OGH 4Ob332/68

OGH4Ob332/6824.9.1968

SZ 41/116

 

 

Spruch:

Keine Festsetzung eines Befreiungsbetrages bei einer EV. auf Unterlassung der Benützung eines Zeitschriftentitels.

Verwechslungsgefahr durch ähnliche Zeitschriftentitel bei gleichem Gegenstand oder Leserkreis.

Entscheidung vom 24. September 1968, 4 Ob 332, 333/68.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

 

Begründung:

Das Erstgericht nahm als bescheinigt an, daß die Zeitschrift "Für Sie" von der klagenden Partei und die Zeitschrift "SIE" von der erstbeklagten Partei herausgegeben werde. Die Zeitschrift "Für Sie" enthalte modische Bilder und Mitteilungen, Einkaufsberatung, Kochrezepte, Kosmetik, Probleme der Gesundheit und der Kindererziehung, einen Unterhaltungsteil und die üblichen diese Themen betreffenden Inserate. Die Zeitschrift "SIE" habe im wesentlichen den gleichen Inhalt. Auch der Leserkreis sei gleich. Das Erstgericht war der Rechtsansicht, daß die Titel beider Zeitschriften verwechselbar ähnlich seien. Es erließ daher nachstehende Einstweilige Verfügung:

"Zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei X-Verlag Ges.m.b.H. gegen die Gegner der gefährdeten Parteien 1. Y Zeitschriftenverlag Ges.m.b.H. und 2. K. M., Geschäftsführer, wegen Unterlassung des Gebrauches des Titels "SIE" für die im Y-Verlag in England gedruckte Monatszeitschrift "SIE", wird den Gegnern der gefährdeten Partei ab sofort verboten, den Titel "SIE" für die von der Erstgegnerin der gefährdeten Partei herausgegebene Monatszeitschrift "SIE" zu gebrauchen.

Die Einstweilige Verfügung wird für die Zeit, bis die gefährdete Partei ihren Anspruch auf Zwangsvollstreckung oder Exekution zur Sicherstellung geltend machen kann, bewilligt, längstens jedoch bis 31. Dezember 1969.

Der gefährdeten Partei wird aufgetragen, für alle ihrem Gegner dadurch verursachten Nachteile durch einen gerichtlichen Erlag von 10.000 S Sicherheit zu leisten.

Dieser Beschluß wird dem Gegner der gefährdeten Partei erst nach Erlag der Sicherheit zugestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt wird, das Verbot wirksam.

Die Gegner der gefährdeten Partei haben diesem Verbot sofort nach Zustellung zu entsprechen.

Die Einstweilige Verfügung wird nicht vollzogen und die schon vollzogene Verfügung auf Antrag der Gegner der gefährdeten Partei aufgehoben werden, wenn diese den Betrag von 10.000 S zu Gericht erlegen."

Gegen diese Einstweilige Verfügung erhoben die Gegner der gefährdeten Partei Rekurs.

Dem Rechtsmittel wurde vom Rekursgericht dahin Folge gegeben, daß der Antrag der gefährdeten Partei auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde. Das Rekursgericht vertrat die Rechtsansicht, daß auch dem Titel einer Zeitschrift oder einer Zeitung der Schutz nach § 80 UrhRG. zukomme. Allerdings müsse beachtet werden, daß bei Zeitungstiteln schon geringe Abweichungen die Gefahr einer Verwechslung ausschlössen. Das Publikum habe sich daran gewöhnt, hier auch kleine Unterschiede zu beachten. Deshalb seien gleichklingende Titel zweier Zeitungen bei Verschiedenheit des Herkunftslandes, der Aufmachung, des Preises, des Verbrauchsgebietes oder des Leserkreises nicht verwechselbar. Im vorliegenden Falle komme vor allem dem Größenunterschied der beiden Zeitungen Bedeutung zu, der auch bei oberflächlichster Betrachtung nicht übersehen werden könne. Auch werde jeder Käufer durch den Preis (8 S gegen 5 S) auf einen eventuellen Irrtum aufmerksam. Überdies bestehe zwischen den beiden Heften auch im Umfang und im Gewicht ein fühlbarer Unterschied. Schließlich wiesen auch der Text des Titels, dessen Gestaltung und die hiebei verwendete Schrift erhebliche und sofort in die Augen springende Unterschiede auf. Mangels Verwechslungsgefahr lägen die Voraussetzungen des § 80 UrhRG. nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei Folge und stellte die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wieder her, jedoch mit Ausnahme des letzten Absatzes, der zu entfallen hatte.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 80 (1) UrhRG., auf welche Gesetzesstelle sich die gefährdete Partei stützt, darf im geschäftlichen Verkehr weder der Titel oder die sonstige Bezeichnung eines Werkes der Literatur oder Kunst noch die äußere Ausstattung von Werkstücken für ein anderes Werk auf eine Weise verwendet werden, die geeignet ist, Verwechslungen hervorzurufen. Eine Zeitschrift wie die der gefährdeten Partei ist ein Sammelwerk im Sinne des § 6 UrhRG. Ihr Titel genießt daher im Rahmen des § 80 (1) UrhRG. Schutz gegen andere Titel, die geeignet sind, Verwechslungen mit der Zeitschrift der gefährdeten Partei hervorzurufen.

Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr kommt es in erster Linie darauf an, ob die Titel zu Verwechslungen Anlaß geben. Verwechslungsgefahr wird auch bei Übereinstimmung der Titel fehlen, wenn Leserkreis oder Gegenstand der Zeitschrift verschieden sind. Sind aber Leserkreis oder Gegenstand des Werkes gleich, so kann auch eine bloße Ähnlichkeit der Titel Verwechslungsgefahr herbeiführen (Rintelen, Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, S. 210).

Der Zeitschriftentitel "Für Sie" ist nicht eine bloße Gattungsbezeichnung und bewirkt daher, daß die Frauenzeitschrift der gefährdeten Partei beim Publikum Kennzeichnungskraft besitzt. Daß im gegenständlichen Falle Gegenstand der beiden Zeitschriften und Leserkreis gleich sind, kann nicht ernstlich bestritten werden, auch wenn es zutreffen sollte, daß die Zeitschrift der Antragsgegner in Supermärkten verkauft wird.

Es ist zwar richtig, daß die Rechtsprechung (so z. B. GR. 1968 S. 68) den Standpunkt vertreten hat, daß die Verwechslungsgefahr bei Zeitungstiteln im allgemeinen gering ist und daß schon kleine Abweichungen der Titel die Gefahr von Verwechslungen ausschließen können, weil sich das Publikum selbst bei akustischem Gleichklang oder bei Verkehrsgeltung eines Kurztitels daran gewöhnt hat, auch kleine Unterschiede zwischen den Zeitungstiteln zu beachten. Allein hier handelt es sich nicht um landläufige Zeitungstitel wie im Falle GR. 1968 S. 68 ("Neue Zeitung" gegen "Unabhängige Sankt Pöltner Neue Zeitung"), sondern um einen Titel, der eine gewisse Eigenart aufweist und von dem das Erstgericht annimmt, daß er Verkehrsgeltung erlangt habe. Wenn das Rekursgericht die Verwechslungsgefahr wegen des Größenunterschiedes der beiden Zeitschriften ausschließt, übersieht es, daß Zeitschriften in Zeitungskiosken meist in großen Stößen herumliegen und daher die Formate der hier strittigen Zeitschriften nicht ohne weiteres vom Käufer verglichen werden können. Gleiches gilt hinsichtlich der Stärke der beiden Zeitschriften. Ein flüchtiger Käufer kann den Unterschied in Größe, Stärke und Preis der beiden Zeitschriften leicht übersehen. Daß verschiedene Schriftgattungen für den Titel verwendet wurden, ist richtig, aber der Titel ist auf beiden Zeitschriften links oben in einem roten Rechteck angebracht, was gleichfalls zu Verwechslungen Anlaß geben kann. Dazu kommt noch die außerordentliche Ähnlichkeit der beiden Titel im akustischen Bereich. Der Oberste Gerichtshof ist gleich dem Erstgericht der Rechtsansicht, daß Verwechslungsgefahr vorliegt.

Die Einstweilige Verfügung des Erstgerichtes war daher wiederherzustellen. Nicht wiederherzustellen war aber deren letzter Absatz. Nach § 391 (1) letzter Satz EO. ist in der Einstweiligen Verfügung, sofern dies nach Beschaffenheit des Falles zur Sicherheit des Antragstellers genügt, ein Geldbetrag festzustellen, durch dessen gerichtliche Hinterlegung die Vollziehung der bewilligten Verfügung gehemmt und der Gegner der gefährdeten Partei zu dem Antrage auf Aufhebung der bereits vollzogenen Verfügung berechtigt wird.

Voraussetzung eines solchen Anspruches nach § 391 (1) letzter Satz EO. ist daher, daß der Gelderlag zur Sicherung des Antragstellers genügt. Hier wird die Sicherung eines Anspruches auf Unterlassung des Zeitschriftentitels "SIE" verlangt. Dieser über einen Schadenersatzanspruch hinausgehende Anspruch kann durch Gelderlag nicht gesichert werden, sondern nur durch das einstweilige Verbot des Gebrauches dieses Titels.

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