Spruch:
Ein unter fremdem Grund und Boden befindlicher Keller kann selbständiges Rechtsobjekt sein; Voraussetzungen hiefür.
Entscheidung vom 25. September 1968, 5 Ob 190/68.
I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin begehrte a) die Feststellung, daß ein seiner Lage nach näher beschriebenes Kellerabteil ihres Hauses in K., B.-Straße Nr. 4, in ihrem Eigentum stehe, und b) die Verurteilung der Beklagten zur Räumung und Übergabe dieses Kellerabteils an die Klägerin. Die Beklagten wendeten ein, den unter dem Haus der Klägerin gelegenen Keller beim Erwerb des benachbarten Hauses B.-Straße Nr. 6 mitgekauft zu haben und seither ausschließlich zu benützen. Das Kellerabteil sei sogar nur von ihrem Haus aus zugänglich. Der Vorbesitzer des Hauses der Beklagten habe den Keller schon seit Jahrzehnten ungestört benützt, die Beklagten seien daher durch Ersitzung Eigentümer des Kellers unter dem Haus der Klägerin geworden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es bejahte das rechtliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung, da diese über das gleichzeitig erhobene Leistungsbegehren hinausgehe, es gelangte jedoch in der Sache selbst zum Ergebnis, daß die Beklagten Eigentümer des strittigen Kellerabteiles seien. Im einzelnen stellte das Erstgericht fest: Die beiden einander benachbarten Häuser Nr. 4 und 6 standen zunächst im Alleineigentum des Georg G., bis dieser mit Kaufvertrag vom 8. Juli 1896 das Haus Nr. 6 seinem Sohn und dessen Ehefrau übergab. Damals wurde der verkaufte Teil von der Liegenschaft EZ. 195 des Georg G. abgeschrieben und hiefür eine neue Einlagezahl EZ. 794 eröffnet. In den Jahren 1902 bis 1910 waren beide Liegenschaften wiederum Alleineigentum des Georg G., seither stehen sie jedoch im Eigentum verschiedener Personen. Die Klägerin erwarb die Liegenschaft EZ. 195 mit dem Haus Nr. 4 auf Grund der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes W. vom
27. April 1959. die Beklagten erwarben die Liegenschaft EZ. 794 mit dem Haus Nr. 6 auf Grund eines Kaufvertrages vom 20. Oktober 1956 je zur Hälfte. Anläßlich der beiden Teilungen wurde hinsichtlich der unter beiden Häusern gelegenen Kellerräume keine besondere schriftliche Vereinbarung getroffen, die im Grundbuch durchgeführt worden wäre. Es wurde lediglich zwischen den Häusern eine Hofmauer errichtet. Die Kellerräume blieben damals unverändert. Nach den durch einen Augenschein, aber ohne Beiziehung eines Sachverständigen gewonnenen Feststellungen des Erstrichters ist das Haus der Klägerin Nr. 4 zur Gänze unterkellert, das Haus der Beklagten Nr. 6 ist etwa zu einem Drittel unterkellert. Aus dem Keller unter dem Haus Nr. 4 führen drei Lichtschächte nach außen, der Keller unter dem Haus Nr. 6 besitzt einen Lichtschacht. Beide Keller sind jeweils durch einen Kellerabgang von den beiden Häusern aus zugänglich. Zum Keller unter dem Haus der Klägerin gelangt man über 14 Stufen und einen abschüssigen Gang. Der eigentliche Keller besteht aus einem quadratischen Raum mit 3.70 m Seitenlänge. An diesen schließt ein weiterer kleiner Raum und daran ein 80 cm breiter gewölbter Gang für einen zweiten Kellerraum an, aus dem ein Mauerschacht nach oben führt. Im zuerst genannten Kellerraum befinden sich an der zum Haus Nr. 6 gelegenen Wand Gewölbebogen. Durch einen dieser Bogen führte seinerzeit ein noch erkennbarer 1 m hoher und 65 cm breiter Mauerdurchbruch, der aber jetzt zugemauert ist. Der Kellerabgang im Haus Nr. 6 ist durch eine Falltür verschlossen. Über 14 steile Stufen gelangt man in einen gewölbten Raum, von dem ein Durchbruch durch eine 1.10 m starke Mauer in einen weiteren 2.30 m hohen gewölbten Raum mit einer Grundfläche von 6.50 m X 2.30 m führt. Dieser Raum befindet sich zur Gänze innerhalb der Grundstücksgrenze des Hauses Nr. 4, er ist jedoch nur vom Haus Nr. 6 aus zugänglich. Dieser Raum ist Gegenstand der Klage. An der dem Haus Nr. 4 nächstgelegenen Mauer dieses Raumes ist der jetzt vermauerte Durchbruch gleichfalls zu sehen. Dieser Durchbruch wurde während des zweiten Weltkrieges aus luftschutztechnischen Gründen angelegt und erst längere Zeit nach Kriegsende aus privaten Gründen von Walter H., einem Mieter des Hauses Nr. 4, verkeilt. Schließlich wurde der Mauerdurchbruch etwa vor zwei Jahren von einem Bewohner des Hauses Nr. 6 ohne Widerspruch der Klägerin zugemauert. Im Jahr 1947 bezeichnete die Klägerin, deren Gatte damals Eigentümer des Hauses Nr. 4 war, dem Walter H. den verfügbaren Keller, ohne daß damals von dem hinter dem Mauerdurchbruch gelegenen und somit noch vom Haus Nr. 4 zugänglichen Raum die Rede war. Der strittige Raum wurde zu dieser Zeit weder von der Klägerin noch von ihren Rechtsvorgängern benützt. Vom Jahr 1950 bis 1961 verwendete Beatrix B., die zwar im Haus Nr. 6 wohnte, aber im Haus Nr. 4 Hausbesorgerarbeiten verrichtete, diesen Kellerraum mit Erlaubnis der Klägerin und als Teil ihres Hausbesorgerentgelts. Aus diesem Kellerraum führt ein Entlüftungsloch durch die Mauer des Hauses Nr. 4 ins Freie. Als die Beklagten dieses Entlüftungsloch zu einem Fenster vergrößern wollten, versagte die Klägerin ihre Zustimmung. Sie erfuhr erst damals, daß der strittige Kellerraum unter ihrem Haus liege und von den Beklagten benützt werde.
In rechtlicher Beziehung war das Erstgericht der Auffassung, daß an dem strittigen Kellerraum ein selbständiger Eigentumserwerb möglich gewesen sei, weil es sich hierbei um eine selbständige körperliche Sache handle, auf die das Gesetz vom 30. März 1879, RGBl. Nr. 50, keine Anwendung finde. Auch sonstige der (horizontalen) Teilung des Gebäudes entgegenstehende Vorschriften seien hier nicht anzuwenden. Wenn auch bei der Teilung der ursprünglich einheitlichen Liegenschaft keine ausdrückliche Vereinbarung über den nur vom Haus Nr. 6 aus zugänglichen Kellerraum getroffen worden sei, so liege es doch nahe, daß dieser Raum den Eigentümern des Hauses Nr. 6 zur Verfügung stehen sollte. Die jeweiligen Eigentümer des Hauses Nr. 4 hätten außer bei grober Unachtsamkeit die Lage des Kellers unter ihrem Haus erkennen müssen. Da der Besitz der Beklagten und ihrer Rechtsnachfolger am strittigen Kellerraum rechtmäßig, redlich und echt gewesen sei, wirke die dreißigjährige Ersitzungszeit, deren Lauf mit der Teilung der Liegenschaft im Jahr 1896, spätestens jedoch im Jahr 1910 begonnen habe, gegen die Klägerin und deren Rechtsnachfolger. Da die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger bis zum Verkauf des Hauses Nr. 6 an die Beklagten, jedenfalls aber bis zum Jahr 1950 ihr Eigentumsrecht an dem strittigen Kellerraum niemals geltend gemacht haben, sei die Ersitzungszeit zugunsten der Beklagten abgelaufen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Es war gleich dem Erstgericht der Auffassung, daß ein Kellerraum, der keine Verbindung zu dem darüber erbauten Haus habe, nicht als materieller Bestandteil dieses Hauses angesehen werden könne. Da dies beim strittigen Kellerraum zutreffe, habe dieser Keller selbständig und unabhängig von dem darüber gelegenen Haus Nr. 4 erworben werden können. Der vorübergehend hergestellte Durchbruch zum Keller des Hauses Nr. 4 sei ohne Bedeutung, weil er nur einem zeitlich begrenzten Zweck gedient habe und außerdem zur Zeit seiner Herstellung die Ersitzungszeit bereits abgelaufen gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob beide untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wie die Untergerichte zutreffend erkannten, hängt die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites von der Beantwortung der Frage ab, ob der strittige Keller als eine selbständige körperliche Sache angesehen werden kann oder ob es sich hierbei lediglich um einen (unterirdischen) Raum des Hauses Nr. 4 handelt. Während nach der herrschenden Lehre und Judikatur die unter fremdem Grund und Boden befindlichen Keller selbständige Rechtsobjekte sein können (vgl. EvBl. 1964 Nr. 260 und die dort zitierte Literatur und Rechtsprechung) kann gemäß § 1 des Gesetzes RGBl. Nr. 50/1879 seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in dessen Geltungsbereich an einzelnen Stockwerken oder Räumen eines Gebäudes, soweit nicht die Vorschriften über Stockwerks- oder Wohnungseigentum Platz greifen, was hier nicht der Fall ist, ein selbständiges Eigentumsrecht nicht erworben werden. Die festgestellte Tatsache, daß der strittige Kellerraum nur vom Haus Nr. 6 aus zugänglich ist, genügt für sich allein noch nicht, ihn als ein selbständiges Rechtsobjekt erkennen zu lassen. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Kellerraum unabhängig von dem darüber befindlichen Haus durch Ausschachtung gewonnen wurde oder ob er erst durch eine Verbindung der Fundamentsmauern des Hauses, allenfalls durch Einziehung eines Gewölbes in bereits vorhandene Teile des Hauses entstand. Dazu ist es von wesentlicher Bedeutung, ob und inwieweit Teile des strittigen Kellers über die Erdoberfläche hinausragen (vgl. EvBl. 1967 Nr. 265). Ob der vom Erstgericht beschriebene Entlüftungsschacht des Kellers als unselbständiger Bestandteil des letzteren angesehen werden kann, ist nach den bisherigen Feststellungen über seine Anlage noch nicht zu beurteilen. Es kann deshalb auch nicht gesagt werden, ob die Annahme des Berufungsgerichtes, daß der strittige Keller zur Gänze unterirdisch gelegen sei, mit den Feststellungen des Erstgerichtes im Widerspruch steht. Um die Sache abschließend beurteilen zu können, bedarf es daher der Feststellung, durch welche baulichen Maßnahmen der strittige Kellerraum geschaffen wurde, und in welcher Weise ein tatsächlicher Zusammenhang dieses Raumes mit dem Haus Nr. 4 besteht bzw. ob der strittige Keller über die Erdoberfläche hinausragt.
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