OGH 5Ob264/67

OGH5Ob264/6720.12.1967

SZ 40/170

Normen

ABGB §839
ABGB §1193
ABGB §1215
ABGB §839
ABGB §1193
ABGB §1215

 

Spruch:

Bei der Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes oder der Ausschließung eines Gesellschafters wird in Ermangelung einer Vereinbarung im Zweifel vermutet, daß die Anteile der Gesellschafter am Auseinandersetzungsguthaben gleich groß sind. Doch kann die Vermutung durch den Beweis des Gegenteiles widerlegt werden. § 1193 ABGB. regelt nur die Verteilung des Gewinnes, nicht aber den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben.

Entscheidung vom 20. Dezember 1967, 5 Ob 264/67.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Streitteile schlossen am 8. Mai 1943 die Ehe. Die Beklagte, die in den Jahren 1943 bis 1952 als Angestellte im Süßwarengroßhandel bei verschiedenen Firmen beschäftigt war, suchte im Jahre 1955 um einen Gewerbeschein für den Süßwarengroßhandel an. Auf Grund eines ihr erteilten Dispenses erhielt die Beklagte die Gewerbeberechtigung für den Süßwarenhandel.

Herrschte zwischen den Streitteilen gutes Einvernehmen, so half der Kläger der Beklagten im Geschäft. Gab es aber Streitigkeiten, blieb er dem Geschäft fern. Er erledigte aber keine schriftlichen Arbeiten für das Geschäft. Die Warenübernahme bestätigte die Beklagte. Sie führte auch die Buchhaltung, die Detailkassen und das Wareneingangsbuch. Auch die Preise kalkulierte sie. Der genaue Umfang der Mitarbeit des Klägers kann nicht ermittelt werden. Aus den Erträgnissen des Geschäftes wurde der Lebensunterhalt der Streitteile bestritten.

Am 21. Juni 1960 brachte die Beklagte gegen den nunmehrigen Kläger unter Geltendmachung des Scheidungsgrundes nach § 50 EheG. eine Ehescheidungsklage ein. Mit Urteil vom 12. September 1962, das vom Berufungsgericht und vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurde, wurde die Ehe der Streitteile wegen Vorliegens des Scheidungsgrundes nach § 50 EheG. geschieden und § 60 (2) EheG. ausgesprochen, daß die Ehefrau ein Verschulden trifft.

Am 1. Jänner 1961 trat Johann B., der nunmehrige Gatte der Beklagten, in den Süßwarengroßhandel als stiller Teilhaber ein. Er erhielt einen monatlichen Nettolohn von 1500 S und sollte die Hälfte des Reingewinnes aus dem Großhandel - vermindert um das monatliche Gehalt - bekommen.

Am 15. Juli 1963 schloß die Beklagte mit Johann B. die Ehe.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm einen Betrag von 70.810.23 S samt 4% Zinsen seit dem Klagstag (4. April 1966) zu bezahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß das Unternehmen des Süßwarengroßhandels, das die Streitteile als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes betrieben haben, am 31. März 1964 einen Wert von 141.620.46 S besessen habe. Dem Kläger gebühre davon die Hälfte des Unternehmenswertes und damit der eingeklagte Betrag.

Die Beklagte wendete ein, daß nach der Art und dem Umfang der Mitwirkung des Klägers an der Gesellschaft der klagenden Partei höchstens ein Anteil von 5% gebühre.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger den Betrag von 17.697.03 S zu bezahlen. Das Mehrbegehren des Klägers auf Zahlung eines weiteren Betrages von 53.113.20 S wurde abgewiesen. Das Prozeßgericht vertrat die Auffassung, daß nach § 1193 zweiter Satz ABGB. für den Fall, als ein oder einige Mitglieder der Gesellschaft bloß arbeiten und nebst dem Kapitalsbeitrag zugleich Arbeiten leisten, für die Bemühungen in Ermangelung einer Verabredung oder Einigung der Gesellschafter der Gewinn mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Geschäftes, die angewendete Mühe und den verschafften Nutzen vom Gericht bestimmt werde. Da die Mitarbeit der Beklagten weitaus bedeutender als die des Klägers gewesen sei, sei unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 273 ZPO. der Anteil des Klägers an der Gesellschaft lediglich mit 25% zu bemessen. Der Kläger habe daher ein Viertel des Unternehmenswertes im Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft zu erhalten. Der Unternehmenswert habe 70.788.13 S betragen. Ein Viertel davon ergebe den Betrag von 17.697.03 S.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Prozeßgerichtes dahin ab, daß die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger den Betrag von 35.394.06 S samt 4% Zinsen seit 4. April 1966 zu bezahlen. Das Mehrbegehren des Klägers auf Zahlung eines weiteren Betrages von 35.416.17 S samt 4% Zinsen seit 4. April 1966 wurde abgewiesen. Das Gericht zweiter Instanz ging davon aus, daß die Streitteile keine Verabredung über die Größe ihrer Gesellschaftsanteile getroffen haben. Nach § 1184 ABGB. sei jedes Mitglied verbunden gewesen, einen gleichen Anteil zum gemeinschaftlichen Hauptstamm beizutragen. Auch auf Grund der Bestimmung des § 1215 ABGB., die auf § 839 ABGB. verweise, ergebe sich, daß im Zweifel bei der nach Auflösung einer Gesellschaft vorzunehmenden Teilung des Gesellschaftsvermögens die Anteile als gleich groß anzunehmen seien. Da nicht bestritten werde, daß der Kläger nach seinem Ausschluß aus der Gesellschaft einen Geldanspruch auf Abfindung besitze, sei ihm eine Abfindung in der Höhe des halben Unternehmenswertes zuzuerkennen.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wurde nur von der Beklagten in seinem stattgebenden Ausspruch insoweit angefochten, als dem Kläger ein höherer Betrag als 3539.41 S zugesprochen wurde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision teilweise Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes, das in seinem Ausspruch über die Abweisung des Klagemehrbegehrens in der Höhe von 35.416.17 S samt 4% Zinsen seit 4. April 1966 als unangefochten unberührt blieb, im übrigen dahin ab, daß die Beklagte dem Kläger den Betrag von 17.697.03 S samt 4% Zinsen seit 4. April 1966 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen habe, hingegen das Mehrbegehren auf Bezahlung eines weiteren Betrages von 17.697.03 S samt 4% Zinsen seit 4. April 1966 abgewiesen wurde. Es wurde somit das Ersturteil wiederhergestellt.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Streitteile haben zwar anläßlich der Eheschließung keine Ehepakte geschlossen. Sie haben sich aber im Jahre 1955 zum gemeinsamen Betrieb eines Süßwarengroßhandels vereinigt und dadurch, daß sie Geldbeträge sowie ihre Arbeitskraft eingebracht haben, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (8 Ob 41/65), durch schlüssige Handlungen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes begrundet. Da der Kläger seiner Verpflichtung zur Mitarbeit im Geschäft in der Folge nicht nachkam, schloß die Beklagte, die dazu begrundeten Anlaß hatte, den Kläger aus der Gesellschaft aus. Die Ausschließung des Klägers erfolgte Ende März 1964.

Abweichend vom Handelsrecht ist die Ausschließung bei der Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes konstitutiv. Sie wirkt von dem Zeitpunkt an, zu dem die Ausschließungserklärung dem Gesellschafter zugekommen ist (Wahle in Klang[2] V 665, 672). Sie führt nicht zur Liquidation, sondern zur Verteilung des Gesellschaftsvermögens ohne Liquidation, die im Schrifttum auch als Dissolution bezeichnet wird (Klärmann, GZ. 1824 S. 76, 77).

Nicht beigetreten werden kann der Revisionswerberin, daß für den Anteil am Gesellschaftsvermögen die Bestimmungen des § 1193 ABGB. heranzuziehen seien. Sowohl nach der Marginalrubrik zu § 1192 ABGB. als auch nach der sprachlichen Fassung der Vorschrift des § 1193 ABGB. (der Gewinn wird ... verteilt), ergibt sich, daß die angeführte Gesetzesbestimmung nur auf die Verteilung des Gewinnes Anwendung findet. Für das Auseinandersetzungsguthaben ist die Bestimmung des § 1215 ABGB. maßgebend. Das ergibt sich nicht nur auf Grund des Gesetzestextes, sondern auch auf Grund der Einordnung dieser Vorschrift unter die Normen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, welche mit "Teilung des gesellschaftlichen Vermögens" überschrieben sind.

Die gleiche Auffassung wird auch im Schrifttum (Zeiller, Commentar über das Bürgerliche Gesetzbuch III, Anm. 1 zu § 1215 ABGB. S. 576; Stubenrauch, Commentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch[7] II, S. 475, S. 488 Ehrenzweig, System II/1, Manz 1928 S. 552) vertreten.

§ 1215 ABGB. ordnet an, daß bei der nach Auflösung einer Gesellschaft vorzunehmenden Teilung des Gesellschaftsvermögens nebst den obigen Bestimmungen die nämlichen Vorschriften zu beobachten sind, welche in dem Hauptstück von der Gemeinschaft des Eigentums über die Teilung einer gemeinschaftlichen Sache überhaupt aufgestellt worden sind. Daraus folgt, daß neben den Bestimmungen der §§ 1182, 1183 und 1192 ABGB. maßgebende Bedeutung den Vorschriften über die Gemeinschaft des Eigentums zukommt (Zeiller, Commentar über das Bürgerliche Gesetzbuch III, Anm. 1 zu § 1215 ABGB. S. 576; Stubenrauch, Commentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch[7] II, S. 488).

Nach § 839 ABGB., der sinngemäß anzuwenden ist, wird im Zweifel jeder Anteil als gleich groß angesehen; wer das Gegenteil behauptet, muß es beweisen. Es spricht damit nur bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung für gleiche Anteile (Ehrenzweig, System II/1, Manz 1928 S. 552, S. 753 III; Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil, S. 121 IV. 3).

Im vorliegenden Fall stellten im Jahre 1955 der Kläger 1500 S, die Beklagte einen Betrag von 6500 S zur Verfügung. 500 S erhielt ein Rechtsanwalt für seine Vertretung im Verfahren zur Erlangung des Gewerbescheines. Zum Teil wurden Bretter zur Herstellung von Stellagen gekauft sowie ein Nylonvorhang beschafft. Der Kläger warb einen einzigen Kunden, den Pächter einer Schutzhütte, der zwei- oder dreimal mit Süßwaren beliefert wurde. Der Lebensunterhalt der Streitteile wurde aus dem Geschäft bestritten. Am 1. Jänner 1961 trat der nunmehrige Gatte der Beklagten als stiller Teilhaber mit seinem Kundenstock und einer Bareinlage, die bis zum Jahre 1964 die Höhe von 38.000 S erreichte, in das Unternehmen ein. Die Mitarbeit des Klägers im Unternehmen erfolgte unregelmäßig. Er stellte der Beklagte mit seinem Motorrad Waren zu. Die Warenübernahme, die Bestätigung der Lieferscheine, die Preiskalkulation, die schriftlichen Arbeiten für die Warenauslieferung führte die Beklagte durch. Daraus ergibt sich aber, daß der Anteil der Beklagten, sei es bezüglich der eingeschossenen Geldbeträge, sei es hinsichtlich der Arbeitsleistung, den des Klägers erheblich überwog. Wenn daher das Prozeßgericht erster Instanz unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 273 ZPO. die Höhe des Anteils des Klägers mit 25% angenommen hat, so kann darin eine Unrichtigkeit nicht gefunden werden. Die festgestellten Tatsachen rechtfertigen vielmehr diese Annahme.

Der Revision war somit teilweise Folge zu geben, und es war das Ersturteil wiederherzustellen.

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