OGH 4Ob304/68

OGH4Ob304/6813.2.1968

SZ 41/20

Normen

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
UrhG §80
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
UrhG §80

 

Spruch:

Bei Zeitungstiteln können schon kleine Abweichungen die Gefahr von Verwechslungen ausschließen (§§ 80 UrhG., 9 UWG.).

Entscheidung vom 13. Februar 1968, 4 Ob 304/68.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei ist der Verleger, Eigentümer, Herausgeber und Drucker der seit 4. Oktober 1966 in K. erscheinenden Wochenzeitung "Unabhängige St. P. Neue Zeitung". Sie wird, wie die klagende Partei behauptet, in einer Auflage von 5200 Stück hauptsächlich in den Bezirken St. Pölten - Stadt, St. Pölten - Land, Lilienfeld, Melk und Tulln verbreitet. Sie sei im Verbreitungsgebiet unter der Bezeichnung "NEUE ZEITUNG" oder "Die Neue Zeitung" allgemein bekannt. Die beklagte Partei gebe seit 2. Oktober 1967 eine Tageszeitung unter dem Titel "Die Neue Zeitung" heraus. Dies könne zu Verwechslungen mit der Wochenzeitung der Klägerin führen. Tatsächlich seien Verwechslungen auch schon vorgekommen. Unter Berufung auf § 9 UWG. beantragt die klagende Partei die Verurteilung der beklagten Partei, die Verwendung des Titels "Die Neue Zeitung" oder eines mit diesem Titel verwechselbar ähnlichen Titels für die von ihr unter diesem Titel herausgegebene Tageszeitung sofort zu unterlassen. Zur Sicherung dieses Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, mit einstweiliger Verfügung der Beklagten die besondere Bezeichnung "Die Neue Zeitung" für die von ihr herausgegebene periodische Druckschrift zu verbieten.

Das Erstgericht wies die beantragte einstweilige Verfügung ab. Die Klägerin habe, so führt das Erstgericht aus, durch die Aufnahme der Worte "Unabhängige Sankt P." in dem Titel des von ihr herausgegebenen Druckwerkes hervorgehoben, daß es vornehmlich auf lokale Belange des bezeichneten Gebietes abgestellt sei. Es entspreche der Verkehrsübung, daß der Titel einer Zeitung mit dem Namen einer Stadt oder eines Bezirkes in Beziehung gesetzt werde. Die beklagte Partei habe zwar bei dem Gebrauch der Worte "Die Neue Zeitung" eine nähere Bezugnahme unterlassen, doch genüge es, daß die Zeitung der klagenden Partei als "Sankt P. Neue Zeitung" gekennzeichnet sei und sich die Zeitungen durch Format und Aufmachung zureichend unterschieden.

Das Rekursgericht wies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Beschlußfassung nach Durchführung weiterer Erhebungen zurück. Es sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei. Es sei bescheinigt, führt das Rekursgericht aus, daß die Zeitung der Klägerin den Titel "Unabhängige Sankt P. Neue Zeitung" führe, wobei die Worte "Unabhängige Sankt P." in einem schmalen Streifen oberhalb der Worte "Neue Zeitung" gedruckt seien. Die Worte "Neue Zeitung" seien ungefähr fünfmal so groß gedruckt als die Worte "Unabhängige Sankt P." Unterhalb der Worte "Neue Zeitung" stehe in einem schmalen Streifen gedruckt "Wochen-, Kultur- und Sportspiegel". In gleicher Höhe wie die Worte "Neue Zeitung" stehe "F.-Verlag". Die Zeitschrift der Klägerin erscheine in Großformat, die Tageszeitung der beklagten Partei in Kleinformat. Die Bezeichnung "Neue Zeitung" sei ein schwaches Zeichen, bei dem schon geringfügige Veränderungen oder Zusätze in einem anderen Zeichen die Verwechslungsgefahr ausschlössen. Wenn es sich als richtig herausstellen sollte, daß die von der Klägerin herausgegebene Zeitschrift allgemein nur als "Neue Zeitung" ohne Zusatz bezeichnet werde und so in einem Verbreitungsgebiet, das auch Verbreitungsgebiet der Zeitung der beklagten Partei sei, Verkehrsgeltung hätte, dann bestunde die Gefahr, daß die Durchschnittsleser Zusammenhänge zwischen den beiden Druckwerken annehmen könnten, die in Wahrheit nicht bestunden.

Der Oberste Gerichtshof stellt den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die klagende Partei findet sich dadurch beeinträchtigt, daß durch die Titelgleichheit der beiden Zeitungen Verwechslungen beim Kauf in den Verschleißstellen entstehen könnten. Es sei auch schon vorgekommen, daß bei der Aufgabe eines Werbeinserates, das für die Zeitung der beklagten Partei bestimmt gewesen sei, der Auftrag an die Klägerin gelangt und von ihr ausgeführt worden sei.

Der Gefahr einer Verwechslung von Zeitungstiteln kann nach § 80 UrhG. oder nach § 9 (1) UWG. entgegengetreten werden, je nachdem, ob die Zeitung als Sammlung verschiedener Beiträge und damit als einheitliches Ganzes (§ 6 UrhG.) eine eigentümliche geistige Schöpfung (§ (1) UrhG.) darstellt oder nicht (vgl. Rintelen, Urheberrecht und Urhebervertragsrecht, S. 89, 210, Peter, Das österreichische Urheberrecht, S. 48, 229, Mitteis, Grundriß des österreichischen Urheberrechtes, S. 147 f., GR. 1957, S. 60, mit Glosse von Peter, SZ. XXV 1. SZ. XXIII 28). Da aber die auf den Titelschutz bezughabenden Bestimmungen der §§ 80 UrhG. und 9 (1) UWG. in gleicher Weise auf die Verwechslungsgefahr abstellen, braucht im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden, ob die Zeitung der klagenden Partei als eigentümliche geistige Schöpfung angesprochen werden kann oder nicht.

Die Verwechslungsgefahr ist, wie die beklagte Partei mit Recht hervorhebt, bei Zeitungstiteln im allgemeinen gering. Schon kleine Abweichungen der Titel können die Gefahr von Verwechslungen ausschließen, weil bei Zeitungstiteln nur beschränkte Ausweichmöglichkeiten bestehen und sich das Publikum, selbst bei akustischem Gleichklang oder bei Verkehrsgeltung eines Kurztitels, daran gewöhnt hat, auch kleine Unterschiede zwischen den Zeitungstiteln zu beachten (vgl. Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und sonstiges Warenzeichenrecht[9] I, S. 788). Im vorliegenden Fall sind die Unterschiede in der Ausstattung, im Preis und der Verbreitungsart so weitreichend, daß eine Verwechslungsgefahr trotz fast vollständiger Gleichheit des angeblich verkehrsüblichen Titels der Zeitung der Klägerin mit dem Titel der Zeitung der Beklagten praktisch ausgeschlossen ist. Im einzelnen ergibt sich dies, worauf die beklagte Partei zutreffend hinweist, aus folgendem: Die Zeitung der Klägerin ist ein Wochenblatt, worauf sie im Titel mit den Worten "Wochen-...spiegel" Bezug nimmt, die der Beklagten eine Tageszeitung. Die Zeitung der Beklagten erscheint in Kleinformat, die der Klägerin in Großformat. Der Titel der Zeitung der Beklagten enthält die Worte "Die Neue" großgedruckt, darunter kleiner das Wort "Zeitung". Der Titel der Zeitung der Klägerin enthält die Worte "Neue Zeitung" großgedruckt, darüber, zwar kleingedruckt, doch deutlich lesbar, "Unabhängige Sankt P." und darunter "Wochen-, Kultur- und Sportspiegel". Neben diesem Titel befindet sich ein farbiger Kreis mit den Worten "F.-Verlag". Dieser Kreis hat den Durchmesser der Höhe des gesamten Zeitungstitels. Die klagende Partei verwendet für Unterstreichungen und die Anfangsbuchstaben ihres Zeitungstitels "Neue Zeitung" die lila Farbe. Die beklagte Partei verwendet für ihren Zeitungstitel und für sonstige Hervorhebungen im Text die orange Farbe. Diese Unterschiede können nicht übersehen werden und schließen eine Verwechslungsgefahr aus. Die beiden Druckwerke sind also nicht einander verwechselbar ähnlich. Es ist auch nicht zu erwarten, daß Beziehungen zwischen den Eigentümern der beiden Zeitungen vermutet werden, weil solche dem Durchschnittsleser überhaupt ferne liegen, vom kritischen Leser aber aus dem Impressum sofort entnommen werden kann, daß solche Beziehungen fehlen. Es kann daher eine einstweilige Verfügung nicht bewilligt werden.

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