verfügen durfte, in der erwähnten Mulde abzulagern, wobei das Grundstück so zu nivellieren sein würde, daß der Bau einer Halle möglich wäre. Die Lieferung des Materials und die Planierung sollte die Beklagte kostenlos vornehmen. Über die Menge des auf dem Gelände der Klägerin abzulagernden Materials sowie über eine Frist für die Materialaufschüttung und Planierung wurde nichts vereinbart. Die Beklagte nahm die Materialzufuhr sofort auf und setzte sie bis zum Schlechtwettereinbruch im Winter 1964/65 fort, wobei sie auch die Planierung des jeweils aufgeschütteten Materials besorgte, andernfalls es ihr nicht möglich gewesen wäre, mit ihren Fahrzeugen das fragliche Gelände zu befahren. Als die Klägerin im Sommer 1965 auf die Wiederaufnahme der Materialzufuhren drängte, lehnte der damalige Baustellenleiter der Beklagten, Ing. Franz K., solche mangels des erforderlichen Fuhrwerkes ab, worauf die Klägerin anfragte, ob sie mit eigenen Fahrzeugen Material abholen könne. Damit erklärte sich Ing. K. einverstanden. Doch war nicht zur Sprache gekommen, wer für die Kosten der weiteren Materialtransporte aufkommen werde. Diese wurden im Sommer und Herbst 1965 teils mit klägerischem, teils mit fremdem, im Auftrag der Klägerin verwendeten Fuhrwerk durchgeführt. Für das letztere hatte diese insgesamt 16.807.50 S zu bezahlen; die mit eigenen Transportmitteln bewerkstelligten Fuhren verrechnete sie mit 1400 S. Nachdem die Klägerin hinsichtlich der von ihr urgierten Planierungsarbeiten seitens der Beklagten zunächst vertröstet worden war, einigte sie sich mit dieser dahin, daß die Beklagte außer der Planierung in der Mulde noch zusätzliche Planierungsarbeiten übernehme und dafür, und zwar auch für die ursprünglich als unentgeltlich vereinbarten Leistungen dieser Art, eine Bezahlung von 180 S pro Stunde erhalten solle. In der Folge schickte die Beklagte verschiedentlich Planierraupen auf das Gelände der Klägerin. Diese Geräte waren jedoch teils zu klein, teils nicht einsatzfähig, sodaß die Planierarbeiten seitens der Beklagten unterblieben. Im Sommer 1967 wurde die in Aussicht genommene Planierung von der Klägerin bei der Beklagten mehrmals betrieben, mit dem Hinweis, daß die Klägerin noch im Herbst dieses Jahres mit dem Hallenbau beginnen wolle. Hierauf wurde ihr von Dr. P., einem Angestellten der Beklagten, geantwortet, daß dieser die Planierung erst bei Verfügbarkeit des notwendigen Gerätes, voraussichtlich also erst im Oktober möglich sein werde. Dazu erklärte der Inhaber der klägerischen Firma, daß es dann zu spät sei und er nun die Planierung selbst durchführen lassen werde. Zwei oder drei Tage nachher teilte er der Beklagten mit Schreiben vom 1. September 1967 mit, daß er inzwischen mit den Planierarbeiten begonnen habe und er zur vergleichsweisen Bereinigung der Angelegenheit von der Beklagten einen Abfindungsbetrag von 5000 S verlange. Tatsächlich wurde die Planierung im Auftrage der Klägerin von zwei Unternehmungen am 30. August 1967 in Angriff genommen und am 10. Oktober 1967 abgeschlossen. Die hiefür in Rechnung gestellten Kosten beliefen sich auf 14.486 S, wovon aber nur ein Teil auf die mit Material der Beklagten zugeschüttete Mulde entfiel. Eine Nachfrist für die Vornahme der Planierung hatte die Klägerin der Beklagten nicht gesetzt.
Daraus folgerte das Erstgericht in rechtlicher Beziehung, daß es sich bei der ursprünglichen Vereinbarung der Streitteile über die kostenlose Lieferung und Planierung von Aushubmaterial um eine Schenkung ohne wirkliche Übergabe handle, die zu ihrer Gültigkeit der Form eines Notariatsaktes bedurft hätte. Da dieses Erfordernis nicht erfüllt sei, habe die Klägerin die Lieferung weiteren Aushubmaterials und die dazu notwendigen Transportleistungen, somit auch den Ersatz der dafür von ihr selbst aufgewendeten Kosten nicht zu beanspruchen. Hinsichtlich der Planierung seien die Parteien in der Folge von der erwähnten Vereinbarung abgegangen und hätten einen Werkvertrag geschlossen, von dem die Klägerin jedoch mangels Setzung oder Gewährung einer Nachfrist nicht rechtswirksam zurückgetreten sei, sodaß ihr auch in diesem Zusammenhang eine Ersatzforderung nicht zustehe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es übernahm die erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen als unbedenklich, billigte jedoch die Abweisung des Klagebegehrens aus anderen als den im Ersturteil angestellten Erwägungen. Eine Schenkung ohne wirkliche Übergabe liege hier nicht vor, fehle es doch an dem eine Schenkungsvoraussetzung bildenden, beiderseitigen Schenkungswillen, nämlich der Willensübereinstimmung über die unentgeltliche Überlassung, bzw. Annahme einer Sache. Dabei könne es auf sich beruhen, ob und von wann an die Beklagte überhaupt in der Lage gewesen sei, über das überschüssige Material im eigenen Namen zu verfügen. Jede Schenkung ziehe eine Bereicherung des Beschenkten und eine Vermögensminderung des Schenkenden nach sich. Im Wegbringen und Ablagern des Abraummaterials auf dem Gelände der Klägerin könne aber eine solche Vermögensminderung der Beklagten nicht erblickt werden. Damit sei jedoch für den Standpunkt der Klägerin nichts gewonnen. Die zwischen den Streitteilen im Jahre 1963 zustande gekommene Vereinbarung sei ein Vertrag eigener Art. Auf seiten der Klägerin sehe er eine Vermögensvermehrung, nämlich die unentgeltliche Zuschüttung einer Mulde vor und weise insofern Merkmale eines Schenkungsvertrages auf. Anderseits habe sich die Klägerin vertraglich verpflichtet, der Beklagten die Ablagerung von Abraummaterial auf ihrem Grund und Boden unentgeltlich zu gestatten, da sie sich dadurch die Zuschüttung der Mulde auf eigene Kosten habe ersparen können. Der Beklagten wiederum sei es dadurch möglich geworden, in unmittelbarer Nähe des ihr zugewiesenen Bauloses das überschüssige Abraummaterial kostenlos abzulagern. Mithin sei durch diese Vereinbarung beiden Teilen gedient gewesen. Die Beklagte habe sich aber nicht verpflichtet, die Mulde zur Gänze oder innerhalb einer bestimmten Zeit auszufüllen. Die Klägerin habe ihr also lediglich das Recht eingeräumt, das Grundstück zu ihrem, der Beklagten, Bedürfnis zu benützen; insofern sei durch den Vertrag auch eine persönliche Dienstbarkeit (§ 504 ABGB.) begrundet worden. Eine entgeltliche Verpflichtung der Beklagten bestehe demnach nicht, weshalb die Klägerin nicht berechtigt sei, von der Beklagten Ersatz für die ihr durch die Materialanlieferungen erwachsenen Auslagen zu verlangen. Was den umstrittenen Rücktritt der Klägerin vom Vertrag über die Durchführung der Planierarbeiten betrifft, so stimmte das Berufungsgericht mit dem Erstgericht überein, daß die Klägerin unter den festgestellten Umständen der Beklagten eine Nachfrist nicht erkennbar gewährt habe. Auch stehe nicht fest, daß sich die Beklagte geweigert hätte, den Vertrag innerhalb einer angemessenen Nachfrist zu erfüllen. Auch soweit in der Berufung gegen das Ersturteil mit § 373 HGB., § 1431 ABGB. und dem Grundsatz von Treu und Glauben argumentiert wurde, hielt das Berufungsgericht die diesbezüglichen Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wenn auch nach dem Sachverhalt weder die Beklagte an die Klägerin für die Zurverfügungstellung des Ablagerungsraumes, noch die Klägerin an die Beklagte für das Aushubmaterial, für dessen Zufuhr und, nach der ursprünglichen Vereinbarung, für dessen Planierung eine Zahlung zu leisten hatte, so ist doch nicht zu übersehen, daß der Beklagten an der bei den gegebenen räumlichen Verhältnissen für sie günstigen Ablagerungsmöglichkeit, der Klägerin aber an dem der Nivellierung ihres Werkgeländes dienenden Material sowie an den entsprechenden Planierarbeiten gelegen war. Das beiderseitige Interesse an diesem Leistungsaustausch - Zufuhr und Planierung des Materials gegen Überlassung eines Ablagerungsplatzes - ist unverkennbar und es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß sich die Parteien aus Liberalität zur Erbringung der hier in Frage stehenden Leistungen verstanden hätten. Diese stehen daher zueinander im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Die eine sollte durch die andere abgegolten werden. Bei dieser Sachlage kann von einem Schenkungsversprechen, wie sie das Erstgericht als gegeben annahm, nicht gesprochen werden; vielmehr ist sogar darüber hinaus entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes die Entgeltlichkeit der beiderseitigen Leistungen zu bejahen (vgl. Klang - Gschnitzer IV[2] S. 428 A I/1, Klang - Stanzl, IV[2] S. 587 IV). Insofern ist den Revisionsausführungen beizupflichten. Aus der Entgeltlichkeit der Leistungen folgt aber noch nicht notwendig, daß diesen auch ein zweiseitig verbindlicher Vertrag entspricht, wie etwa der Fall der sogenannten konditionalen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung zeigt, wo jemandem ein Entgelt versprochen wird, wenn er eine bestimmte Leistung erbringt (vgl. Klang - Gschnitzer, a. a. O., S. 429 vorletzter Absatz; Klang - Stanzl, a. a. O.). Eben dies trifft hier zu, denn der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung kann nicht entnommen werden, daß sich die Beklagte zur Zufuhr und Ablagerung des Abraummaterials verpflichtet hätte, sondern es geht daraus nur hervor, daß der Beklagten diese Zufuhr und Ablagerung von der Klägerin gestattet wurden, was übrigens mit Rücksicht darauf, daß die Beklagte festgestelltermaßen über das Material nicht nach Belieben, sondern nur mit Zustimmung der staatlichen Bauleitung verfügen durfte, durchaus einleuchtet. Somit war die Beklagte gegenüber der Klägerin auf Grund des Vertrages zur Überlassung und Zufuhr des Materials überhaupt nicht verpflichtet. Sie hat folglich auch nicht gegen den Vertrag verstoßen, indem sie weniger Material zuführte als zur Ausfüllung der Mulde erforderlich gewesen wäre. Der Einwand der Revisionswerberin, dies stehe im Widerspruch dazu, daß der Vereinbarung zufolge durch die Nivellierung der Bau einer Halle ermöglicht werden sollte, geht fehl. Vielmehr hat dieser Hinweis im Vertrag auch im Zusammenhang damit, daß der Beklagten die Materialablagerung nicht als Verpflichtung auferlegt, sondern nur freigestellt war, ihren guten Sinn, denn es wurde damit das Ausmaß dieser Ablagerung und die Art von deren Durchführung festgelegt: Die Beklagte durfte danach also auf dem Gelände der Klägerin nur das zur Muldenausfüllung notwendige Material heranbringen und sie mußte, wenn sie es dort ablagerte, dabei zweckentsprechend vorgehen, also das in der Mulde jeweils aufgeschüttete Material planieren und dergestalt einen tragfähigen Untergrund für die zu errichtende Halle schaffen. Da demnach der wegen Unterlassung weiterer Materialzufuhren als Klagegrund geltend gemachte Vertragsbruch durch die Klägerin nicht vorliegt, erweist sich das diesbezügliche Ersatzbegehren als unbegrundet. Daß sich dieses aber, wie die Revisionswerberin meint, aus § 373 HGB. oder aus §§ 1431 ff. ABGB. oder allenfalls aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herleiten ließe, ist angesichts des festgestellten Sachverhaltes nicht verständlich. Im übrigen wurde die Revision in dieser Richtung nicht ausgeführt, sondern enthält nur eine Verweisung auf einschlägige Erörterungen in der klägerischen Berufung. Derartige Verweisungen sind unbeachtlich.
Was die Schadenersatzforderung im Zusammenhang mit den von der Beklagten nicht durchgeführten Planierarbeiten anlangt, so wurde sie von den Untergerichten zutreffend im Hinblick darauf verneint, daß die Klägerin nicht wirksam von dem über diese Arbeiten geschlossenen Werkvertrag zurückgetreten war (§§ 918, 921 ABGB.). Daran können auch die angeblich wiederholten Urgenzen, auf die sich die Beklagte demgegenüber beruft, nichts ändern. In ihnen könnte zutreffendenfalls eine Nachfristgewährung gelegen sein, die jedoch dann keine Vertragsaufhebung bewirkt, wenn mit ihr nicht auch die Erklärung des Rücktrittes vom Vertrag einhergeht (E. JBl. 1956 S. 151 u. a.). Daß aber die Beklagte, wie in der Revision behauptet wird, die Vertragserfüllung geradezu verweigert hätte, ist nicht in Einklang zu bringen mit den untergerichtlichen Feststellungen, wonach Dr. P. seinerzeit gegenüber der Klägerin den Beginn der Planierungsarbeiten für Oktober 1967 ankundigte.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
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