OGH 6Ob171/68

OGH6Ob171/6817.7.1968

SZ 41/96

Normen

Mietengesetz §19 (2) Z10
Mietengesetz §19 (2) Z10

 

Spruch:

Durch die Textänderung des § 19 (2) Z. 10 MietG. auf Grund des MietrechtsänderungsG. 1067 ist keine Änderung der Rechtslage eingetreten.

Entscheidung vom 17. Juli 1968, 6 Ob 171/68.

I. Instanz: Bezirksgericht Hollabrunn; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.

Text

Die Klägerinnen kundigen als Hausbesitzer der Beklagten des im Hause H.-platz Nr. 4 in H. gemietete Geschäftslokal (Gemischtwarenhandlung) zum 30. Juni 1968 aus dem Gründe des § 19

(2) Z. 10 MietG. in der Fassung des Mietrechtsänderungsgesetzes und führen hiezu aus, die Mieterin habe den Mietgegenstand ganz weitergegeben und benötige ihn offenbar in naher Zeit nicht für sich oder eintrittsberechtigte Personen. Es handle sich um einen Fall der Weitergabe der Geschäftsräume im Zuge der Veräußerung des Unternehmens, welcher Tatbestand durch das Mietrechtsänderungsgesetz seit 1. Jänner 1968 einen Kündigungsgrund darstelle, weshalb die längere Kenntnis des Sachverhaltes kein Kündigungshindernis bilde.

Die Beklagte beantragt die Aufhebung der Kündigung und bringt vor, sie habe ihr Gemischtwarenkleinhandelsgeschäft, welches im aufgekundigten Geschäftslokal etabliert sei, an die prot. Firma Walter B., Groß- und Kleinhandel in H., verkauft, welche in den gleichen Räumen seit 1. Februar 1965 ein Gemischtwarenkleinhandelsgeschäft im gleichen Umfange weiterführe. Die Beklagte bestreitet ihre Passivlegitimation für die vorliegende Aufkündigung. Des weiteren wendet sie ein, es sei durch die vorbehaltlose Annahme des Mietzinses durch die Klägerinnen das anfänglich gespaltene Schuldverhältnis in ein direktes Hauptmietverhältnis zwischen den Klägerinnen und der prot. Firma Walter B. umgestaltet worden. Im übrigen tritt die Beklagte der Auslegung des Mietrechtsänderungsgesetzes durch die Klägerinnen entgegen.

Das Erstgericht hob die Kündigung aus rechtlichen Erwägungen auf und es wies das Räumungsbegehren der Klägerinnen ab. Dabei ging es im wesentlichen von der Erwägung aus, daß die Änderung des Gesetzeswortlautes zu § 19 (2) Z. 10 MietG. nämlich des Ausdruckes "weitervermietet" in "weitergegeben" keine Änderung der grundsätzlichen Erwägungen der bisherigen Rechtsprechung bewirkt habe. Auch auf Grund des neuen Gesetzeswortlautes sei der Kündigungsgrund dann nicht gegeben, wenn die Weitergabe der Geschäftsräume nicht das selbständige wirtschaftliche Ziel des Gekundigten sei, sondern sich notwendig aus der Unternehmensveräußerung ergeben habe.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und es ließ zugleich die Revision zu. Das Berufungsgericht trat der Rechtsansicht des Erstgerichtes bei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerinnen stützen ihre Kündigung ausschließlich auf den Gedanken, es sei durch die Textänderung zu § 19 (2) Z. 10 MietG. durch das Mietrechtsänderungsgesetz zu ihren Gunsten eine Änderung der Rechtslage eingetreten und es habe sich ab 1. Jänner 1968 erstmalig die rechtliche Möglichkeit eröffnet, eine Kündigung nach der bezogenen Gesetzesstelle auf Grund der schon vor Jahren erfolgten Unternehmensveräußerung durch die Beklagte zu erheben. In Übereinstimmung mit den Untergerichten muß diese Ansicht abgelehnt werden.

Vor allem trifft es nicht zu, daß durch das Mietrechtsänderungsgesetz der Gesetzgeber zu dem in Frage stehenden Kündigungsgrund zwei neue Begriffe eingeführt habe, nämlich die Weitergabe und das Interesse eintrittsberechtigter Personen.

Im vorliegenden Fall erhebt sich vorzugsweise die Frage, ob der Ausdruck "weitergegeben" von dem bisherigen Ausdruck "weitervermietet" begrifflich verschieden ist. Dies ist im Ergebnis zu verneinen, weil nach der ständigen Spruchpraxis vor Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes (MietSlg. 15.353, 16.378, 18.423 u. v. a.) unter einer Weitervermietung im Sinne des alten Gesetzestextes bereits jede Art der entgeltlichen oder unentgeltlichen Überlassung eines Bestandobjektes an Dritte zu verstehen war. Der im Gesetz verwendete Begriff "Weitervermietung" umfaßte daher schon damals nicht nur eine Vermietung, sondern jede Art der entgeltlichen oder unentgeltlichen Überlassung des Bestandobjektes (Sobalik, RiZ. 1968 S. 79). Das Mietrechtsänderungsgesetz hat also die von der Judikatur herausgearbeitete bisherige Rechtslage durch die Textänderung nur klarer zum Ausdruck gebracht, ohne die Rechtslage inhaltlich zu ändern. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus den Amtlichen Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Mietrechtsänderungsgesetz. Die bei Limbek - Ruttar "Das Mietengesetz" II. Teil S. 96 ff. vertretene gegenteilige Auffassung, die von der Voraussetzung der Einführung zweier neuer Begriffe ausgeht, kann daher nicht geteilt werden, weil nicht eine begriffliche, sondern nur eine textliche Änderung bei unveränderter Regelung des Gegenstandes stattgefunden hat. Dies gilt auch für die Einfügung der eintrittsberechtigten Personen in den Gesetzestext. Wie Sobalik a.a.O. diesbezüglich überzeugend ausführt, ist auch insoweit keine neue Rechtslage entstanden. Der Gesetzgeber hat eine Neufassung der Kündigungsgrunde des § 19 (2) Z. 10, 11 und 13 MietG. vorgenommen. Dem Bedarf des Mieters sollte der Bedarf der eintrittsberechtigten Personen gleichgestellt werden. Da die Veräußerung eines Unternehmens keine Weitergabe des Mietgegenstandes darstellt, weil dieser nur ein Adnex des Unternehmens ist, kann auch aus der Anführung der eintrittsberechtigten Personen in § 19 (2) Z. 10 MietG. nicht abgeleitet werden, daß die Unternehmensveräußerung einen Kündigungsgrund darstellt.

Unverändert ist der Kündigungsgrund des ersten Falles des § 19 (2) Z. 10 MietG. dann gegeben, wenn die selbständige Ausnützung des Bestandrechtes im Vordergrund steht (MietSlg. Nr. 15.371, 15.372, 17.462 u. a.). An der rechtmäßigen freien Verwertung seines Unternehmens, zu welchem die Mietrechte nur ein Zubehör darstellen, kann auch nach der Neufassung des Gesetzestextes der Mieter von Geschäftsräumen nicht gehindert werden (Zingher, "Das Mietengesetz" S. 128; Czech - Michlmayr, "Das neue Mietrecht" II. Teil S. 44 f.; Sobalik a.a.O.).

Der rechtliche Gedanke, auf den die Klägerinnen einzig und allein ihre Kündigung grunden, hält somit einer Überprüfung nicht stand, weshalb die Untergerichte mit Recht die Kündigung aufgehoben haben.

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