Spruch:
Haftung des Verkäufers für Schäden des Dritten, für den die gekaufte Sache bestimmt war.
Entscheidung vom 2. November 1968, 5 Ob 130/68.
I. Instanz: Bezirksgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Kreisgericht Wiener Neustadt.
Text
Der Kläger behauptete, seinen Chef Peter S. ersucht zu haben, ihm für seinen Citroen-Wagen eine Dose Hydrauliköl mitzubringen. S. habe in der Tankstelle des Beklagten 2 Dosen Hydrauliköl gekauft, das der Angestellte des Beklagten als für Citroen-Wagen geeignet bezeichnet habe, und habe eine Dose dem Kläger gegeben. Dieser habe den Inhalt der einen Dose in die Hydraulik seines Citroen-Wagens nachgefüllt. Das Öl sei für den Citroen-Wagen nicht geeignet gewesen und habe in der Hydraulik schwere Schäden verursacht, deren Behebung 12.191 S gekostet habe. Außerdem habe der Kläger für einen während der Reparatur gemieteten Wagen 1989.70 S ausgegeben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Unschlüssigkeit ab.
Seine Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Als der Kläger im Jänner 1966 erfuhr, daß sein Chef Peter S. die Absicht habe, für seinen eigenen Citroen PKW DS 19 Hydrauliköl zu kaufen, ersuchte er diesen um die Besorgung einer Dose Hydrauliköl für seinen Citroen PKW ID 19, Baujahr 1962. In der Tankstelle des Beklagten, die S. aufsuchte, fragte er den Angestellten des Beklagten Alois H., ob Hydrauliköl für Citroen-Wagen vorrätig sei. H. bejahte. Sodann sahen S. und H. in dem in der Tankstelle aufliegenden Schmierplan der Mobil-Oil-Austria nach und kamen zur Ansicht, für den Citroen ID 19 und DS 19 sei das passende Hydrauliköl das Öl Mobil Heavy Brake Fluid (MHBF). Die in der Tankstelle aufliegenden Rundschreiben der Mobil-Oil-Austria bzw. deren Fahrzeugmitteilung Nr. 96 sowie die Anleitung des Schmierplanes hat H. nicht durchgelesen; daraus hätte sich ergeben, daß für Citroen-Wagen ID 19 und DS 19 ab dem Baujahr 1960 das passende Hydrauliköl das Öl MF 19 wäre. Dem Beklagten selbst war bekannt, daß das Öl MHBF. für einen Citroen Baujahr 1962 als Hydrauliköl nicht geeignet ist. S. sagte zu H., er nehme zwei Dosen des ihm angebotenen Öls MHBF, da er auch für einen zweiten Citroen eine solche brauche. Tatsächlich kaufte er zwei Dosen MHBF-Öl, auf welchen Dosen in englischer Sprache die Gebrauchsanweisung abgedruckt ist, die besagt, daß man jegliche Petroleumprodukte fernzuhalten habe und daß nur sorgfältig gereinigte Behälter und Trichter benützt werden dürfen. S. gab eine der beiden Dosen dem Kläger und dieser füllte den Inhalt in die Hydraulik seines Wagens, ohne sich an die Gebrauchsanweisung zu halten. In der Folge traten in der Hydraulik schwere Schäden auf, weil sich die Mischung der noch im Tank befindlichen Hydraulikflüssigkeit, wahrscheinlich Hydrauliköl MF 19 mit dem nachgefüllten Öl, das für den Citroen Baujahr 1962 nicht geeignet war, nicht vertrug. Allein, ohne Vermengung mit anderen Ölen, hätte das Öl MHBF einen Schaden nicht verursachen können. S. trat allfällige sich aus dem Kauf ergebende Schadenersatzansprüche an den Kläger nicht ab.
Daraus folgerte das Erstgericht eine Unschlüssigkeit des Klagebegehrens. Der Kläger sei nicht Vertragspartner des Beklagten, der für das Verschulden seines Tankwartes gemäß § 1313a ABGB. einzustehen hätte. Vertragspartner des Beklagten sei der Machthaber des Klägers: Peter S.; dieser habe als mittelbarer Stellvertreter des Klägers das Öl beim Tankwart des Beklagten gekauft. Das Auftragsverhältnis zwischen S. und dem Kläger sei dem Beklagten nicht bekannt geworden, sodaß zwischen den Streitteilen ein unmittelbares obligatorisches Rechtsverhältnis nicht entstanden sei. Mangels Vorliegens einer offenen Vollmacht seien aus dem Kauf nur Rechtsbeziehungen zwischen S. und dem Beklagten entstanden. Der mittelbare Stellvertreter S. hätte die aus dem Kauf entspringenden Ansprüche, auch wenn sie in seinem Vermögen nur als durchlaufende Posten aufscheinen, nur im eigenen Namen geltend machen können. Der Machtgeber sei hiezu nur dann legitimiert, wenn ihm die Ansprüche vom mittelbaren Stellvertreter abgetreten worden wären. Auch eine vertragliche Sorgfaltspflicht des Beklagten zugunsten Dritter - des Klägers - bestehe nicht; eine solche wäre nur dann anzunehmen, wenn z. B. beim Vertragsabschluß der Schutz der Rechtsgüter Dritter, deren Kontakt mit der Vertragsleistung voraussehbar sei, erkennbar den Interessen des Vertragspartners selbst entsprochen hätte. Es hätte also dem Tankwart erkennbar sein müssen, daß sein Vertragspartner S. ein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an dem Schutz der Rechtsgüter des Dritten - dem Wagen des Klägers - hatte, um die unmittelbare Haftung des Beklagten für Sachschäden im Eigentum des Klägers zu begrunden. Ein solches Interesse des Vertragspartners S. an der Integrität des Eigentums des Klägers sei dem Tankwart des Beklagten aber nicht erkennbar geworden, weil S. bloß erwähnt habe, er brauche Hydrauliköl noch für einen zweiten Citroen-Wagen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf, ohne auf die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung einzugehen. Es vertrat die Auffassung, selbst dann, wenn man vom festgestellten, vom Kläger bekämpften Sachverhalt ausginge, sei das Klagebegehren berechtigt, weil dem Tankwart des Beklagten nach der Äußerung des S. habe klar sein müssen, daß der Inhalt der zweiten Öldose entweder mit einem zweiten PKW des S. oder mit einem von dessen Auftraggeber "in Kontakt kommen würde". In einem solchen Fall sei eine weitere Interessendokumentation etwa auf die Weise, daß S. mit dem zweiten PKW zur Tankstelle des Beklagten hätte fahren müssen, um durch tatsächliche Besitzausübung an dem später beschädigten PKW sein Interesse an dessen gebrauchsfähigem Zustand augenscheinlich zu machen, nicht erforderlich. Dem Kläger sei unter diesen Umständen die Klagslegitimation zuzubilligen. Daß den Tankwart des Beklagten ein Verschulden an dem eingetretenen Schaden treffe, bedürfe keiner weiteren Darlegung. Die Höhe der Ersatzansprüche des Klägers sei aber noch nicht verläßlich festgestellt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Erstrichter hat zwar festgestellt, welche Bemerkung Peter S. zu dem Tankwart des Beklagten machte, als S. die beiden Dosen Hydrauliköl kaufte, von denen er die eine dem Kläger weitergab, doch hat es der Erstrichter unterlassen festzustellen, ob S. mit der Geltendmachung des Schadens durch den Kläger - den Geschädigten - einverstanden ist. Das ist im allgemeinen für die Aktivlegitimation nicht ohne Bedeutung. Denn die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation - die hier der Beklagte übrigens nicht erhoben hat - soll den Beklagten dagegen schützen, daß derselbe Anspruch gegen ihn noch einmal mit dem Vorbringen geltend gemacht wird, dem ersten Kläger habe die Aktivlegitimation gefehlt. Die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation ist daher dann nicht zuzulassen, wenn der wirklich Berechtigte der Klageführung zugestimmt hat, weil ihm im Falle neuerlicher Klageerhebung im eigenen Namen entgegengehalten werden könnte, daß er durch seine Zustimmung zur Klage das ihm zustehende Klagerecht verloren habe.
Im konkreten Fall ist dem Kläger aber auch ohne die Prüfung der Zustimmung des Peter S. zur Klageführung die Klagslegitimation aus nachstehenden Erwägungen zuzubilligen:
Es ist nämlich bei Barkäufen in einer zu diesem Zweck eingerichteten Handlung (z. B. in einer Tankstelle, soweit sie Kraftwagenzubehör wie Öl, Treibstoff, Reinigungsmittel usw. feilhält) nach den Regeln des redlichen Verkehrs anzunehmen, daß der Verkäufer die Verpflichtungen aus dem Kaufvertrage nicht nur der Person gegenüber, die zwar die Sache kauft, bezahlt und entgegennimmt - aber häufig anonym bleibt -, sondern auch dem Dritten gegenüber, für den die Sache allenfalls bestimmt ist, übernimmt (vgl. Bydlinski, "Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter" in JBl. 1960 S. 359 ff., wonach "Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung bei Vertragsabschluß voraussehbar war und die der Vertragspartner entweder durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder aber denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist, vom Vertrag mitgeschützt sind"). Damit steht auch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes JBl. 1960 S. 386 f. im Einklang, wonach es im Falle der Beschädigung eines Dritten für die Anwendung des § 1313a ABGB. darauf ankommt, ob nach objektiver Vertragsauslegung, also nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs, der Schutz der Rechtsgüter auch dritter Personen übernommen wurde. Dies trifft nach dem Vorhergesagten hier zu.
Es ist daher dem Kläger die Aktivlegitimation zuzubilligen und die Schadenersatzpflicht des Beklagten zu bejahen. Die Höhe des dem Kläger zu ersetzenden Schadens bedarf allerdings noch weiterer Feststellungen des Erstrichters.
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