Normen
HGB §18 (2)
HGB §22
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §2
HGB §18 (2)
HGB §22
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §2
Spruch:
Die Fortführung einer Einzelfirma, die einen akademischen Titel enthält, durch einen Nachfolger, dem dieser akademische Titel nicht zusteht, kann geeignet sein, eine Täuschung des Publikums über die Verhältnisse des Firmeninhabers herbeizuführen (§ 2 UWG.).
Entscheidung vom 27. Februar 1968, 4 Ob 302/68.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
In der Nummer 5 der Fachzeitschrift "Internationaler Holzmarkt - vom 9. März 1967 erschien eine Anzeige des Beklagten, die im wesentlichen folgenden Inhalt hatte:
"Dipl.-Ing. Josef H., 1130 Wien, L.gasse 17. zeigt zur Wiener Messe HEMPEL Holzdrehautomaten JOSTING Fügescheren ... Besuchen Sie mich in Halle 6, Stand 693."
Die klagende Partei behauptet, der Beklagte erwecke mit dieser Anzeige den falschen Anschein, daß er sein Geschäft als akademisch vorgebildeter Ingenieur betreibe und über die diesem Studiengang und dieser Ausbildung entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge. Er nütze die von ihm fortgeführte, einen akademischen Grad enthaltende Firma im Zusammenhang mit seiner Namensgleichheit zur Täuschung der Interessenten aus, um sich einen geschäftlichen Vorteil zu verschaffen. Begehrt wird, den Beklagten als Alleininhaber der registrierten Firma "Dipl.-Ing, Josef H." schuldig zu erkennen, im Geschäftsverkehr jede Identifizierung zwischen seiner registrierten Firma "Dipl.-Ing. Josef H." und seiner namentlich genannten Person zu unterlassen, welche geeignet ist, den Anschein zu erwecken, daß der beklagte Firmeninhaber Diplomingenieur sei.
Der Beklagte wendet ein, daß er sich Kunden gegenüber nie als Diplomingenieur ausgegeben habe. Zur Führung der Firma "Dipl.-Ing. Josef H." sei er nach § 22 HGB. berechtigt. In dem beanstandeten Inserat sei auch nur die Firmenbezeichnung enthalten. Im übrigen führe er nur ein Handelsunternehmen. Seinen Kunden komme es nicht darauf an, ob er selbst über technische Kenntnisse verfüge, weil ihnen für technische Auskünfte die einzelnen Erzeugerfirmen der von ihm vertriebenen Maschinen zur Verfügung stunden.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß die beiden Parteien zueinander im Wettbewerbsverhältnis stunden. Der Beklagte führe die Firma "Dipl.-Ing. Josef H." nach § 22 HGB. als Erbe seines Vaters Dipl.-Ing. Josef H. fort. Er selbst besitze nicht den akademischen Grad eines Diplomingenieurs, beschäftige aber in seinem Unternehmen einen Diplomingenieur, der diesen akademischen Grad an der Hochschule für Bodenkultur erworben habe. Der Beklagte sei Vertreter einer Anzahl deutscher Holzverarbeitungsmaschinen-Erzeuger. Seine Kunden seien fast ausschließlich Holzverarbeitungsbetriebe. Er berate seine Kunden darüber, welche Maschinen für den von ihnen gewünschten Arbeitsvorgang in Frage kämen. Es sei bei ihm üblich, daß er vor dem Verkauf von Maschinen in der Preislage von 100.000 S und mehr den Kunden zum Erzeuger oder in einen Betrieb führe, wo solche Maschinen schon in Verwendung stunden. Er mache dies auf Wunsch des Kunden auch dann, wenn es sich um den Verkauf einer billigeren Maschine handle. In solchen Fällen erhalte der Kunde die gewünschte technischen Auskünfte vom Erzeuger. Reparatur- und Servicearbeiten führe er nicht durch. Er verwende seit dem Tod seines Vaters Geschäftskarten mit dem Text: "Dipl.-Ing.
Josef H., Spezialmaschinen für alle Sparten der holzverarbeitenden
Industrie, ... überreicht durch: Herrn H.". Bei seiner Werbung
verwende er Inserate, in welchen darauf hingewiesen werde, "Dipl.-
Ing. Josef H. ... zeigt ... (es folgt die Bezeichnung verschiedener
Holzverarbeitungsmaschinen und deren Erzeuger)". In keinem dieser Inserate sei ein Hinweis darauf enthalten, daß der Beklagte Holzverarbeitungsmaschinen erzeuge oder repariere.
Das Erstgericht vertrat die Ansicht, daß der Beklagte nach § 22 HGB. berechtigt sei, die Firma seines Vaters fortzuführen. Dadurch werde beim Käuferpublikum nicht der Anschein eines besonders günstigen Angebotes im Sinne des § 2 UWG. hervorgerufen, weil das Käuferpublikum keinen besonderen Wert auf den Umstand lege, ob der Beklagte als Vertreter von Holzmaschinenerzeugern selbst über besondere technische Kenntnisse auf diesem Gebiet verfüge. Die Fortführung der für seinen Vater registrierten Firma durch den Beklagten sei aber auch nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG., weil er diese Firma nicht unbefugt fortführe. Daß er sich selbst als Diplomingenieur ausgebe oder sich unwidersprochen als solcher bezeichnen lasse, sei nicht erwiesen.
Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung der klagenden Partei blieb erfolglos. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, sprach aber aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes mangle dem Klagebegehren die nach § 226 ZPO. erforderliche Bestimmtheit. Auch ein Unterlassungsbegehren müsse die Unterlassungspflicht so deutlich kennzeichnen, daß ihre Verletzung Gegenstand der Bewilligung einer Exekution zur Erwirkung von Unterlassungen nach § 335 EO. sein könne. Das Begehren des Klägers erfülle diese Voraussetzungen nicht. Was der Beklagte konkret zu unterlassen oder zu tun habe, um den Anschein nicht zu erwecken, er sei selbst Diplomingenieur, gehe aus dem Klagebegehren nicht hervor. Auf Grund eines dem Begehren stattgebenden Urteiles dürfe daher nach § 7 EO. die Exekution nicht bewilligt werden.
Der Oberste Gerichtshof änderte die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß der Beklagte schuldig erkannt wurde, im geschäftlichen Verkehr in öffentlichen Bekanntmachungen oder Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, den Gebrauch der Firmenbezeichnung "Dipl.-Ing. Josef H." für sein Handelsgewerbe zu unterlassen, sofern nicht durch einen Nachfolgezusatz erkennbar gemacht wird, daß der derzeitige Firmeninhaber nicht Diplomingenieur ist.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es kann dem Berufungsgericht zugegeben werden, daß das Klagebegehren nicht glücklich gefaßt ist. Die klagende Partei will, gestützt auf die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, daß der Beklagte unterlasse, eine zur Täuschung des Publikums geeignete Firmenbezeichnung zu führen. Maßgebend ist, welches Begehren die klagende Partei aus den vorgebrachten Tatsachen ableiten kann. Das Gericht ist berechtigt, in diesem Rahmen das Klagebegehren richtig zu fassen, doch darf es hiebei nicht über das aus dem Sachverhalt ableitbare Begehren des Klägers hinausgehen oder gegen den ausdrücklichen Willen des Klägers verstoßen (vgl. Fasching, Kommentar zur ZPO. III, S. 29). Der vom Berufungsgericht gebrachte Abweisungsgrund trifft demnach nicht zu. Es wäre vielmehr zu prüfen gewesen, welches Begehren der Kläger aus dem festgestellten Sachverhalt ableiten kann. Dann wäre dem erkennbaren Begehren des Klägers, den irreführenden Gebrauch der Firma des Beklagten zu verhindern, eine dem Sachverhalt entsprechende bestimmte Fassung zu geben gewesen.
Josef H. betreibt sein Handelsgewerbe unter der Firma (§ 17 HGB.) "Dipl.-Ing. Josef H.", ohne selbst Diplomingenieur zu sein. Er glaubt, gemäß § 22 HGB. zu dieser Bezeichnung seines Handelsgewerbes befugt zu sein, weil er das Handelsgewerbe seines Vaters, das dieser unter der genannten Firma betrieben hat und das zu A ... des Handelsregisters Wien unter dieser Bezeichnung registriert war und noch registriert ist, von Todes wegen erworben hat.
Diese Auffassung wird von der überwiegenden Lehre und der Rechtsprechung zum Recht der abgeleiteten Firma nach § 22, 18 (2 HGB) . jedoch nicht geteilt. Nach Schlegelberger, Kommentar zum Handelsgesetzbuch I, S. 181, § 22 Anmerkung 21, ist zwar nicht zu beanstanden, wenn der Erwerber eines Handelsgeschäftes die mit dem Doktortitel gebildete Firma weiterführt, obwohl er selbst nicht über diesen Titel verfügt, doch sei in diesem Fall ein Nachfolgezusatz zu fordern. Nach dem Reichsgerichtsrätekommentar zum Handelsgesetzbuch[3] 131 I, S. 341 f., § 22 Anmerkung 41, darf die unveränderte Fortführung der Firma nicht zur Täuschung des Publikums führen. Die Gestaltung der Firma darf nicht den falschen Eindruck erwecken, als sei der gegenwärtige Inhaber der Firma zur Führung des Doktortitels usw. berechtigt. Die Weiterführung einer Einzelhandelsfirma, welche den Doktortitel usw. enthalte, sei nur mit einem Nachfolgezusatz zulässig, wenn der Erwerber zur Führung dieses Titels nicht berechtigt sei. Denselben Standpunkt vertritt Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht[9] I, S. 615 f.
In diesem Zusammenhang kann auch auf die Entscheidungen des deutschen Reichsgerichtes vom 16. Mai 1942, RGZ. 169, S. 150, und vom 2. Dezember 1939, RGZ. 162, S. 121, hingewiesen werden, die dieselbe Meinung vertreten.
Nach Zimmermann, Der Doktortitel in der Firma, ZBl. HR. 1931, S. 268 ff., darf der Doktortitel in der Firma nur übertragen werden, wenn der Firmenwortlaut erkennen läßt, daß der Erwerber mit dem Träger des Titels nicht ident ist. Demelius ist in Staub - Pisko, Kommentar
z. AHGB. I/1, S. 199, allerdings anderer Meinung, weil er einen akademischen Titel - im Gegensatz zu anderen Titeln - als Namensbestandteil ansieht, was aber, auch wenn es zutrifft, ohne Bedeutung ist, weil auch der bürgerliche Name in der Firma nicht wettbewerbswidrig geführt werden darf.
Den angeführten Rechtsgrundsätzen zu folgen, hat der Oberste Gerichtshof keine Bedenken. Auch er ist der Meinung, daß die Fortführung einer Einzelfirma, die einen akademischen Titel enthält, durch einen Nachfolger, dem dieser akademische Titel nicht zusteht, geeignet sein kann, eine Täuschung des Publikums über die Verhältnisse des Firmeninhabers herbeizuführen, wenn der Firmenbezeichnung nicht ein entsprechend aufklärender Nachfolgezusatz beigefügt wird.
Nach § 2 UWG. kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, über geschäftliche Verhältnisse unrichtige Angaben macht, die geeignet sind, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen. Unrichtig ist eine Angabe nicht nur, wenn sie rein objektiv einen falschen Sachverhalt behauptet, sondern auch dann, wenn ihr trotz sachlicher Richtigkeit von den Personen, an die sie sich wendet, etwas Unwahres entnommen werden kann. Auch an sich wahre Behauptungen können unter Umständen, vor allem durch die Form, in die sie eingekleidet werden und durch den Gebrauch irreführender Wendungen, zu unrichtigen Angaben im Sinne des Gesetzes werden. Es kommt darauf an, wie der tatsächlich verwendete Wortlaut vom Verkehr aufgefaßt wird (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, S. 23). In diesem Sinn ist die Bezeichnung des Handelsgewerbes des Beklagten durch die Firma "Dipl.-Ing. Josef H." eine unwahre Angabe im Sinne des § 2 UWG.
Die Frage, ob der Firmenbezeichnung des Handelsgewerbes des Beklagten von einem nicht unbeträchtlichen Teil des angesprochenen Publikums entnommen werden kann, daß der Inhaber des Handelsgewerbes Diplomingenieur sei, ist nach den Erfahrungen des täglichen Lebens zu bejahen. Es kommt auch darauf an, ob durch diese Firmenbezeichnung der Anschein eines besonders günstigen Angebotes hervorgerufen wird. Auch dies ist zu bejahen, weil - gleichgültig, ob der Beklagte Erzeuger, Händler oder Vermittler ist - von einem nicht unbeträchtlichen Teil des Publikums erwartet werden wird, beim Erwerb von Maschinen durch eine Firma, deren Inhaber akademisch gebildeter Ingenieur ist, besser beraten zu werden, als durch eine Firma, deren Inhaber es nicht ist. Die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 2 UWG. sind daher gegeben.
Da, wie eingangs ausgeführt, das Gericht befugt ist, ein erkennbares Klagebegehren entsprechend bestimmt und deutlich zu formulieren, ist wie im Spruch zu entscheiden.
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