OGH 6Ob28/68

OGH6Ob28/687.2.1968

SZ 41/17

Normen

ZPO §27 (2)
ZPO §36 (1)
ZPO §27 (2)
ZPO §36 (1)

 

Spruch:

In Ehesachen bedarf es zur Aufhebung der bisherigen Prozeßvollmacht nicht der Zustellung eines Schriftsatzes, vielmehr genügt der zu Protokoll bekanntgegebene "Vertreterwechsel".

Entscheidung vom 7. Februar 1968, 6 Ob 28/68.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Erstgericht schied die am 11. Juli 1957 geschlossene Ehe der Streitteile aus dem Verschulden der Beklagten und sprach aus, daß den Kläger ein Mitverschulden treffe.

Die Beklagte war in dem Rechtsstreit zuerst durch die Rechtsanwälte Dr. B. und Dr. R. vertreten (Vollmacht vom 30. März 1966). Ein Widerruf dieser Bevollmächtigung wurde dem Gericht niemals schriftlich angezeigt. Wohl aber erschien zur Streitverhandlung am 19. September 1966 der Rechtsanwalt Dr. Th., legte eine Vollmacht der Beklagten vor und gab "Vertreterwechsel" bekannt.

Das Urteil des Erstgerichtes, in dem als Beklagtenvertreter Dr. B. und Dr. R. angeführt waren, wurde dem Klagevertreter Dr. K. am 7. September 1967 und der Rechtsanwaltskanzlei Dr. B. - Dr. R. am 6. September 1967 zugestellt. Am 11. September 1967 beantragte Dr. Th., ihm das Urteil zuzustellen, worauf das Erstgericht von Dr. K. und Dr. B. die Urteilsausfertigungen abforderte, das Urteil mit Beschluß dahin berichtigte, daß als Beklagtenvertreter Dr. Th. angeführt wurde, und die berichtigten Ausfertigungen samt Berichtigungsbeschluß beiden Parteienvertretern am 29. September 1967 zustellte. Am 12. Oktober 1967 langte eine Berufung des Klägers und am 13. Oktober 1967 eine solche der Beklagten, verfaßt von Dr. Th. ein.

Das Berufungsgericht wies beide Berufungen als verspätet zurück. Es führte hiezu aus:

Die Berichtigung einer Entscheidung und deren neuerliche Zustellung löse nur dann eine neue Rechtsmittelfrist aus, wenn erst durch die Berichtigung der wahre richterliche Entscheidungswille hervorkomme. Betreffe die Berichtigung aber eine offenbare Unrichtigkeit oder einen bloßen Schreibfehler, die der Rechtsmittelwerber auch ohne den Berichtigungsbeschluß als solche erkennen könne, so daß der richterliche Entscheidungswille überhaupt nicht zweifelhaft sei und die Berichtigung zu dessen Klärung nichts beitrage, so beginne mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses keine neue Rechtsmittelfrist zu laufen. Dies treffe hier zu, wo weder Spruch noch Gründe der Entscheidung berichtigt wurden, sondern lediglich der Name des Beklagtenvertreters. Daher sei die Berufung des Klägers auf jeden Fall verspätet.

Gemäß § 36 ZPO. sei im Gerichtshofverfahren die Vollmachtskündigung, der Vollmachtswiderruf und die Neubestellung eines anderen Vertreters an die Form eines Schriftsatzes gebunden. Nur im bezirksgerichtlichen Verfahren könne dieser gemäß § 434 ZPO. durch gerichtliches Protokoll ersetzt werden. Da ein Schriftsatz nicht erstattet wurde, hätten alle Zustellungen gemäß § 93 ZPO. an die Rechtsanwälte Dr. B. und Dr. R. vorgenommen werden können. Ein neu bestellter Rechtsanwalt sei nach Ausweis seiner Vollmacht dem Gericht und dem Gegner gegenüber gleichfalls zur Vornahme von Prozeßhandlungen berechtigt, doch bleibe auch der bisherige Vertreter bis zur formgemäßen Anzeige des Erlöschens seiner Vollmacht hiezu befugt. Das Urteil sei daher zu Recht an Dr. B. und Dr. R. zugestellt worden, und diese Zustellung habe den Lauf der Rechtsmittelfrist ausgelöst. Mit der späteren Zustellung an Dr. Th. habe keine neue Frist zu laufen begonnen. Die am 13. Oktober 1967 überreichte Berufung der Beklagten sei daher gleichfalls verspätet.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem auf, über die Berufung der Beklagten zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 36 (1) ZPO. erlangt die Aufhebung der Prozeßvollmacht dem Gegner gegenüber erst dann rechtliche Wirksamkeit, wenn ihm das Erlöschen angezeigt wurde. Dies ist hier geschehen, indem Dr. Th. bei der Verhandlung am 19. September 1966 mit der Beklagten erschien, seine Vollmacht vorlegte und - wie aus dem Verhandlungsprotokoll ersichtlich ist - "Vertreterwechsel" bekanntgab. Das Wort "Vertreterwechsel" kann nicht anders verstanden werden, als daß an Stelle der bisherigen Vertretung durch die Rechtsanwälte Dr. B. - Dr. R. als neuer Vertreter Dr. Th. trat.

Die Annahme, daß die frühere und die neue Vertretung nebeneinander weiterbestunden, ist mit dem Ausdruck "Vertreterwechsel" nicht vereinbar. Daß auch der Erstrichter nicht dieser Ansicht war, ergibt sich daraus, daß er die Anführung der Rechtsanwälte Dr. B. - Dr. R. als Beklagtenvertreter in seinem Urteil gemäß § 419 ZPO. als Versehen dahin berichtigte, daß die Beklagte durch Dr. Th. vertreten sei, der auch während mehrerer Streitverhandlungen als alleiniger Vertreter der Beklagten aufgetreten war.

Nun bestimmt allerdings § 36 (1) ZPO., daß die Anzeige der Aufhebung einer Prozeßvollmacht im Gerichtsverfahren grundsätzlich durch Zustellung eines Schriftsatzes zu geschehen habe. Diese Bestimmung steht im inneren Zusammenhang mit der des § 27 (1) ZPO., wonach die Parteien im Gerichtshofverfahren durch Rechtsanwälte vertreten sein müssen. Da aber diese Vorschrift nach ihrem zweiten Absatz auf das Verfahren in Ehesachen in erster Instanz keine Anwendung findet und in diesem Verfahren sogar die Klage zu Protokoll gegeben werden kann, wäre nicht einzusehen, warum die weit weniger bedeutsame Anzeige des Vertreterwechsels auch im Eheverfahren zu ihrer Wirksamkeit an die Zustellung eines Schriftsatzes geknüpft sein sollte.

Diese Ansicht sieht auch nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes EvBl. 1963, Nr. 451, weil dort lediglich die Vollmacht eines zweiten Vertreters vorgelegt, aber in keiner Weise der Widerruf der ersten, ein Vertreterwechsel oder etwas gleichbedeutendes bekanntgegeben wurde.

Wurde aber die Vollmacht der Rechtsanwälte Dr. B. - Dr. R. durch die Protokollierung der Bekanntgabe des Vertreterwechsels rechtswirksam widerrufen, dann begann die Rechtsmittelfrist nicht mit der versehentlichen Zustellung des Urteils an diese Rechtsanwaltskanzlei, sondern erst mit der Zustellung des berichtigten Urteils an Dr. Th. zu laufen. Die von diesem eingebrachte Berufung ist somit rechtzeitig und wurde vom Berufungsgericht zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen.

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