Spruch:
Der Besteller von Maßarbeit ist nicht verpflichtet, wiederholte Verbesserungsversuche zuzulassen.
Entscheidung vom 24. Jänner 1968, 6 Ob 16/68
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Auf Bestellung der Klägerin fertigte der Beklagte zwei zweiteilige Badeanzüge an, die die Klägerin übernahm und bezahlte. Im August 1965 stellte sie sie zur Vornahme von Verbesserungen zurück, erschien aber in der Folge nicht im Betrieb des Beklagten, sodaß es erst im April 1966 zur Verbesserung der Oberteile der Badeanzüge kam. Im Mai 1966 teilte der Klagevertreter dem Beklagten im Auftrage der Klägerin, seiner Schwester, mit, daß sie mit den Badeanzügen äußerst unzufrieden sei und ihr Geld zurückverlange. Der Beklagte erklärte, er sehe ein, daß die Körbchen (Oberteile) nicht passen und erklärte sich bereit, neue Oberteile anzufertigen. Damit war der Klagevertreter für die Klägerin einverstanden, er erklärte dem Beklagten, daß sie aber von dem Vertrag zurücktreten werde, wenn die neuen Oberteile nicht absolut passen. Die Anfertigung müsse reibungslos vor sich gehen, die Klägerin sei nicht bereit, etwa wieder zwanzigmal wegen Verbesserungen zu kommen. Im Juni 1966 fertigte der Beklagte neue Oberteile an, die nach einer am 14. Juni 1966 vorgenommenen Anprobe am 16. Juni 1966 abgeholt werden sollten. Auch diese Oberteile weisen Mängel auf, die einer Verbesserung bedürfen, doch sind sie nach einer kleinen Korrektur tragbar. Mit Schreiben vom 21. Juni 1966 wies der Klagevertreter darauf hin, daß er im Mai eine Frist zur Verbesserung bei sonstigem Rücktritt gesetzt habe und daß er, da die Verbesserung nicht gelungen sei, den Kaufpreis zurückbegehre.
Das Erstgericht wies die Klage auf Rückzahlung des für die Badeanzüge bezahlten Betrages von 960 S ab. Da die den neu angefertigten Oberteilen wieder anhaftenden Mängel leicht behoben werden könnten, handle es sich nicht um wesentliche Mängel im Sinne des § 1167 ABGB., wegen der allein ein Rücktritt vom Vertrag möglich sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Urteil im Sinne des Klagebegehrens ab. Es sei nicht so, daß die Oberteile als nach kleiner Korrektur tragbar anzusehen wären, wie das Erstgericht dem ersten Absatz des Sachverständigengutachtens folgend annehme. Ob eine Verbesserung noch als geringfügig anzusehen sei, beinhalte bereits eine Rechtsfrage. Zumindest teilweise habe der Sachverständige in unzulässiger Weise diese zu lösen versucht. Es sei von dem weiteren unbestrittenen Inhalt des Gutachtens auszugehen, worin der Sachverständige die zur Behebung der Mängel der Oberteile der Badeanzüge notwendigen Arbeiten und damit auch die Mängel darlege. Danach sei der obere Rand zu rollieren und über dem Körbchenbereich einzuhalten. Sollten dadurch zu viele sogenannte "Wasserln" entstehen, wäre dementsprechend noch von den Körbchen wegzunehmen. Die Träger müßten unbedingt seitlich, allenfalls zum Wegnehmen, angebracht werden. Schließlich verziehe sich ein Träger, er wäre, wenn kein Stoff mehr vorhanden sein sollte, mit einem Bändchen zu unterbinden. Damit könne aber von leicht behebbaren Geringfügigkeiten nicht mehr gesprochen werden. Es handle sich vielmehr um wesentliche Mängel des schon verbesserten Werkes. Wiederholte Verbesserungen brauche der Besteller aber überhaupt nicht zuzulassen. So betrachtet, komme auch der vom Klagevertreter gesetzten Bedingung, die neuen Oberteile müssen absolut passen und die Klägerin sei nicht bereit, wegen etwaiger Verbesserungen wiederholt zum Beklagten zu kommen, Bedeutung zu.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach den bereits vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, von denen, wie die Revision richtig ausführt, im Rechtsmittelverfahren auszugehen ist, bestellte die Klägerin beim Beklagten zwei zweiteilige Badeanzüge. Ihren Oberteilen hafteten Mängel an, sodaß sich der Beklagte entschloß, sie neu anzufertigen. Dabei handelte es sich bereits um eine Verbesserung des von ihm herzustellenden Werkes. Die neuen Oberteile sind aber wieder nicht tadellose Maßarbeit. Sie sind vielmehr, wie das Erstgericht auf Grund des Gutachtens der vernommenen Sachverständigen, welche die Bikinis als nicht korrekt passend und gut angefertigt bezeichneten, feststellte, mit Mängeln behaftet, jedoch tragbar nach "kleiner" Korrektur. Damit steht nun nicht fest, daß die wieder mangelhaft hergestellten Teile der beiden Badeanzüge durch die vom Sachverständigen näher bezeichneten Ausbesserungsarbeiten überhaupt fehlerlos gemacht werden können. Das wäre aber erforderlich, um einen wesentlichen Mangel ausschließen zu können (Adler, Höller in Klang[2] V 393). Die Klägerin, die in einem im ersten Wiener Gemeindebezirk gelegenen Betrieb eine Bestellung mit Maßarbeit aufgab, hat Anspruch auf tadellose Arbeit. Mit bloßem Flickwerk müßte sie sich nicht begnügen, vor allem ist sie aber nicht verpflichtet, wiederholte Verbesserungsversuche zuzulassen (GlUNF. 6669). Um solche würde es sich aber handeln, da bereits einmal eine Verbesserung durch Neuherstellung mangelhafter Teile vorgenommen werden mußte. Eine Verpflichtung dazu besteht für die Klägerin umso weniger, als ihr Vertreter ausdrücklich einwandfreie Ausführung der Arbeit unter Ausschluß weiterer Proben zur Bedingung gemacht hatte. Gelang es dem Beklagten nicht, die beiden Oberteile der Badeanzüge, die am 14. Juni 1966 zu probieren waren und am 16. Juni 1966 geliefert werden sollten, in den vertragsmäßigen Zustand zu versetzen, ist unter diesen Umständen die Klägerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. Da der Beklagte die Verbesserung nicht fristgerecht vornahm, steht ihrem Rücktritt auch nicht entgegen, daß sie zunächst Verbesserung durch teilweise Neuherstellung begehrt hatte (HS. III 3160).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)