OGH 2Ob13/68

OGH2Ob13/688.2.1968

SZ 41/19

Normen

ABGB §1325
ABGB §1325

 

Spruch:

Die Worte "auf Verlangen" in § 1325 ABGB. bedeuten nur, daß der Schmerzensgeldanspruch höchstpersönlich ist und es dem Berechtigten bzw. seinem gesetzlichen Vertreter überlassen ist, ob er zum Entstehen kommt.

Entscheidung vom 8. Februar 1968, 2 Ob 13/68.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die unmundige Klägerin wurde am 3. November 1965 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt, als der Kinderwagen, in dem sie von ihrer Großmutter Auguste Z. geschoben wurde, während des Überquerens der W. Hauptstraße in W. von einem LKW niedergestoßen wurde, dessen Lenker der Zweitbeklagte und dessen Halter der Erstbeklagte war. Der Zweitbeklagte wurde aus diesem Anlaß wegen Übertretung nach § 335 StG. rechtskräftig verurteilt.

Nach mehrfachen Klagsänderungen begehrte die Klägerin von beiden Beklagten bei Schluß der Verhandlung in erster Instanz unter Bedachtnahme auf eine nach Klagseinbringung geleistete Teilzahlung von 20.000 S aus dem Titel des Schmerzengeldes die Zahlung weiterer 22.000 S samt stufenweisen Zinsen. Mit dem Leistungsbegehren verband sie ein Feststellungsbegehren betreffend die Haftung der Beklagten für alle künftigen unfallskausalen Schäden.

Die Beklagten wendeten ein, die Klägerin müsse sich auf ihre Ersatzansprüche ein 50%iges Mitverschulden ihrer Großmutter anrechnen lassen, sie bestritten die Angemessenheit des begehrten Schmerzengeldes und die Berechtigung des Feststellungsbegehrens.

Auguste Z. trat auf Seite der Klägerin dem Verfahren als Nebenintervenientin bei.

Das Erstgericht erkannte gemäß dem Klagebegehren.

Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.

Die Beklagten bekämpfen das Berufungsurteil, soweit nicht das restliche Leistungsbegehren abgewiesen und dem Feststellungsbegehren lediglich zu 50% stattgegeben wurde, mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie stellen einen ihrer Anfechtungserklärung entsprechenden Abänderungs-, hilfsweise auch einen Aufhebungsantrag.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist nicht begrundet.

Ausgehend von der Tatsache, daß die Untergerichte den für angemessen befundenen Schmerzengeldbetrag von rechnungsmäßig 42.000 S gemäß dem Standpunkt der Klägerin lediglich für die bisher - also bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz - erlittenen Schmerzen zuerkannten, halten die Beklagten den von ihnen bereits bezahlten Betrag von 20.000 S für ausreichend. Ein Kleinkind - so meinen sie - könne kein "Verlangen" nach einem Schmerzensgeld haben, es sei auch nicht in der Lage, sich mit Hilfe des Schmerzensgeldes Lustgefühle als Ausgleich für das erlittene Ungemach zu verschaffen. Auch könnten Dauerschäden, deren Ausmaß noch nicht feststehe, nicht bei Bewertung der bisherigen Schmerzen Berücksichtigung finden.

Diese Einwendungen sind nicht stichhältig.

Die Worte "auf Verlangen" in § 1325 ABGB. bedeuten lediglich, daß der Schmerzengeldanspruch ein höchst persönlicher Anspruch ist, bei dem es dem Berechtigten - seinem gesetzlichen Vertreter - überlassen ist, ob er überhaupt zum Entstehen kommen soll (Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse[2] § 392 S. 627 ff.; Wolff bei Klang[2] VI S. 137). Ob und in welcher Weise die Klägerin schon im gegenwärtigen Zeitpunkt das ihr zuerkannte Schmerzengeld zweckentsprechend verwenden kann, ist nicht entscheidend. Ob Dauerschäden der Klägerin schon jetzt zu berücksichtigen seien, kann dahingestellt bleiben, weil der Betrag von 42.000 S auch ohne Berücksichtigung derartiger Schäden nach dem festgestellten Sachverhalt nicht überhöht ist.

Hiernach erlitt die zur Unfallszeit 2 1/2 jährige Klägerin ein schweres Schädel-Hirntrauma und einen Bruch des linken Oberarms. Sie war nach dem Unfall 4 Wochen vollkommen bewußtlos, drei weitere Wochen lang nicht ansprechbar. In den ersten Tagen mußte sie künstlich beatmet und durch vier Wochen künstlich ernährt werden. Sie war bis 18. Juni 1966, also nahezu 7 1/2 Monate in stationärer Spitalsbehandlung. Bei Schluß der Verhandlung stand sie noch immer in ambulatorischer Behandlung der Nervenklinik und der Station für hirngeschädigte Kinder. Der chirurgische Anteil an den Verletzungen ist zwar ohne nennenswerte Folgen abgeheilt. Hingegen besteht weiterhin ein feinschlägiges Augenzittern, ein Schielen und eine hochgradige Schielschwachsichtigkeit des linken Auges. Die schwersten Unfallsfolgen waren neurologischer Natur. Es bestehen noch immer zentrale Paresen der unteren Extremitäten und Störungen beim Harnabsetzen. Die geistige Leistungsfähigkeit ist noch deutlich beeinträchtigt, sie zeigt sich in einer leichten Ermüdbarkeit, einer Verminderung der Konzentrationsfähigkeit, einem raschen Nachlassen des Interesses und einer verringerten Aufnahme- und Merkfähigkeit hinsichtlich neuer Erfahrungen. Weitere Besserungen sind allerdings noch möglich. Die Klägerin hatte unfallsbedingt kontinuierlich 30 Tage schwere, 30 Tage mittelstarke und 50 Tage leichte Schmerzen. In der Folge traten noch fallweise Schmerzen auf, die bis 12. Juni 1967 gerafft wie 120 Tage leichte Schmerzen zu bewerten sind.

Angesichts dieser erhobenen Umstände, von denen vor allem die Schwere der Schädelverletzung entscheidend ins Gewicht fällt, ist die Bemessung des Schmerzensgeldes durch die Vorinstanzen auch für den begrenzten Zeitraum nicht rechtsirrig.

Der Revision kommt aber auch Berechtigung nicht zu, soweit sie sich gegen die unterbliebene Berücksichtigung eines angeblichen Mitverschuldens der Auguste Z. wendet. Der Ansicht, diese habe, während sie die Klägerin über die Straße führte, als deren Bevollmächtigte gehandelt, somit eine Vertretungshandlung gesetzt, vermag sich der Oberste Gerichtshof nicht anzuschließen. Auguste Z. war auch nicht gesetzlicher Vertreter der Klägerin. Ein allfälliges deliktisches Verhalten ihrerseits gibt aber den Beklagten kein Recht, in diesem Verfahren eine Minderung ihrer Ersatzpflicht gegenüber der Klägerin zu verlangen. Gegen die Berechtigung des Feststellungsausspruches wurde in der Revision nichts vorgebracht, nachdem bereits das Erstgericht feststellte, daß weitere Unfallsfolgen nicht auszuschließen seien.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte