Spruch:
Dem Erwerber eines nicht mit der Ausstellerunterschrift versehenen Wechsels fällt grobe Fahrlässigkeit zur Last, wenn dieser Erwerber trotz Bedenken gegen die Bonität des Wechselübergebers keine Erkündigungen über die Ausfüllungsabrede einzog.
Entscheidung vom 3. Dezember 1968, 8 Ob 294/68.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger erwirkte auf Grund des Wechsels vom 2. Juni 1966 gegen den Beklagten als Akzeptanten einen Wechselzahlungsauftrag über 24.000 S s. A.
Das Erstgericht hielt nach rechtzeitig erhobenen Einwendungen den Wechselzahlungsauftrag aufrecht. Es stellte folgendes fest: Der Beklagte habe am 2. Juni 1966 mit dem Geschäftsführer der Firma G. GesmbH. Georg P. den Kauf von Goldwaren im Werte von 200.000 S vereinbart. Die Bezahlung sollte durch vom Beklagten akzeptierte Wechsel erfolgen, welche die Firma G. zum Ankauf des bezahlten Goldes weiterbegeben durfte. Die übergebenen Wechsel seien bis auf die Unterschrift des Ausstellers ausgefüllt gewesen, einer von ihnen habe auf 24.000 S gelautet. Wenige Tage nach der Vereinbarung zwischen dem Beklagten und P. habe letztere den klagsgegenständlichen Wechsel an den Kläger, mit dem er in ständiger Geschäftsverbindung gestanden sei, zur Zahlung einer Lieferung weitergegeben, ohne die Unterschrift des Ausstellers beizusetzen. Es sei vor oder bei Übergabe des Wechsels zwischen P. und dem Kläger weder darüber, wie P. zu dem Wechsel gekommen sei, noch über die Ausfüllung des fehlenden Wechselbestandteiles gesprochen worden. Der Kläger habe dann den Wechsel durch Einsetzen eines Stempels und Unterfertigung als Aussteller in gutem Glauben vervollständigt. Am 23. Juli 1966 sei das Geschäft zwischen P. und dem Beklagten rückgängig gemacht worden, wobei sich P. gegen Rückgabe der von der G. dem Beklagten zu dessen Sicherung übergebenen Deckungsakzepte zur Rücklösung der an den Kläger weitergegebenen Akzepte des Beklagten verpflichtet habe. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Da der Kläger beim Erwerb des Wechsels nicht bösgläubig oder grob fahrlässig gewesen sei, die Ausfüllung des Wechsels nicht vereinbarungswidrig gewesen sei und weder die Begebung noch die Unterfertigung des Wechsels durch den Kläger als Aussteller einer Parteienvereinbarung widersprochen habe, könnten dem Kläger Einwendungen aus dem Grundgeschäft nicht entgegengesetzt werden.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob die untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung (allenfalls nach Fortsetzung der Verhandlung) an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nicht zugestimmt kann der Revision allerdings darin werden, daß der Blankettnehmer die Ausfüllung nur in einer im Verkehr gewöhnlichen Weise hätte vornehmen dürfen und dies wäre die Beisetzung der Unterschrift des Gläubigers aus dem Grundgeschäft als Ausstellers gewesen, im vorliegenden Falle also der G. GesmbH. Abgesehen davon, daß selbstverständlich der Kläger ohne besondere Abrede mit P. diese Unterschrift auf keinen Fall hätte beisetzen dürfen, ist es auch unrichtig, daß nur eine solche Ausfüllung des unvollständigen Wechsels dem geschäftlichen Verkehr entsprochen hätte. Wäre dies der Fall, dann wäre die Verwendung eines Blankowechsels mit fehlender Ausstellerunterschrift überhaupt sinnlos.
Ferner führt die Revision aus, auf den Kläger sei nur die etwaige Ausfüllungsbefugnis seines Vormannes P. übergegangen, er müsse sich daher auch die in dessen Person begrundeten Einreden gefallen lassen. Die Revision beruft sich hiezu auf eine Entscheidung des Deutschen Reichsoberhandelsgerichten aus dem Jahre 1874. Entgegen dieser zur Zeit der Geltung der alten Wechselordnung aus dem Jahre 1850 ergangenen Entscheidung hat der österreichische Oberste Gerichtshof auf Grund derselben Gesetzeslage in der Entscheidung vom 24. Juni 1913, JB. 206, ausgesprochen, daß derjenige, der einen mit seinem Akzept versehenen, jedoch mit der Unterschrift des Ausstellers noch nicht ausgefüllten Wechsel einem anderen übergibt, dem gutgläubigen Dritten, der die nicht ausgefüllte Urkunde in der Folge von einem Nehmer erworben und nachträglich als Aussteller unterschrieben hat, Einwendungen aus der Person des ersten Nehmers nicht entgegensetzen kann. Damit erledigen sich auch die von der Revision aus der erstgenannten Entscheidung gezogenen Schlußfolgerungen, ganz abgesehen davon, daß diese in dem Art. 10 WG. 1955 keine Stütze finden.
Es kommt darauf an, ob der Kläger den gegenständlichen Wechsel im guten Glauben erworben hat, bzw. ob ihm beim Erwerb des Wechsels eine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. In dieser Richtung rügt die Revision mit Recht das Fehlen einer Feststellung der Untergerichte darüber, ob der Kläger im Zeitpunkte des Erwerbes des Blankowechsels mit der fehlenden Ausstellerunterschrift gewußt hat, Wechsel mit der Unterschrift P.'s würden von den Banken nicht mehr angenommen. Der Kläger hat in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 20. Februar 1968 als Partei ausgesagt, der Zeuge P. sei bei Übergabe des streitgegenständlichen Wechsels durch P. an den Kläger bei den Banken schon nicht mehr gut gewesen und hätten diese (das ist die Banken) Wechsel mit seiner (das ist P.'s) Unterschrift nicht mehr genommen. Aus der Aussage des Klägers geht zwar nicht mit voller Klarheit hervor, ob dem Kläger dieser Umstand bereits damals bekannt gewesen ist, sie kann aber in dieser Richtung aufgefaßt werden. Dies wird vom Erstgericht auf Grund der freien Beweiswürdigung der Aussage des Klägers - allenfalls nach Wiederholung von dessen Vernehmung - zu beurteilen sein. Die fehlende Feststellung darüber ist für die Entscheidung wesentlich. Es kann nämlich der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht zugestimmt werden, durch die Kenntnis der Tatsache, daß die Banken von P. unterschriebene Wechsel nicht mehr eskomptiert hätten, habe der Kläger keine Bedenken in der Richtung bekommen müssen, daß allenfalls die Vervollständigung des Wechsels durch Beifügen der Ausstellerunterschrift einer Abmachung zwischen P. und dem Beklagten widerspreche. Der Erwerber eines unausgefüllten Blankettwechsels wird in der Regel Erkündigungen über die Ausfüllungsabrede einziehen müssen, um sich nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit auszusetzen (Stranz, WG. [14], Anm. 10 zu Art. 10 WG., S. 83, JBl. 1963 S. 97 ff.). Dies wird umso mehr der Fall sein, wenn der Erwerber eines unausgefüllten Wechsels Bedenken gegen die Bonität desjenigen haben muß, der ihm den Blankettwechsel übergibt, besonders dann, wenn der fehlende Wechselbestandteil die Ausstellerunterschrift ist. Hat der Kläger gewußt, daß die Banken die Eskomptierung von Wechsel mit der Unterschrift P.'s ablehnen, mußte ihm dies bedenklich erscheinen, und er hätte die Verpflichtung gehabt, über die Ausfüllungsabrede zwischen P. und dem Beklagten Erkündigungen einzuziehen. Hat er dies nicht getan, fällt ihm beim Erwerb des Blankettwechsels grobe Fahrlässigkeit zur Last und der Beklagte kann dem Kläger die Nichteinhaltung der Vereinbarungen über die Ausfüllung entgegensetzen (Art. 10 WG.). Der Beklagte hat in seinen Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag vereinbarungswidrige Ausfüllung des unvollständigen Wechsels geltend gemacht. In der dabei aufgestellten Behauptung des Wissens des Klägers um den Nichtbestand der Forderung ist die Behauptung des grob fahrlässigen Nichtwissens und damit die Behauptung eingeschlossen, der Kläger hätte Erkündigungen über die Ausfüllungsabrede einziehen müssen, nach dem hiebei bezogenen Begriff der Nichtgutgläubigkeit als enthalten anzusehen.
An dem oben erwähnten Feststellungsmangel leiden beide untergerichtlichen Urteile, weshalb es zu ihrer Aufhebung kommen mußte.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)