OGH 2Ob55/68

OGH2Ob55/687.3.1968

SZ 41/28

Normen

ABGB §861
ABGB §1375
ABGB §861
ABGB §1375

 

Spruch:

Die Erklärung des Haftpflichtversicherers, dem Geschädigten den bekanntgegebenen Schaden zu ersetzen, wenn dieser eine Entfertigungserklärung unterschreibt, ist als Anerkenntnis unter einer aufschiebenden Bedingung anzusehen.

Entscheidung vom 7. März 1968, 2 Ob 55/68.

I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Unbestritten ist, daß sich am 1. August 1966 in P. ein Verkehrsunfall ereignet hat, bei dem der Kraftwagen des Klägers mit dem von der Beklagten gelenkten Kraftwagen zusammengestoßen ist. Ein Strafverfahren wurde nicht eingeleitet.

Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte in der Höhe von 1610.70 S geltend gemacht und behauptet, daß der Haftpflichtversicherer der Beklagten den Schaden dem Gründe und der Höhe nach anerkannt und dem Klagevertreter einen entsprechenden Entschädigungsantrag übermittelt habe. Dieser Antrag sei unterfertigt an den Haftpflichtversicherer rückgemittelt und damit dessen Anbot angenommen worden. In der Folge habe der Haftpflichtversicherer eine Zahlung abgelehnt. Es liege ein konstitutives Anerkenntnis vor, das die Beklagte gegen sich gelten lassen müsse.

Die Beklagte hat dem Gründe und der Höhe nach bestritten und Klagsabweisung begehrt. Sie hat das alleinige Verschulden des Klägers behauptet und ein Anerkenntnis ihres Haftpflichtversicherers in Abrede gestellt.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben. Es hat aus den vorgelegten Urkunden festgestellt, daß die Beklagte bei der X.- Versicherungs-Aktiengesellschaft haftpflichtversichert sei und diese ermächtigt habe, die gegnerischen Schadenersatzansprüche zu regeln. Nach dem Unfall habe sich der Klagevertreter an den Haftpflichtversicherer zwecks Bereinigung der Angelegenheit gewendet. Mit Schreiben vom 30. Jänner 1967 habe sich dieser bereit erklärt, den geltend gemachten Schadenersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall vom 1. August 1966 durch Bezahlung eines Betrages von 1910.70 S zu berichtigen, vorausgesetzt, daß vom Kläger eine formelle Erklärung unterfertigt werde, daß keine weiteren Schadenersatzansprüche mehr gestellt werden. Zu diesem Zweck sei ein Entschädigungsantrag mit dem entsprechenden Inhalt angeschlossen worden. Beigefügt sei noch gewesen, daß im Interesse einer prompten Zahlung die Zahlungsadresse bekanntzugeben sei. Der Klagevertreter habe diesen Entschädigungsantrag unterfertigt und an den Haftpflichtversicherer zurückgeschickt. Damit habe er das Angebot angenommen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, dem Kläger die Klagsforderung zu bezahlen, welche in dem Anbot Deckung findet.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten Folge gegeben, das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen. Es war der Meinung, daß der Kläger erst durch die Entschädigungserklärung einen Antrag (Anbot) an den Haftpflichtversicherer gestellt habe, daß er sich, wenn ihm bezahlt werde, für endgültig befriedigt erachte. Dieses Anbot hätte vom Haftpflichtversicherer angenommen werden müssen. Erst dadurch wäre der Vertrag perfekt geworden und erst dann hätte die Entschädigung, sofern sie nicht bezahlt wurde, eingeklagt werden können. Die Willenserklärung sei aber in diesem Falle nur bis zum "Anbot" des Klägers vorgeschritten, welches der Haftpflichtversicherer nicht angenommen habe. Es sei daher auch kein Vertrag zustande gekommen. Es müsse daher auf die übrigen Klagsgrunde (Schadenersatz wegen Verschuldens) eingegangen und das Verfahren in dieser Richtung ergänzt werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgerichte die Entscheidung in der Sache selbst unter Abstandnahme von dem gebrauchten Weisungsgrund auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit Recht wendet sich der Kläger gegen die Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht. Wenn auch die vom Haftpflichtversicherer mit Schreiben vom 30. Jänner 1967 an den Klagevertreter übersendete, vorgedruckte Erklärung in Form eines Anbotes abgefaßt ist, so ist doch der vorausgegangene Briefwechsel und die Erklärung des Haftpflichtversicherers in seinem Schreiben vom 30. Jänner 1967 nicht ohne Bedeutung. In dieser Korrespondenz hat der Kläger vom Haftpflichtversicherer die Bereinigung seines Schadens begehrt. Daraufhin hat der Haftpflichtversicherer erklärt, daß er bereit sei, den Schaden des Klägers mit 1910.70 S zu bezahlen, falls eine formelle Erklärung des Inhaltes abgegeben werde, daß keine weiteren Ansprüche mehr gestellt werden. Diese Erklärung hat der Kläger bzw. sein Vertreter unterfertigt und an den Haftpflichtversicherer rückgemittelt.

Nach Treu und Glauben im redlichen Geschäftsverkehr kann die Erklärung des Haftpflichtversicherers nur dahin aufgefaßt werden, daß sich dieser zur Schadensbereinigung unter der aufschiebenden Bedingung bereit erklärte, daß die Entfertigungserklärung vom Geschädigten abgegeben werde. Hat der Geschädigte diese Erklärung abgegeben, dann ist die vom Haftpflichtversicherer gestellte Bedingung erfüllt und der Vertrag perfekt.

Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung ist nicht einmal von der Beklagten selbst vorgebracht worden. Sie war nach ihren Ausführungen in der Berufung lediglich der Meinung, daß der Haftpflichtversicherer mit Rücksicht auf die Klausel in der Entschädigungserklärung "ohne Präjudiz für die Frage der Haftung" berechtigt gewesen sei, sein eigenes Anbot jederzeit zu widerrufen, wenn er nachträglich Kenntnis von einem Verschulden des Geschädigten erhalten hat. Sie hat also selbst bereits ihr Schreiben vom 30. Jänner 1967 als Anbot an den Kläger angesehen und nicht erst die Entschädigungserklärung, wenn diese auch in der Form eines Anbotes abgefaßt war. Deshalb hat die Beklagte auch von der Berechtigung eines Widerrufes ihres Anbotes gesprochen. Aber auch diese Auffassung der Beklagten entspricht nicht der Übung im redlichen Verkehr. Mit dieser Klausel wird üblicherweise zum Ausdruck gebracht, daß die vergleichsweise Regelung ohne Präjudiz für den Rechtsstandpunkt in einem eventuellen Prozeß vorgenommen wird.

Demnach ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß ein Vertragsabschluß in der Richtung zwischen dem Kläger und dem Haftpflichtversicherer der Beklagten zustande gekommen ist, daß sich dieser namens der Beklagten zum Ersatz des Schadens an den Kläger in der Höhe der Klagsforderung verpflichtet hat. Diese Vereinbarung des Haftpflichtversicherers muß die Beklagte gegen sich gelten lassen und ist daher zur Zahlung verpflichtet. Weiterer Erhebungen bedarf es nicht.

Das Berufungsgericht wird nunmehr, von der obigen Rechtsauffassung ausgehend, in der Sache selbst zu entscheiden haben.

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