Normen
ZPO §64 (1) Z3
ZPO §85 (2)
ZPO §464
ZPO §467 Z5
ZPO §64 (1) Z3
ZPO §85 (2)
ZPO §464
ZPO §467 Z5
Spruch:
Wird mit einer Partei, der eine selbst verfaßte Berufung zur Verbesserung (Beibringung der Anwaltsfertigung) zurückgestellt wurde, innerhalb der Verbesserungsfrist ein Antrag auf Erteilung des Armenrechtes und Beistellung eines Anwaltes für die Verfassung der Berufungsschrift zu Protokoll genommen, wirkt dies als zwar vom Gesetz verpönte, aber doch beachtliche Verlängerung der Verbesserungsfrist.
Entscheidung vom 8. Februar 1968, 1 Ob 255/67.
I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.
Text
Mit Urteil vom 9. Juni 1967 gab der Erstrichter dem Klagebegehren statt und verurteilte den Beklagten zur geräumten Übergabe seiner Wohnung in dem der klagenden Partei gehörigen Haus W.-weg Nr. 1 in L. Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 15. Juni 1967 zugestellt.
Am 29. Juni 1967, sohin rechtzeitig, gab der Beklagte eine mit 28. Juni 1967 datierte, laienhaft verfaßte und von ihm selbst unterschriebene Berufung in einfacher Ausfertigung zur Post; sie langte am 30. Juni 1967 beim Erstgericht ein.
Am 3. Juli 1967 verfügte der Erstrichter die Rückstellung dieser Berufungseingabe an den Beklagten zur Verbesserung binnen fünf Tagen mit dem Beisatz: "Berufung ist nicht ordnungsgemäß und muß von Rechtsanwalt unterfertigt sein." Die Zustellung an den Beklagten erfolgte am 8. Juli 1967; der Rückschein trägt allerdings die irrtümliche Datierung 8. Juni 1967 und läßt nicht erkennen, daß in dem Gerichtsbrief außer dem Beschluß vom 3. Juli 1967 auch die Originaleingabe des Beklagten vom 28. Juni 1967 enthalten war, doch kann nach der Aktenlage und dem Vorbringen des Beklagten in dem jetzt zu prüfenden Rechtsmittel davon ausgegangen werden, daß dies tatsächlich der Fall war. Die im Sinn des § 85 (2) ZPO. gesetzte Verbesserungsfrist lief demnach am 13. Juli 1967 ab.
An diesem Tag erschien der Beklagte beim Erstgericht und bat um Bewilligung des Armenrechtes sowie um Beistellung eines Rechtsanwaltes, der mit der Verfassung der Berufungsschrift und seiner Vertretung im Rechtsmittelverfahren zu betrauen wäre.
Der Erstrichter bewilligte am selben Tag dem Beklagten das Armenrecht und verfügte die Übermittlung des ZPO.-Formulars 4 an die Rechtsanwaltskammer. Die Ausfertigungen enthielten folgenden Beisatz: "Die Berufung wurde vom Beklagten bereits erhoben, doch war sie nicht ordnungsgemäß und wurde zur Verbesserung zurückgestellt. Der Beklagte ist der deutschen Sprache nicht mächtig und ersucht, mit der Verfassung der Berufungsschrift einen Anwalt zu betrauen sowie ihm die Vertretung im Rechtsmittelverfahren aufzutragen. Beklagter spricht ungarisch."
Als die Formulare nach Einsetzung des Namens des für den Beklagten bestellten Anwaltes am 25. Juli 1967 zum Erstgericht zurückkamen, wurde auf die Rückseite des im Gerichtsakt verbliebenen Exemplars die "Verfügung" gesetzt, die beiden anderen Ausfertigungen an den Beklagten und an den für ihn bestellten Anwalt zuzustellen; zusätzlich findet sich die Verfügung: "Kal. 10. 8. 1967." Diese offenbar von der Geschäftsabteilung vorbereitete Verfügung wurde allerdings nicht unterschrieben, doch ergibt sich aus den an der angeführten Aktenstelle angehefteten Zustellausweisen, daß das ZPO.- Formular 4 mit dem Namen des für den Beklagten bestellten Anwaltes und dem bereits zitierten Beisatz über dessen Aufgaben ebenfalls unter Hinweis auf die Kalendierung des Aktes bis 10. August 1967 dem Beklagten und seinem Anwalt zugestellt wurde, ersterem am 27. Juli 1967, letzterem noch am 26. Juli 1967.
Am 7. August 1967 überreichte der Beklagte, vertreten durch den für ihn bestellten Anwalt, in zweifacher Ausfertigung eine Berufungsschrift, die mit 5. August 1967 datiert ist.
Das Berufungsgericht wies unter Abberaumung einer schon ausgeschriebenen Berufungsverhandlung sowohl die vom Beklagten selbst eingebrachte Berufung als auch die mit 5. August 1967 datierte Berufungsschrift zurück. Es grundete seinen Beschluß mit folgenden Erwägungen: Wenn eine Eingabe zur Nachbringung einer Anwaltsunterschrift zurückgestellt werde, müsse diese Eingabe selbst vom Anwalt unterschrieben werden, und zwar auch dann, wenn er einen begleitenden Schriftsatz mit seiner Unterschrift vorlege (SZ. XXII 22); werde der ursprüngliche Schriftsatz nicht unterfertigt, liege ein neuer Formmangel vor, zu dessen Beseitigung nach der Lehre Faschings keine weitere Frist gesetzt werden dürfe; da der Beklagte dem Verbesserungsauftrag nicht fristgerecht nachgekommen sei, sei die von ihm selbst erhobene Berufung gemäß §§ 467 Z. 5, 471 Z. 2, 474 (2 ZPO) . zurückzuweisen; die vom Armenvertreter am 7. August 1967 eingebrachte Berufung sei verspätet; die Vorschrift des § 464 ZPO. sei auf die Verbesserungsfrist nicht anwendbar; der Antrag auf Bestellung eines Armenvertreters sei nicht innerhalb der Berufungsfrist, sondern nur innerhalb der Verbesserungsfrist gestellt worden; übrigens wäre für den Beklagten auch nichts gewonnen, wenn die Bestimmung des § 464 (3) ZPO. bei der Verbesserungsfrist analog anzuwenden wäre, weil dann der Armenvertreter nur den Verbesserungsauftrag hätte erfüllen dürfen; diesem Auftrag sei er aber nicht nachgekommen, da er die ursprüngliche Berufung nicht unterfertigt habe; die bedingte Verlängerung der Rechtsmittelfrist (§ 85 (2) ZPO.) setze nach der Lehre Faschings stets die Einbringung des ursprünglichen Rechtsmittels voraus; so wie die Ersetzung eines ohne Anwaltsunterschrift eingebrachten Rechtsmittels durch ein innerhalb der Verbesserungsfrist zu Protokoll gegebenes Rechtsmittel unzulässig sei, sei auch die Ersetzung eines an einem solchen Formgebrechen leidenden Rechtsmittels durch ein anderes Rechtsmittel des Armenvertreters unzulässig; darüber hinaus habe dieser seine Berufung auch nicht innerhalb der Verbesserungsfrist von fünf Tagen eingebracht.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht auf, über die Berufung zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
In der Bewilligung des Armenrechtes und Übermittlung des ZPO.- Formulars 4 an die Rechtsanwaltskammer zwecks Namhaftmachung des für den Beklagten im Zusammenhang mit der von ihm selbst erhobenen, ihm aber zur Verbesserung zurückgestellten Berufung bestellten Anwaltes am letzten Tag der Verbesserungsfrist lag eine Verlängerung dieser Frist. Eine solche Maßnahme ist zwar durch den Schlußsatz des § 85
(2) ZPO. verpönt, der Oberste Gerichtshof hat aber schon seit langem (vgl. dazu z. B. AnwZ. 1937 S. 257) den Standpunkt eingenommen, daß dann, wenn dessenungeachtet eine zweite Verbesserungsfrist gesetzt wurde, eine innerhalb dieser zweiten Frist überreichte Berufung nicht mehr als verspätet behandelt werden darf (so zuletzt auch 1 Ob 269/67). Nun ist es zwar richtig, daß der Erstrichter am 13. Juli 1967 bei Bewilligung des Armenrechtes und Übermittlung der ZPO.- Formulare 4 an die Rechtsanwaltskammer keine neue Frist gesetzt hat, doch ändert dies nichts daran, daß eine Verlängerung erfolgte. Wurde eine Frist nicht gesetzt, obgleich sie zu setzen gewesen wäre, kann - wie der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall ausgesprochen hat (2 Ob 488/59) - die Eingabe nur dann als rechtzeitig behandelt werden, wenn die Wiedervorlage ohne unnötigen Aufschub erfolgt.
Wäre die Kalendierung mit 10. August 1967 anläßlich der Zustellung der ZPO.-Formulare 4 an den Beklagten und seinen Anwalt vom Richter unterschrieben worden, hätte wohl eine zweite Fristsetzung angenommen werden können, die durch Überreichung der Berufungsschrift am 7. August 1967 jedenfalls eingehalten gewesen wäre. Da eine solche Unterschrift aber fehlt, es sich also kaum um mehr als eine Maßnahme aus der Geschäftsabteilungspraxis handelte, muß es bei dem Kriterium der Vermeidung eines unnötigen Aufschubs sein Bewenden haben.
Es soll nicht übersehen werden, daß der für den Beklagten bestellte Anwalt nach den Ausführungen des vorliegenden Rekurses schon am 27. Juli 1967 Akteneinsicht genommen und in der (irrigen) Meinung, die Verbesserungsfrist sei bereits abgelaufen, von einer Unterfertigung der ursprünglichen, vom Beklagten selbst eingeschickten Berufungseingabe Abstand genommen hat. Es kommt in diesem Zusammenhang aber darauf an, daß eine Verbesserung noch möglich war, daß die Terminisierung faktisch aufgehoben war und daß es mit der bloßen Unterfertigung der Berufungseingabe des Beklagten durch den Anwalt gar nicht getan war. Der dem Beklagten erteilte Verbesserungsauftrag war unvollständig, weil er nicht auch die Beibringung einer Zweitschrift zwecks Zustellung an die klagende Partei umfaßte; zumindest war der Verbesserungsauftrag zufolge der Ausdrucksweise "Berufung ist nicht ordnungsgemäß" unzulänglich. Entscheidend bleibt also, ob die Überreichung der Berufungsschrift in zweifacher Ausfertigung und mit Anwaltsunterschrift am 7. August 1967 als noch "ohne unnötigen Aufschub" erfolgt angesehen werden kann.
Da der Beklagte nach der Aktenlage der deutschen Sprache nicht mächtig ist, Schwierigkeiten bei der Verständigung mit ihm, aber auch die Verhältnisse in der Urlaubszeit - sowohl im Kanzleibetrieb seines Anwaltes als auch bei der Zuziehung eines Dolmetschs - berücksichtigt werden müssen, in die Zeit bis zur Überreichung des Verbesserungsschriftsatzes je zwei Samstage und Sonntage fielen (29./30. Juli und 5./6. August 1967), kann eine Verletzung des Gebotes, ohne unnötigen Aufschub zu handeln, nicht angenommen werden.
Die vom Berufungsgericht unter Heranziehung der Entscheidung SZ. XXII 22 vertretene Ansicht, ungeachtet der Einbringung eines anwaltlich gefertigten Verbesserungsschriftsatzes müsse auch die der Partei zur Verbesserung zurückgestellte Eingabe vom Anwalt unterschrieben werden, entspricht nicht der neueren und nunmehr ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (vgl. dazu EvBl. 1961 Nr. 529, RiZ. 1966 S. 147 = Arb. 8228, ebenso 4 Ob 59/67 und zuletzt 1 Ob 276/67).
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