Normen
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII
ZPO §411
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII
ZPO §411
Spruch:
Die Unvereinbarkeit des Spruches des Vorurteils mit dem neu gestellten Begehren genügt nicht zur Feststellung der Identität der erhobenen Ansprüche.
Wenn aus dem gleichen Rechtsverhältnis und dem gleichen Tatbestand ein weiterer Anspruch erhoben wird, der bisher noch nicht geltend gemacht wurde, kann dieser Klage die Einrede der entschiedenen Sache nicht entgegengehalten werden.
Entscheidung vom 4. September 1968, 5 Ob 143/68.
I. Instanz; Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Mit der am 4. März 1967 zu 15 Cg .../67 des Handelsgerichtes Wien eingebrachten Klage begehrten die Klägerinnen, die Beklagte zur ordnungsgemäßen Rechnungslegung über den Ausbau des Brauhofes M. sowie über die Ausstattung des Festsaales und sämtlicher Restaurationsräume dieses Brauhofes, insbesondere zur Ergänzung der Rechnung vom 16. Dezember 1964 durch bestimmte Anführung der einzelnen erbrachten Leistungen, sowie durch Vorlage der dazu gehörigen Rechnungsbelege zu verurteilen. Dieses Begehren war auf die Behauptung gestützt, daß die Beklagte im Auftrag der Klägerinnen als Generalunternehmerin den Ausbau des Brauhofes M. durchgeführt und nach Durchführung darüber die Rechnung vom 16. Dezember 1964 über einen Betrag von 9.542.700 S gelegt und schließlich den Rechnungsbetrag bezahlt erhalten habe. Die Rechnung enthalte aber lediglich Globalbeträge und genüge nicht zur Überprüfung der erbrachten und verrechneten Leistungen. Deshalb sei die Gebarung der Klägerinnen vom Rechnungshof beanstandet worden. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur Vorlage einer entsprechend belegten Rechnung trotz wiederholter Mahnungen nicht nachgekommen. Über diese Klage erging gegen die Beklagte das rechtskräftig gewordene Versäumungsurteil vom 24. März 1967. Auf Grund dieses Versäumungsurteiles führten die Klägerinnen in der Folge gegen die Beklagte Exekution nach § 354 EO. Im Sinne des rechtskräftig gewordenen Exekutionsbeschlusses wurde der Beklagten aufgetragen, eine Reihe bestimmt bezeichneter Belege vorzulegen und über weitere bestimmte Leistungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen.
Mit der am 12. Dezember 1967 zu 26 Cg .../67 des Erstgerichtes eingebrachten Klage begehrten die Klägerinnen die Beklagte schuldig zu erkennen a) unter Vorlage aller Belege zu den einzelnen Posten der Rechnung vom 16. Dezember 1964 betreffend den Ausbau des Brauhofes M., insoweit diese Unterlagen noch nicht ausgefolgt wurden, einen Eid dahin zu leisten, daß ihre Angaben richtig und vollständig sind, b) den Klägerinnen zur ungeteilten Hand den Schaden zu ersetzen "bzw. herauszugeben, womit sie ungerechtfertigt bereichert ist" und c) den Klägerinnen die Prozeßkosten zu ersetzen. Dieses Begehren wurde nach Darstellung der Vorgeschichte wie in der Klage zu 15 Cg .../67 des Handelsgerichtes Wien im wesentlichen auf die Behauptung gestützt, daß sich aus den von der Beklagten bisher vorgelegten Unterlagen und Belegen in hohem Maße die Wahrscheinlichkeit einer falschen Rechnungslegung ergebe und die Vermutung gerechtfertigt sei, "daß die Beklagte den Klägerinnen zum Schadenersatz bzw. zur Herausgabe des ungerechtfertigten Nutzens verpflichtet sei". Zur Begründung dieser Behauptung wird in der Klage eine Reihe von angeblichen Mängeln und Fehlern der vorgelegten Rechnungen der Beklagten angeführt.
Das Erstgericht gab der von der Beklagten erhobenen Einrede der entschiedenen Streitsache Folge und wies die Klage zurück. Das Erstgericht war der Ansicht, daß ein abstraktes Eidesbegehren nicht zulässig sei. Das Begehren auf Eidesleistung könne nur mit einem Begehren auf Rechnungslegung verbunden werden, über die Verpflichtung der Beklagten zur Rechnungslegung sei aber bereits mit Versäumungsurteil vom 24. März 1967 zu 15 Cg .../67 rechtskräftig abgesprochen worden. Aus der Verpflichtung der Beklagten zur Rechnungslegung könnten die Klägerinnen überdies noch keinen Anspruch auf Vorlage der dazu gehörigen Belege ableiten. Der nach Art. XLII EGzZPO. zulässige Vorgehalt der Bezifferung des Leistungsanspruches setze ein Rechnungslegungsbegehren voraus, das diesfalls fehle. Es sei daher auch das unbezifferte Leistungsbegehren unzulässig.
Zufolge Rekurses der Klägerinnen hob die zweite Instanz diesen Beschluß auf. Unter Verwerfung der Einrede der entschiedenen Streitsache wurde dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund (d. i. wegen entschiedener Streitsache) aufgetragen. Eine Klage könnte wegen entschiedener Streitsache nur zurückgewiesen werden, wenn über das gleiche Begehren bereits abgesprochen worden sei. Dies treffe hier nicht zu. Nach dem Versäumungsurteil vom 24. März 1967 sei die Beklagte zur Rechnungslegung verurteilt, wobei sich der Anspruch der Klägerinnen auf Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes stütze, während nunmehr Eidesleistungen der Beklagten nach Art. XLII des EGzZPO. mit der Begründung verlangt würden, daß die bisher gelegte Rechnung inhaltlich falsch gewesen sei. Damit sei aber auch hinsichtlich des Zahlungsbegehrens die Stufenklage zulässig.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nur dann wenn über den nämlichen Anspruch (oder dessen Negation) bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, steht die Rechtskraft dieser Entscheidung der neuerlichen Geltendmachung dieses Anspruches (oder seiner neuerlichen Negierung) entgegen. Ein lediglich quantitativer Unterschied der Begehren schließt deren Identität freilich nicht aus. Wenn jedoch aus dem gleichen Rechtsverhältnis und gleichen Tatbestand ein weiterer Anspruch erhoben wird, der bisher noch nicht geltend gemacht wurde, so kann dieser Klage die Einrede der entschiedenen Sache nicht entgegengehalten werden (Fasching Komm. III S. 702 ff., GlUNF. 4723, JBl. 1928 S. 225, SZ. XXII 190 u. a.). Im vorliegenden Fall ergibt nun bereits der Vergleich des Wortlautes des Versäumungsurteiles vom 24. März 1967 zu 15 Cg .../67 des Handelsgerichtes Wien mit dem Wortlaut des Begehrens der nunmehr erhobenen Klage, daß es sich bei letzerer nicht um den nämlichen Anspruch handelt, über den bereits abgesprochen wurde, denn seinerzeit wurde die Rechnungslegung und Vorlage gewisser Belege verlangt und zugesprochen, während nunmehr
a) die Beeidigung der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser und weiterer Belege und Angaben und b) Schadenersatz bzw. Rückzahlung geleisteter Beträge begehrt wird, wobei sich die Klägerinnen die Bezifferung dieser Ansprüche noch vorbehielten. Wie bereits wiederholt ausgesprochen wurde, sind wohl die Gründe einer Entscheidung für die Auslegung der Tragweite des Spruches heranzuziehen (vgl. SZ. XXV 121, EvBl. 1951 Nr. 192), im vorliegenden Falle bedarf es jedoch keiner Auslegung des Spruches des Erstgerichtes, da sich der Inhalt seiner Entscheidung aus dem Wortlaut des Spruches eindeutig ergibt, nämlich, daß die Zurückweisung der vorliegenden Klage ausschließlich wegen entschiedener Streitsache erfolgte. Die im Vorverfahren entschiedene Hauptfrage, nämlich ob den Klägerinnen ein Anspruch auf Rechnungslegung zusteht, ist im nunmehrigen Prozeß bloß Vorfrage, was aber keineswegs die Einrede der entschiedenen Streitsache rechtfertigt (vgl. ZBl. 1937 Nr. 85). Allerdings hätte ein abweisliches Urteil im Vorprozeß dem vorliegenden Begehren den Boden entzogen. Dies ist jedoch stets der Fall, wenn über eine Vorfrage abgesondert und im negativen Sinne entschieden wurde, etwa bei, getrennter Prozeßführung einerseits auf Feststellung der außerehelichen Vaterschaft und andererseits auf Leistung des Unterhaltes. Es leuchtet ohneweiteres ein, daß in einem solchen Fall von einer Streitanhängigkeit oder, wenn das Urteil im Feststellungsprozeß bereits rechtskräftig wurde, von einer entschiedenen Streitsache nicht die Rede sein kann und daß im Falle einer parallelen Prozeßführung die Vorschrift des § 190 ZPO. einen ausreichenden Schutz vor einander widersprechenden Entscheidungen bietet. Die mangelnde Nämlichkeit der Begehren im Vorprozeß ergibt sich aber auch aus der Überlegung, daß ein die nunmehrige Klage abweisendes Urteil keinesfalls im Widerspruch zum Versäumungsurteil vom 24. März 1967 stunde, wobei allerdings noch zu beachten ist, daß die Unvereinbarkeit des Spruches des Urteiles im Vorprozeß mit dem neu gestellten Begehren für sich allein noch nicht zur Feststellung der Identität der erhobenen Ansprüche genügen würde (vgl. Fasching a. a.O.). Die Vereinbarkeit eines das vorliegende Klagebegehren abweisenden Urteiles mit dem bereits rechtskräftigen stattgebenden Versäumungsurteil macht jedoch die mangelnde Identität der den beiden Klagen zugrunde liegenden Ansprüche deutlich.
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