OGH 8Ob246/68

OGH8Ob246/688.10.1968

SZ 41/130

Normen

Mietengesetz §19 (2) Z10
Mietengesetz §19 (2) Z13
Mietengesetz §19 (2) Z10
Mietengesetz §19 (2) Z13

 

Spruch:

Zum Verhältnis der Kündigungstatbestände des § 19 Abs. 2 Z. 10 und Z. 13 MietG. zueinander nach dem Mietrechtsänderungsgesetz BGBl. Nr. 261/1067.

Entscheidung vom 8. Oktober 1968, 8 Ob 246/68.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Beklagte ist im Jahre 1957 aus der klagsgegenständlichen Wohnung in das von Auguste H. gekaufte Haus in Wien 22, übersiedelt. Gleichzeitig hat er der Auguste H. die gegenständliche, aus drei Zimmern, zwei Kabinetten und Nebenräumen bestehende Wohnung mit Ausnahme eines von seiner Schwiegermutter bewohnten Kabinettes, in Untermiete gegeben. Am 2. April 1957 hat er bei der Hausverwaltung wegen Genehmigung des Wohnungstausches vorgesprochen. Er ist aber vom damaligen Hauseigentümer abgewiesen worden. Am 6. Juni 1961 haben die Kläger als nunmehrige Hauseigentümer zusammen mit dem Hausverwalter eine Hausbegehung durchgeführt. Sie haben dabei auch die gegenständliche Wohnung betreten. Auf die Frage des Erstklägers, ob hier der Beklagte wohne, hat Agnes Sch., die Tochter der Auguste H., die in der Wohnung wohnenden Personen aufgezählt. Im Frühjahr oder Sommer 1962 ist Auguste H. an die Zweitklägerin wegen Anerkennung ihrer Hauptmietrechte an der aufgekundigten Wohnung herangetreten. Am 20. Juli 1962 haben die Kläger eine auf § 19 (2) Z. 10 und 13 MietG. gestützte Aufkündigung gegen den Beklagten eingebracht. Diese Aufkündigung wurde aufgehoben. Das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach § 19 (2) Z. 13 MietG. wurde verneint, weil die Wohnung, wenn auch nicht vom Beklagten, so doch von Auguste H. und deren Angehörigen zur Befriedigung eines regelmäßigen Wohnungsbedürfnisses benützt wurde. Die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes nach § 19 (2) Z. 10 MietG. wurden wohl als gegeben angenommen. Daß die Aufkündigung dennoch keinen Erfolg hatte, ist darauf zurückzuführen, daß die Frist des § 19 (4) MietG. nicht als gewahrt angesehen wurde. Die Kläger, bzw. der Hausverwalter hätten es absichtlich unterlassen, sich über das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Kündigungsgrundes Gewißheit zu verschaffen. Am 5. Februar 1968, also nach Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes, brachten die Kläger neuerlich eine auf § 19 (2) Z. 10 und 13 MietG. gestützte Aufkündigung ein. Der Beklagte wies in seinen Einwendungen auf die aus dem vorangegangenen Kündigungsverfahren ersichtlichen Umstände hin, insbesondere auf das Verstreichenlassen der Frist des § 19 (4) MietG. Er erklärte ausdrücklich, ein sonstiges Verhalten der Kläger, aus dem sich ein Verzicht ergeben könnte, nicht geltend zu machen.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für wirksam. Es ging davon aus, daß zwar der Sachverhalt seit der vorangegangenen Aufkündigung im wesentlichen unverändert geblieben sei. Es hielt aber die Änderung der Rechtslage durch das Mietrechtsänderungsgesetz für beachtlich. Die ersatzlose Aufhebung der Bestimmung des § 19 (4) MietG. alte Fassung habe zur Folge, daß nunmehr die Frage der Rechtzeitigkeit der auf § 19 (2) Z. 10 MietG. gestützten Aufkündigung nur mehr auf Grund der Bestimmung des § 863 ABGB. beurteilt werden könne. Auf Grund der Ergebnisse des Vorprozesses, in dem es lediglich darum gegangen sei, ob die Frist des § 19 (4) MietG. eingehalten worden sei, könne ein Verzicht auf die Geltendmachung dieses Kündigungsgrundes nicht entnommen werden. Andere Umstände als das bloße Verstreichenlassen der Frist des § 19

(4) MietG. seien gar nicht geltend gemacht worden. Die Kläger könnten daher nunmehr nach Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes mit Erfolg aus dem Grund des § 19 (2) Z. 10 MietG. kundigen. Der gegebene Sachverhalt könne aber nunmehr, anders wie im Vorprozeß, auch der durch das Mietrechtsänderungsgesetz geänderten Bestimmung des § 19 (2) Z. 13 MietG. unterstellt werden. Insoweit komme eine verspätete Geltendmachung des Kündigungsgrundes überhaupt nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es änderte das Urteil der ersten Instanz dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob. Es war der Ansicht, daß ein Verzicht der Kläger auf die Geltendmachung des seit der vorangegangenen Aufkündigung unverändert gebliebenen Sachverhaltes als Kündigungsgrund anzunehmen sei. Der bis Ende 1967 in Geltung gestandenen Bestimmung des § 19

(4) MietG. sei der Gedanke zugrunde gelegen, daß ein Vermieter, der trotz Kenntnis des entscheidenden Sachverhaltes mit der Kündigung mehr als drei Monate zuwarte, zu erkennen gebe, daß er sich in seinen wesentlichen Interessen nicht verletzt erachte. Diese Dreimonatsfrist habe spätestens mit der Hausbegehung am 6. Juni 1961, also mehr als ein Jahr vor Einbringung der ersten Aufkündigung, zu laufen begonnen. Der Ablauf dieser Frist habe die widerlegbare Rechtsvermutung des Verzichtes auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 19 (2) Z. 10 MietG. begrundet. Damit stehe im Einklang, daß nach ständiger Rechtsprechung der Vermieter zur ehesten Geltendmachung eines Kündigungsgrundes verpflichtet sei. Das Verstreichenlassen der genannten Frist rechtfertige für sich allein schon die Annahme eines konkludenten Verzichtes im Sinn des § 863 ABGB., zumal ein konkreter und überzeugender Grund für das lange Zuwarten im vorliegenden Verfahren gar nicht dargetan worden sei. Es sei daher der Schluß gerechtfertigt, daß die Kläger bewußt die schon Jahre andauernde Nichtbenützung der gegenständlichen Wohnung durch den Beklagten und deren Weitergabe an dritte Personen mit dem Risiko in Kauf genommen hätten, diesen Sachverhalt keinesfalls mehr als Kündigungsgrund geltend machen zu können. Mit dem Kündigungsgrund des § 19 (2) Z. 10 MietG. könnten die Kläger daher nicht durchdringen. Das gleiche müsse aber auch hinsichtlich des Kündigungsgrundes nach § 19 (2) Z. 13 MietG. gelten, ob sich nun die neu gefaßte Bestimmung des § 19 (2) Z. 13 MietG. nur auf leer stehende Wohnungen beziehe oder auch auf Sachverhalte, wie sie bereits durch den Kündigungsgrund nach § 19 (2) Z. 10 MietG. erfaßt seien. Der hier vorliegende und jedenfalls auch dem im § 19 (2) Z. 10 MietG. geforderten Tatbestand entsprechende Sachverhalt sei seit der früheren Aufkundidung unverändert geblieben. Die Verwirkung des Kündigungsrechtes nach § 19 (2) Z. 10 MietG. erstrecke sich daher auch auf den Kündigungsgrund des § 19 (2) Z. 13 MietG.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Ansicht der Vorinstanzen, die durch das Mietrechtsänderungsgesetz 1967 neu gefaßte Bestimmung des § 19 (2) Z. 13 MietG. habe nunmehr auch auf die Fälle der Nichtverwendung der Wohnung zur Befriedigung des dringenden Wohnungsbedürfnisses des Mieters oder dessen Eintrittsberechtigten zufolge Weitergabe der Wohnung Anwendung zu finden, kann nicht beigetreten werden. Zwar würde diese durch das Mietrechtsänderungsgesetz 1967 neu gefaßte Bestimmung ihrem Wortlaute nach auch die Weitergabe der Wohnung durch Untervermietung, wie sie hier vorliegt, mitumfassen, weil auch eine solche Untervermietung die Verwendung des Mietgegenstandes zur Befriedigung des dringenden Wohnungsbedürfnisses des Mieters oder dessen Eintrittsberechtigten ausschließt. Allein eine solche Weitergabe des Mietgegenstandes ist bereits durch die Bestimmung des § 19 (2) Z. 10 MietG. erfaßt. Würde also auch die Bestimmung des § 19 (2) Z. 13 lit. c darauf angewendet werden, so würde dies bedeuten, daß die Sache nach zwei verschiedenen Gesetzesstellen zu beurteilen wäre, die sich in dem hier in Betracht kommenden Belange nicht wesentlich unterscheiden. Könnte doch auch bei der Beurteilung des dringenden Bedarfes in offenbar naher Zeit im Sinn des § 19 (2) Z. 10 MietG. eine Abwesenheit bloß zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus zwingenden beruflichen Gründen nicht unbeachtet bleiben. Es kann nun nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber denselben Tatbestand nach zwei zwar nicht wesentlich voneinander verschiedenen, aber doch auch nicht identischen gesetzlichen Bestimmungen beurteilt wissen wollte. So weit es sich also um die Weitergabe der Wohnung handelt, ist § 19 (2) Z. 10 MietG. als die speziell für diesen Fall getroffene Regelung anzuwenden, nicht aber § 19 (2) Z. 13 MietG., die - wie sich aus den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage des Mietrechtsänderungsgesetzes (500 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen der NR. XI. GP.) ergibt - als Abhilfe gegen das Horten mehrerer Wohnungen durch den Mieter gedacht ist.

Auf § 19 (2) Z. 13 MietG. kann daher die Kündigung nach wie vor nicht mit Erfolg gestützt werden.

Es verbleibt also nur die bereits einmal wegen Nichteinhaltung der Frist des § 19 (4) MietG. alte Fassung erfolglos geltend gemachte Kündigung nach § 19 (2) Z. 10 MietG. In diesem Belange kann dem Berufungsgericht darin gefolgt werden, daß über die Tatsache der Aufhebung der früheren Aufkündigung wegen Nichteinhaltens der Frist des § 19 (4) MietG. alte Fassung im vorliegenden Verfahren nicht hinweggegangen werden kann. Die vorangeführte Gesetzesstelle wurde nicht etwa deshalb aufgehoben, weil der Gesetzgeber die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 19 (2) Z. 10 MietG. nunmehr ohne jede zeitliche Begrenzung ermöglichen wollte, sondern - wie sich aus den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage des Mietrechtsänderungsgesetzes ergibt - deshalb, weil der Gesetzgeber den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, daß Kündigungsgrunde bei sonstigem Verlust ehestens geltend zu machen sind, auch hinsichtlich des Kündigungstatbestandes nach § 19 (2) Z. 10 MietG. für ausreichend hielt. Die Wirkung einer auf der Nichteinhaltung der Frist des § 19 (4) MietG. alte Fassung beruhenden und durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bereits festgestellten Verschweigung sollte also nicht durch das Mietrechtsänderungsgesetz ab 1. Jänner 1968 wieder beseitigt werden.

Die Kläger können daher nicht allein deshalb, weil § 19 (4) MietG. alte Fassung nunmehr durch das Mietrechtsänderungsgesetz aufgehoben wurde, den bereits einmal wegen Nichteinhaltung der Frist des § 19

(4) MietG. alte Fassung erfolglos geltend gemachten Kündigungsgrund nach § 19 (2) Z. 10 MietG. mit Erfolg neuerlich geltend machen.

Der Revision war demnach der Erfolg zu versagen.

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