OGH 8Ob173/68

OGH8Ob173/682.7.1968

SZ 41/87

Normen

ABGB §1313a
ABGB §1325
ZPO §226
ZPO §272
ZPO §357
ABGB §1313a
ABGB §1325
ZPO §226
ZPO §272
ZPO §357

 

Spruch:

Der Krankenhaus-Unternehmer haftet gemäß § 1313a ABGB. für seine, der von einer Patientin beigezogene Hebamme Hilfsdienste leistenden Angestellten.

Zum Schmerzengeldanspruch eines Säuglings.

Fragen an den Sachverständigen können Prozeßbehauptungen nicht ersetzen.

Entscheidung vom 2. Juli 1968, 8 Ob 173/68.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 88.483 S s. A. aus dem Titel des Schadenersatzes, u. zw. für

a) Schmerzengeld 40.000 S,

b) Entschädigung für Verunstaltung 25.000 S,

c) Aufenthaltskosten im Krankenhaus Sch. 9483 S,

d) Pflegekosten für die Zeit vom 29. April bis 30. November 1966 7000 S,

e) Fahrspesen 7000 S.

Ferner begehrt der Kläger die Feststellung, daß der Beklagte ihm für alle Schäden hafte, die der Kläger durch die Verbrennung bei seiner Geburt am 30. Jänner 1965 erlitten habe und erleide.

Das Erstgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 56.000 S samt 4% Zinsen seit 1. Oktober 1966 verurteilt und festgestellt, daß der Beklagte dem Kläger für alle zukünftigen Schäden aus den bei seiner Geburt am 30. Jänner 1965 erlittenen Verbrennungen hafte. Das Mehrbegehren auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von weiteren 32.483 S samt 4% Zinsen seit 1. Oktober 1966 und das Feststellungsbegehren, daß der Beklagte auch für Schäden aus der Verbrennung, die der Kläger erlitten habe, hafte, wurden vom Erstgericht abgewiesen.

Das Erstgericht ist von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen:

Der Kläger sei am 30. Jänner 1965 im Sanatorium des Beklagten, das die Mutter des Klägers zur Entbindung aufgesucht habe, geboren worden. Zur Entbindung sei von der Mutter des Klägers die Hebamme Amalie Schn. beigezogen worden, der wieder von der Dipl.-Schwester Grete St. und von Marie W., beide Angestellte des Sanatoriums, Hilfe geleistet worden sei, bzw. der die Genannten zur Seite gestanden seien. Da sich gleich nach der Geburt des Klägers herausgestellt habe, daß er nicht atme und eine blaue Färbung habe, sei der Kläger über Anordnung der Hebamme Schn. durch eine mit heißem Wasser gefüllte Wärmflasche aufgewärmt worden. Schon nach ein paar Minuten habe die Hebamme festgestellt, daß sich auf dem Rücken des Klägers Blasen gebildet hätten. Sie habe die mit zu heißem Wasser gefüllte Wärmflasche sofort beseitigt. Die Hebamme sei während der Aufwärmung des Klägers mit dessen Mutter beschäftigt gewesen. Die Wärmflasche sei von der Hilfsschwester Marie W. mit zu heißem Wasser gefüllt und von der Dipl.- Krankenschwester Grete St. unter den Kläger gelegt worden. Der Kläger sei dann in die Kinderabteilung des Krankenhauses in Sch. gebracht worden, wo festgestellt worden sei, daß der Kläger eine Blausucht habe und nur oberflächlich und unregelmäßig atme. Am Rücken und am Gesäß des Klägers sei eine Verbrennung 2. und 3. Grades in der Größe eines Handtellers vorhanden gewesen. Es seien alle Maßnahmen getroffen worden, um eine ordentliche Atmung zu erreichen, was dann auch gelungen sei. In der Folge sei es zu einer lokalen Eiterung im Bereich des Rückens und des Gesäßes gekommen, weshalb der Kläger aus dem Brutkasten habe genommen werden müssen. Durch die Hitzeeinwirkung des Brutkastens sei die lokale Eiterung begünstigt worden. Beim Kläger sei von Anfang an eine durch Eintritt des Fruchtwassers in die Lunge verursachte Lungenentzundung (Aspirationspneumonie) vorhanden gewesen. In der weiteren Folge seien die durch die Verbrennung dritten Grades betroffenen Hautpartien nekrotisch geworden. Die Nekrose sei langsam zur Abhebung gebracht worden, sodaß schon am 14. März 1965 eine ausgedehnte granulierende Wunde mit reichlicher Eiterabsonderung vorhanden gewesen sei. Inzwischen sei es dann auch noch zum Einwachsen von Epithelgewebe gekommen, sodaß sich die Granulationsfläche immer mehr verkleinert habe. Am 27. April 1965 sei die Entlassung des Klägers aus dem Krankenhaus erfolgt, wobei noch immer einzelne offene Stellen vorhanden gewesen seien. Bei der am 29. November 1966 vom Sachverständigen Dr. M. vorgenommenen Untersuchung des Klägers hätte sich über dem Kreuzbein und dessen Umgebung eine 9:10 cm große breite Narbe und eine kleinhandtellergroße, rote, strahlige Narbe ober der linken Gesäßbacke gezeigt. An der rechten Seite habe sich eine 1:2 cm breite Narbe mit strahligen Veränderungen befunden, die sich bis 3 cm oberhalb des Afters hingezogen habe. An der Außenseite des linken Oberschenkels sei eine 3.5:2 cm große strahlige Narbe gewesen, durch deren Mitte ein derber Strang ziehe. Alle diese Narben seien derb und wenig verschiebbar gewesen. An der linken Körperhälfte sei in der hinteren Achselhöhlenlinie eine ganze Reihe von hellen Flecken gewesen, die zum Teil ganz zart, zum Teil auch etwas derb seien. Der größte Fleck habe sich an der Spitze des linken Schulterblattes befunden. Alle diese Veränderungen seien Folgen einer Verbrennung ausgedehnten Maßes zweiten und dritten Grades. Der Kläger sei durch die erlittenen Verbrennungen und deren Folgen, nämlich durch die Narbenverhältnisse im Bereiche des Kreuzbeines und der unteren Wirbelsäule, die auch nach einer Plastikoperation in gewissem Maße zurückbleiben würden, entstellt. Der Kläger werde vielleicht gewisse Berufe nicht ergreifen können und in seinem Fortkommen behindert sein. Mit den Verbrennungen seien durch 20 Tage starke, durch 30 Tage mittelstarke und durch 80 Tage leichte und abklingende Schmerzen verbunden gewesen. Durch den Krankenhausaufenthalt seien dem Kläger Kosten von 9438 S und Pflegekosten und Fahrtspesen von zusammen 14.000 S erwachsen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Beklagte nach § 1313a ABGB. für das Verschulden einer seiner Angestellten hafte, welche die zu heiße Wärmflasche zum Kläger gelegt habe, sodaß dieser Verbrennungen mit den angeführten Folgen erlitten habe. Das Schmerzengeld sei mit 25.000 S und die Entschädigung für die Verunstaltung mit 10.000 S angemessen. Ebenso müsse der Beklagte dem Kläger den Betrag von 14.000 S für Fahrt- und Pflegekosten, außerdem 7000 S an anteilsmäßigen Kosten des Krankenhausaufenthaltes ersetzen. Das Feststellungsbegehren über die Haftung für zukünftige Schäden sei begrundet, da die Notwendigkeit späterer plastischer oder kosmetischer Operationen nicht auszuschließen sei. Hingegen sei das Begehren, die Haftung des Beklagten für Schäden aus der Vergangenheit festzustellen, abzuweisen gewesen, da hiefür eine Leistungsklage zur Verfügung stehe.

Das Berufungsgericht hat das hinsichtlich der Abweisung des Betrages von 7483 S (5000 S für Schmerzengeld, 2483 S für Kosten des Krankenhausaufenthaltes) und hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsbegehrens, soweit sich dieses auf die Haftung des Beklagten für bereits erlittene Schäden aus der Verbrennung bezog, in Rechtskraft erwachsene Ersturteil hinsichtlich des Zuspruches von 39.000 S (25.000 S Schmerzengeld, 7000 S Fahrtkosten, 7000 S Pflegekosten) und der Stattgebung des Feststellungsbegehrens bestätigt, im übrigen, d. i. hinsichtlich der Abweisung des Betrages von 25.000 S (10.000 S Schmerzengeld, 15.000 S Entschädigung für Verunstaltung) und des Zuspruches von 17.000 S (7000 S Kosten des Krankenhausaufenthaltes, 10.000 S Entschädigung für Verunstaltung) unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes aufgehoben. Das Berufungsgericht hat die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes übernommen und auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes gebilligt, daß der Beklagte für das Verschulden seiner Angestellten hafte und mindestens das Schmerzengeld von 25.000 S angemessen sei. Es hat es jedoch als erforderlich erachtet, die Einwendung des Beklagten, daß die Mutter des Klägers Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung für den Kläger als Mitversicherten gemäß § 123 ASVG. habe und daß der schlechte Allgemeinzustand des Klägers den zugesprochenen Entschädigungsbetrag für Verunstaltung in der Höhe von 10.000 S nicht gerechtfertigt erscheinen lasse, näher zu prüfen. Außerdem habe das Erstgericht bei Ausmittlung des Schmerzengeldes auf allenfalls entstandene seelische Schmerzen oder in Zukunft zu erduldende seelische Schmerzen nicht Bedacht genommen, sodaß sich die Rechtssache in Bezug auf den den zugesprochenen Betrag von 25.000 S übersteigenden Schmerzengeldanspruch noch nicht einwandfrei beurteilen lasse. Ebenso sei nicht geklärt, inwieweit die Verunstaltung nach außen in Erscheinung trete oder in Zukunft in Erscheinung treten werde und welche Berufe der Kläger allenfalls infolge der durch die Narben verursachten Verunstaltung nicht werde ausüben können.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich der Beklagte dagegen, daß das Berufungsgericht bei der Bemessung des Schmerzengeldes das Alter und die cerebrale Störung des Klägers nicht berücksichtigt habe. Zum ersten Einwand hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß der Sachverständige Dozent Dr. M. bei Ausmittlung der Schmerzperioden diesem Umstand ohnedies Rechnung getragen habe. Das Berufungsgericht hat sich also mit diesem Einwand befaßt, sein Ergebnis gibt zu Bedenken nicht Anlaß. Zum zweiten Einwand hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Beklagte habe in erster Instanz nicht behauptet, daß die Schmerzempfindlichkeit des Klägers durch die cerebralen Störungen völlig aufgehoben oder weitgehend herabgesetzt gewesen sei. Der Beklagte meint nun, er habe eine diesbezügliche klare Frage an den Sachverständigen Dr. M. gerichtet und darin liege implicite die vom Berufungsgericht vermißte Behauptung. Im übrigen sei in seiner allgemeinen Bestreitung des Klagebegehrens auch der Einwand einer Schmerzunempfindlichkeit cerebral gestörter Kinder enthalten. Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden. Die allgemeine Bestreitung des Klagebegehrens und damit auch der Berechtigung des Schmerzengeldanspruches hat nur zur Folge, daß der Kläger die Behauptungen, auf die er sein Klagebegehren stützte, hier also die Schmerzen verursachende Verletzung des Klägers und das Verschulden des Beklagten, bzw. dessen Erfüllungsgehilfen, beweisen muß. Wenn der Beklagte der Ansicht war, daß der Anspruch des Klägers trotz des Vorliegens dieser Umstände aus einem besonderen Gründe ausgeschlossen sei, dann hätte er diesen Grund behaupten müssen. Daß dies von Seite des Beklagten im Verfahren erster Instanz nicht geschehen ist, hat das Berufungsgericht richtig erkannt. Denn die Frage an einen Sachverständigen kann ebensowenig das Vorbringen der Partei ersetzen wie eine Parteiaussage (Rechtsprechung 1936 Nr. 260).

Schließlich bekämpft der Beklagte die Rechtsansicht der Untergerichte, daß die Krankenschwestern Grete St. und Maria W. seine Erfüllungsgehilfen gewesen seien, für deren Verschulden er hafte. Auch damit kann der Beklagte nicht durchdringen. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß nach der eigenen Aussage des Beklagten als Partei die bei ihm angestellten Schwestern verpflichtet seien, der bei der Geburt assistierenden Hebamme bei gewissen Handreichungen an die Hand zu gehen, soweit die Hebamme dies verlange. Diese Verpflichtung der beim Beklagten angestellten Schwestern beruht aber nicht, wie der Beklagte nunmehr in der Revision wahrhaben will, auf einer von ihm genehmigten persönlichen Gefälligkeitszusage der Schwester St. gegenüber der Hebamme, sondern auf dem Vertrag, der zwischen dem Beklagten und der Mutter des Klägers durch deren Aufnahme in das Krankenhaus des Beklagten zustandegekommen ist. Eine Trennung in jene Hilfsdienste, die unmittelbar bei oder nach der Geburt, und jene, die später bei der normalen Pflege und Versorgung des Neugeborenen notwendig sind, wie sie die Revision vornimmt, kann daher nicht gemacht werden. Da die Verbrennung des Klägers auf das von den Unterberichten festgestellte Verschulden der Krankenschwester Grete St. zurückzuführen ist, haftet der Beklagte hiefür nach § 1313a ABGB. Der Revision war somit keine Folge zu geben.

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