OGH 2Ob352/68 (2Ob351/68)

OGH2Ob352/68 (2Ob351/68)28.11.1968

SZ 41/165

Normen

ABGB §1323
ABGB §1325
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §13 Z3
ABGB §1323
ABGB §1325
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §13 Z3

 

Spruch:

Hat ein PKW vor dem Unfall zum Lebensstandard des Verletzten gehört, dessen Fahrbefugnis nun auf Ausgleichsfahrzeuge eingeschränkt wird, so hat der Schädiger für die Kosten eines solchen Fahrzeuges aufzukommen.

Entscheidung vom 28. November 1968, 2 Ob 351, 352/68.

I. Instanz; Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Der Kläger hat als Fußgänger am 15. März 1966 auf der Allgäuer Bundesstraße Nr. 189 einen Verkehrsunfall erlitten, als er durch den vom Beklagten gelenkten PKW erfaßt und zu Boden gestoßen wurde. Im Zusammenhange mit diesem Unfalle ist gegen den Beklagten das Strafverfahren eingeleitet worden; mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes R. vom 19. April 1966 ist der Beklagte der Übertretung nach § 335 StG. - rechtskräftig - schuldig erkannt worden. Im Vorprozesse des Landesgerichtes I. hat der Kläger zunächst ein Schmerzengeld von 40.000 S s. A. begehrt,; im genannten Verfahren ist am 14. Juli 1966 Ruhen des Verfahrens eingetreten. Im nunmehrigen Prozeß macht der Kläger weitere Ersatzansprüche aus dem Unfall vom 15. März 1966 gegen den Beklagten aus dessen Verschulden geltend, wobei er die vom Beklagten erhaltenen Zahlungen von 40.000 S und 16.000 S in Abzug bringt. Im Laufe der Streitverhandlung ist das Klagebegehren erweitert worden. Die beklagte Partei hat die Ersatzflicht dem Gründe nach nicht bestritten.

Das Erstgericht hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger den Betrag von 48.872.35 S s. A. sowie ab 1. Jänner 1967 eine monatliche Rente von 4000 S zu bezahlen, und das Mehrbegehren hinsichtlich weiterer 41.052.25 S s. A. sowie einer weiteren Monatsrente von 1500 S abgewiesen; zugleich hat es festgestellt, daß der Beklagte dem Kläger für alle diesem aus dem Verkehrsunfall vom 15. März 1966 ... in Zukunft noch entstehenden Schäden hafte; das Feststellungsbegehren in Ansehung der Ersatzpflicht für die schon entstandenen Schäden hat das Erstgericht abgewiesen.

Beide Teile haben berufen: Der Kläger bekämpfte die Abweisung des Teilbegehrens von 30.120 S; der Beklagte focht den Rentenzuspruch an und die Zuerkennung von 30.000 S an Schmerzengeld, weil der Kläger den ihm an Schmerzengeld gebührenden Betrag von 40.000 S bereits erhalten habe.

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Beklagten keine Folge gegeben und das Ersturteil im Zuspruch des Schmerzengeldes und der Rente als Teilurteil urteilsmäßig bestätigt; der Berufung des Klägers aber hat es beschlußmäßig dahin Folge gegeben, daß das Ersturteil im Ausspruche über die Abweisung des Teilbegehrens von 30.120 S s. A. sowie im Kostenausspruche aufgehoben wurde, im Umfange dieser Aufhebung ist die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen worden; zugleich hat die Berufungsinstanz ausgesprochen, daß das Erstgericht die Verhandlung erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Teilanspruche des Klägers auf Zahlung von 30.120 S (der Differenz zwischen 75.120 S und 45.000 S) s. A. hat die beklagte Partei im erstinstanzlichen Verfahren bloß die Behauptung entgegengesetzt, daß es für den Kläger nicht notwendig gewesen sei, einen Wagen mit automatischem Getriebe zu kaufen: der Kläger habe kein Bein verloren; der Umbau des vorhandenen Wagens auf Einhandbetätigung wäre wesentlich billiger gekommen als der Eintausch des Wagens des Klägers gegen ein teureres Fahrzeug mit automatischem Getriebe. In dieser Hinsicht hat das Erstgericht Beweis durch Vernehmung des Sachverständigen aus dem Kraftfahrwesen Dipl.-Ing. Kurt M. aufgenommen; der Kläger hatte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft R. vom 4. Jänner 1967 vorgelegt, wonach seine Befugnis zum Lenken von Kraftfahrzeugen auf Ausgleichsfahrzeuge eingeschränkt worden war. Das Erstgericht hat das Teilbegehren puncto 30.120 S mit der Begründung abgewiesen, daß der Kläger nach seinem Vorbringen keinen Schaden erlitten habe; er habe für den alten Wagen dessen Zeitwert erhalten und für den neuen nicht mehr bezahlt, als er wert sei; ihm stunde ein Ersatzanspruch nur dann zu, wenn er kein serienmäßig ausgestattetes Fahrzeug gekauft oder sich für die Einhandbedienung eine besondere Vorrichtung hätte einbauen lassen. Der Berufung des Klägers, worin dieser die Abweisung puncto 30.120 S s. A. angefochten hatte, hat das Berufungsgericht, wie eingangs dargestellt, im Sinne der Aufhebung dieser Abweisung und der Rückverweisung stattgegeben. Es bestehe kein Zweifel, daß sich der Kläger nur deswegen zum Erwerb eines neuen Fahrzeuges entschlossen habe, weil nur in diesem die erforderlichen Ausgleichsgeräte (das automatische Getriebe) eingebaut werden konnten; der zur Anschaffung des neuen Fahrzeuges erforderliche Aufwand sei im Gegensatz zur Beurteilung des Erstgerichtes als Schade anzusehen; der Schädiger habe auch die Kosten für die unfallsbedingte Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten zu ersetzen; das Verfahren sei ergänzungsbedürftig, damit der Mehraufwand des Klägers festgestellt werde; es sei klarzustellen, welchen Mindestbetrag der Kläger hätte aufwenden müssen, um gegen Rückgabe seines Fahrzeuges einen andern Kraftwagen, der der eingeschränkten Fahrerlaubnis entsprochen habe, zu erwerben; ein PKW mit den damit verbundenen Bequemlichkeiten habe schon vor dem Unfall zum Lebensstandard des Klägers gehört; der Kläger müsse nicht nach dem Unfall auf eine Bequemlichkeit verzichten, um den Schädiger zu entlasten.

Der Rekurswerber erachtet die Sache puncto 30.120 S für im Sinne der Klagsabweisung spruchreif; er will aus seiner Annahme, der Kläger sei nicht "begeisterter Autofahrer" gewesen, er benötige einen neuen PKW für berufliche Zwecke nicht und benütze den Wagen auch sonst nur sehr selten, dies schon wegen seiner Schmerzen, ableiten, daß dem Kläger ein Anspruch der erhobenen Art nicht zustehe. Der Rekurswerber übersieht, daß er den diesbezüglichen Anspruch im maßgeblichen erstgerichtlichen Verfahren keineswegs mit diesen Argumenten bekämpft hatte (vgl. die obige Darstellung). Die Beurteilung der Berufungsinstanz zur Begründung der Aufhebung und Rückverweisung in diesem Punkte entspricht auch der Rechtslage. Es handelt sich um einen Fall der Kosten aus einer unfallbedingten Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten im Sinne des § 13 Z. 3 EKHG. Dieses Gesetz bedeutet das derzeitige Endstadium des Haftpflichtrechtes und ist bei der Auslegung des § 1325 ABGB., der diesfalls zur Anwendung kommt, entsprechend zu berücksichtigen (vgl. Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil und Schadenersatz, 1963, S. 175). Die Beurteilung des Berufungssenates zum Gründe des bezeichneten Teilanspruchs ist in der hg. Spruchpraxis gedeckt (vgl. z. B. 2 Ob 126, 127/61 vom 17. März 1961, SZ. XXXIV/46; 2 Ob 140/64 vom 29. Juni 1964, ZVR. 1965, Spruchbeilage Nr. 86). Die Rekursausführungen sind nicht geeignet, die Beurteilung der Vorinstanz zu widerlegen. Gegen den angefochtenen Verfahrensergänzungsauftrag bestehen also keine Bedenken. Demgemäß war auch dem Rekurse ein Erfolg zu versagen.

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