Spruch:
Die Arbeitsleistungen, die der Übergeber einer Landwirtschaft für die Übernehmer - wenn auch unentgeltlich - erbringt, stellen einen bestimmten Wert dar. Kann er sie wegen der von einem Dritten verschuldeten Arbeitsunfähigkeit nicht mehr erbringen, dann erleidet er selbst einen ersatzfähigen Verdienstentgang.
Entscheidung vom 9. Mai 1968, 2 Ob 367/67.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Der Kläger begehrte vom Beklagten die Zahlung einer monatlichen Rente von 500 S ab 1. Juli 1965 auf unbestimmte Zeit. Hiezu brachte er vor, er habe zwar seine Landwirtschaft im Jahre 1965 seiner Tochter übergeben, trotzdem aber bis zum Unfall als einziger Mann unter Einsatz seiner vollen Arbeitskraft alle landwirtschaftlichen arbeiten auf dieser Liegenschaft verrichtet. Er habe keine Entlohnung erhalten, mit der Tochter jedoch vereinbart, daß er aus den Betriebserträgnissen seine Lebensbedürfnisse decken könne und der darüber hinausgehende Ertrag in den Betrieb investiert werden solle. Infolge eines unfallskausalen Dauerschadens könne er die Arbeit nicht mehr so wie bisher verrichten und daher über den Wert seiner Arbeitskraft nicht mehr verfügen. Ein weiterer Verdienstausfall entstehe ihm dadurch, daß er seine 25 Bienenvölker nicht mehr betreuen könne. Der Wert der Einschränkung seiner Arbeitsleistung einschließlich des monatlichen Verdienstverlustes aus der Bienenzucht betrage nach Abzug der ihm zuerkannten Sozialrente (von 100 S monatlich) mindestens 500 S monatlich.
Das Erstgericht sprach dem Kläger eine Monatsrente von 400 S für die Zeit vom 1. Juli 1965 bis 28. Februar 1967, insgesamt somit 8000 S zu und wies das betragliche und zeitliche Mehrbegehren ab.
Beide Parteien erhoben Berufung. Der Kläger wollte die Abänderung des Ersturteils im Sinn seines Klagebegehrens, der Beklagte dessen vollständige Abweisung erreichen.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil mit Rechtskraftvorbehalt auf. Der im Unfallszeitpunkt bereits 67jährige Kläger stehe seit der Übergabe der Liegenschaft an seine Tochter (19. Jänner 1965) im Genuß eines Ausgedinges und beziehe seit 23. März 1965 eine landwirtschaftliche Zuschußrente. Aus dem Umstand, daß er unfallsbedingt nicht mehr alle landwirtschaftlichen Arbeiten verrichten könne, könne er überhaupt keine Rentenansprüche ableiten. Er habe das Alter, in dem gemeiniglich schwere Arbeiten geleistet werden, bereits überschritten und wäre auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr konkurrenzfähig gewesen. Seine Arbeitskraft könne daher nicht so gewertet werden, daß aus der unfallsbedingten Beschränkung der Verfügungsmöglichkeit über diese Arbeitskraft ein Verdienstentgang gefolgert werden könnte. Die Beeinträchtigung der Arbeitskraft könne vorliegend nur als Drittschaden gewertet werden. Insofern liege der Fall anders als in der vom Kläger ausdrücklich bezogenen und auch dem Ersturteil zugrunde liegenden Entscheidung vom 29. Juni 1962, 2 Ob 195, 196/62, ZVR. 1963 Nr. 173 und EvBl. 1962 Nr. 471. Bei gegenteiliger Auffassung wäre allerdings das Verfahren in mehrfacher Hinsicht ergänzungsbedürftig. Dies gelte aber jedenfalls bezüglich des behaupteten Verdienstausfalles aus der Bienenzucht. Eine zeitliche Begrenzung der Rente sei diesfalls nicht gerechtfertigt.
Beide Parteien erheben Rekurs. Sie sind der Meinung, daß die Sache - jeweils im Sinn ihres Prozeßstandpunktes - spruchreif sei.
Der Oberste Gerichtshof gab beiden Rekursen nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Beide Rekurse sind nicht begrundet.
Nach Ansicht des Beklagten wäre die Sache auch hinsichtlich des behaupteten Verdienstausfalles aus der Bienenzucht schon spruchreif, weil der Kläger in diesem Belang nichts Konkretes behauptet und insbesondere die Höhe des diesfälligen Verdienstentganges nicht beziffert habe. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht den Standpunkt vertreten, daß das Erstgericht seine Anleitungspflicht im Sinn des § 182 ZPO. vernachlässigt habe.
Die Dürftigkeit des Klagsvorbringens hat auch das Berufungsgericht bereits erkannt. Auch im Anwaltsprozeß umfaßt die materielle Prozeßleitungspflicht jedenfalls die Sammlung des Stoffes und die Pflicht, Tatsachen- und Beweisstoff im Rahmen des gestellten Klagebegehrens zu erörtern (JBl. 1957 S. 419). Wegen ungenügender Substantiierung des Anspruches darf auch im Anwaltsprozeß eine Klage erst abgewiesen werden, wenn das Gericht vergeblich auf die Vervollständigung des Tatsachenvorbringens hingewirkt hat (SZ. VI 107). Daß - wie der Rekurs behauptet - der Kläger auf einen Entgang aus der Bienenzucht nur illustrativ verwiesen habe, kann nicht gesagt werden. Behauptete er doch nach dem Hinweis auf die Zahl seiner Bienenvölker und die jährliche Honigertragsmenge einen "monatlichen Verdienstverlust aus der Bienenzucht". Diese Angaben waren ungenügend, um den in Rede stehenden Anspruch zu begrunden (§ 182 (1) ZPO.). Der Ergänzungsauftrag begegnet somit keinen rechtlichen Bedenken. Daß sich - wie der Rekurs geltend macht - der Kläger auf einen allfälligen Entgang aus der Bienenzucht die Sozialrente wird anrechnen lassen müssen, ist richtig. Auf die weiteren Überlegungen, die der Beklagte in diesem Zusammenhang mit dem Ergebnis anstellt, daß in diesem Fall "kaum" ein Entgang zu erwarten sei, kann jedoch wegen ihres rein hypothetischen Charakters nicht eingegangen werden.
Vergeblich wendet sich auch der Rekurs des Klägers gegen den Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes in bezug auf jenen Verdienstentgang, den der Kläger aus der Bienenzucht zu erleiden behauptet. Daß das Berufungsgericht in diesem Belang von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen wäre, behauptet der Kläger selbst nicht und es ist eine materiellrechtliche Fehlbeurteilung diesfalls nach den bisherigen Verfahrensergebnissen auch nicht zu erkennen. Wenn daher die zweite Instanz der Ansicht ist, daß entscheidungswesentliche Tatsachen noch feststellungs- und erörterungsbedürftig seien, dann ist ein derartiger dem Erstgericht erteilter Ergänzungsauftrag nach ständiger Rechtsprechung der Anfechtung in dritter Instanz entzogen.
Für den weiteren Klagsanspruch auf Ersatz aus unfallsbedingter Verhinderung des Arbeitseinsatzes in der Landwirtschaft ist jedoch die - unangefochtene - Feststellung des Erstgerichtes entscheidend, daß der Kläger bis zum Unfall in der Lage gewesen sei, den größten Teil der auf dem Anwesen anfallenden landwirtschaftlichen Arbeiten durchzuführen, und ohne diesen Unfall in der Lage gewesen wäre, diese Arbeiten weiterhin, zumindest bis 2. März 1967 zu verrichten; der Kläger sei seit jeher ein sehr tüchtiger und fleißiger Landwirt gewesen; seit Jahren hätten er und seine beiden Töchter die anfallenden und notwendigen Arbeiten verrichtet, der Kläger dabei in erster Linie die Männerarbeiten. Durch diese Feststellungen ist das Vorbringen der beklagten Partei, der Kläger sei auch vor dem Unfall nur mehr sehr eingeschränkt arbeitsfähig gewesen, er habe "nur zum Zeitvertreib" gearbeitet, widerlegt. Bei diesen Umständen ist wesentlich, welche Bedeutung es hat, daß der Kläger seine Arbeitsleistung an seine Töchter, die jetzigen Eigentümer der Liegenschaft, unentgeltlich erbracht hatte. Mit Recht hat das Erstgericht dargelegt, daß die Arbeitsleistungen des Klägers einen bestimmten Wert dargestellt hätten, über den er nach Belieben verfügen hätte können. Zwar kann nicht auf die Minderung des Ertrages der Liegenschaft der Töchter des Klägers oder auf die Mehrkosten abgestellt werden, die die jetzigen Landwirte zufolge der unfallsbedingten Notwendigkeit, Ersatzkräfte für den Kläger einzustellen, haben, weil Drittschäden nicht zu ersetzen sind. Aus der Unentgeltlichkeit der vom Kläger seinen Töchtern seinerzeit geleisteten Arbeiten darf aber nicht abgeleitet werden, daß der unfallsbedingte Arbeitsverlust dem geschädigten Kläger nicht zu vergüten wäre. Der Schädiger würde bei anderer Auffassung aus dem Umstande profitieren, daß der Verletzte offensichtlich aus verwandtschaftlichen Rücksichten Arbeit ohne Entgelt geleistet hatte. Dieses unbillige Ergebnis hat der erkennende Senat aber bereits in der schon zitierten Entscheidung, auf deren Veröffentlichung in ZVR. 1963 SprBlg. 173 und EvBl. 1962 Nr. 471 verwiesen wird, abgelehnt und es besteht kein Anlaß, von dieser Auffassung diesfalls abzugehen. Somit ist das Verfahren auch in diesem Punkte ergänzungsbedürftig. Der Wert der vom Kläger seinerzeit erbrachten Arbeitsleistungen ist im künftigen Verfahren festzustellen. Dabei werden vom Erstgerichte die Eventualausführungen der Berufungsinstanz zu diesem Punkt im aufgezeigten Rahmen zu berücksichtigen sein; was der Berufungssenat bei der Ablehnung der zeitlichen Begrenzung des Begehrens punkto Verdienstentgang
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