OGH 2Ob184/67

OGH2Ob184/6714.12.1967

SZ 40/164

Normen

Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §334
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19 (2)
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §334
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §19 (2)

 

Spruch:

Keine Regreßansprüche des Sozialversicherungsträgers gegen Familienangehörige des Versicherten.

Entscheidung vom 14. Dezember 1967, 2 Ob 184/67.

I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberliandesgericht Linz.

Text

Theresia D., die Gattin des Beklagten und Mutter des Johann D., hat am 23. Mai 1964 auf der Gemeindestraße zwischen St. und K. als Mitfahrerin des von Johann D. gelenkten Traktors einen Unfall erlitten. In diesem Zusammenhange ist Johann D. durch Urteil des Bezirksgerichtes V. vom 8. September 1964 rechtskräftig der Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG. schuldig erkannt worden (er sei als Traktorlenker durch unvorsichtige Fahrweise von der Fahrbahn abgekommen, sodaß sich der Traktor überschlug und die Mitfahrerin Theresia D. Brüche des 4. bis 6. Halswirbels und eine Teilverrenkung mit einer Querschnittslähmung in diesem Bereiche erlitt). Theresia D. ist an den Unfallsfolgen am 21. April 1965 gestorben. Mit der am 13. August 1866 erhobenen Klage hat die Klägerin Johann D. und Matthias D. zur ungeteilten Hand auf Zahlung des Betrages von 16.000 S samt Anhang in Anspruch genommen. Die Klägerin hat das Verhalten des Fahrzeuglenkers als grob fahrlässig qualifiziert und vorgebracht, daß sie aus der Sozialversicherung der Theresia D. an Pflichtleistungen insgesamt 47.073.70 S (Transportkosten, Fahrtspesen, Rechnung des Arbeitsunfallkrankenhauses S, und Sterbegeld) erbracht habe; davon werde derzeit der Teilbetrag von 16.000 S geltend gemacht, und zwar in erster Linie aus § 334 ASVG., hilfsweise nach § 332 ASVG.; Matthias D. hatte als Kraftfahrzeughalter gemäß § 19 EKHG.

An Johann D. ist die Klage nicht zugestellt worden, sodaß in der Folge nur Matthias D. als Beklagter aufscheint. Dieser hat Grund und Höhe des Begehrens bestritten.

Das Erstgericht hat das Begehren, Matthias D. zur ungeteilten Hand mit Johann D. zur Zahlung des Betrages von 16.000 S samt Anhang an die Klägerin zu verurteilen, abgewiesen. Es hat ausgeführt, daß der Unfall vom 27. Mai 1964 ein Arbeitsunfall im Betriebe einer Landwirtschaft im engsten Familienkreis gewesen sei. Der Sohn Johann sei damals mit seiner Mutter unterwegs gewesen, um Pflanzen aus R. zu holen. Die Ehegatten D. und deren Sohn Johann hätten in häuslicher Gemeinschaft gelebt. Eine grobe Fahrlässigkeit des Johann D. sei nicht anzunehmen und demnach eine Haftung nach § 334 ASVG. nicht gegeben. Was aber das auf § 332 ASVG. gestützte Eventualbegehren betreffe, so sei Theresia D. als Ehefrau des Beklagten und auf der Landwirtschaft mittätige Bäuerin als eine mit dem Beklagten in häuslicher Gemeinschaft lebende Familienangehörige im Sinne des § 67 (2) Versicherungsvertragsgesetz 1958 anzusehen; für solche Personen schließe aber die bezogene Vorschrift den Übergang des Ersatzanspruches in Form der Legalzession nach § 332 ASVG. in Verbindung mit § 19 EKHG. aus.

Der Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben. Es hat von Amts wegen die Frage der Arbeitsgerichtsbarkeit mit negativem Ergebnis geprüft. Einer Erörterung des Grades des Verschuldens des Traktorlenkers bedürfe es nicht, auch nicht der übrigen in der Berufung geltend gemachten Berufungsgrunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Beweiswürdigung. Schon aus rechtlichen Erwägungen sei der Ersatzanspruch der Klägerin gegen den geklagten Fahrzeughalter weder nach § 334 ASVG. noch nach § 332 ASVG. in Verbindung mit § 19 EKHG. gegeben. Der Anspruch nach § 334 ASVG. setze ein höchstpersönliches grob-fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten des Dienstgebers oder Repräsentanten als Beklagten voraus, wodurch der Arbeitsunfall verursacht worden sei. Dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, die einen selbständigen Ersatzanspruch unmittelbar gegen den Dienstgeber oder seine Repräsentanten begrunde, widerspräche eine Haftung dieser Personen für fremdes Verschulden. Die Klägerin habe nur behauptet, daß eine grobe Fahrlässigkeit des Sohnes des Beklagten vorliege und der Beklagte hiefür als Halter gemäß § 19 EKHG. hafte. Für den damit geltend gemachten Anspruch abgeleiteter Haftung gebe § 334 ASVG. keine gesetzliche Grundlage. Aber auch aus § 332 ASVG. lasse sich das Begehren der Klägerin nicht begrunden, weil Theresia D. gegen den Traktorlenker und gemäß § 19 EKHG. gegen den Fahrzeughalter keinen Anspruch hätte. Der Unfall stelle einen innerbetrieblichen Vorgang dar, sodaß die Bestimmungen des § 333 (3) ASVG. nicht Anwendung fänden. Sowohl der Lenker wie die Verunglückte seien im landwirtschaftlichen Betrieb des Beklagten tätig gewesen; sie seien also in der Unfallversicherung teilversichert gewesen. Durch die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge für diese Personen habe der Beklagte im Rahmen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht seine Verbindlichkeit zur Übernahme der Heilungskosten im Falle einer Unfallsverletzung der Angehörigen schon im voraus erfüllt. Ihrem Ersatzbegehren könnte der belangte Betriebsinhaber mit Recht den Erfüllungseinwand entgegensetzen. Es mache keinen Unterschied, ob die verunglückte Ehefrau nur eine arbeitnehmerähnliche Stellung gehabt habe oder ob sie als Miteigentümerin auch Mituntemehmerin gewesen sei. Für den ersten der beiden Fälle könnte die Verletzte außerdem nur bei vorsätzlicher Verursachung des Unfalls durch den Dienstgeber Schadenersatz verlangen; diesbezüglich liege nicht einmal eine Behauptung der Klägerin vor; überdies ginge ein solcher Anspruch nach § 332 (3) ASVG. auf den Sozialversicherungsträger nicht über.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der klagenden Partei; sie ficht dieses Urteil aus dem Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. an.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zur Frage der Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes wird in dritter Instanz nichts vorgebracht, sodaß die Bemerkung genügt, daß die Beurteilung des Berufungsgerichtes in diesem Punkte der Praxis entspricht.

Die Revision ist im Sinne der folgenden Ausführungen nicht begrundet.

A. Die Revisionswerberin bekämpft zunächst die Beurteilung der Berufungsinstanz in der Richtung des § 334 ASVG; sie vertritt den Standpunkt, daß ihrem Klagebegehren unter dem Gesichtspunkte der Haftung des Beklagten als Kraftfahrzeughalters für das Verschulden des Traktorlenkers gemäß § 19 (2) EKHG. die Berechtigung nicht abgesprochen werden könne (folgerichtig macht die Revisionswerberin in dieser Beziehung Feststellungsmängel geltend, weil die Haftung des Traktorführers als eines gemäß § 333 (4) ASVG. dem Dienstgeber Gleichgestellten grobe Fahrlässigkeit zur Voraussetzung hätte und der Berufungssenat die Frage nach dem Grad des Verschuldens des Traktorlenkers bewußt offengelassen hat). Die Klagsabweisung in dieser Hinsicht ist aber schon nach dem bisher festgestellten Sachverhalt zu bestätigen. Zutreffend hat das Berufungsgericht nämlich dargelegt, daß der Regelung des § 334 ASVG. die Annahme einer Haftung für fremdes Verschulden widerspräche. Zwar ist die Norm des § 19 (2) EKHG. weit gefaßt ("Beurteilung von Ersatzansprüchen für einen durch einen Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges verursachten Schaden nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes"), selbst diese weite Fassung läßt aber die Subsumtion der für das Sozialversicherungsrecht geschaffenen Spezialbestimmung des § 334 ASVG. unter die Vorschrift des § 19 (2) EKHG. nicht zu. In diesem Zusammenhang darf die Wechselbeziehung des § 334 ASVG. zu den Bestimmungen des § 333 ASVG. nicht außer Betracht gelassen werden; dem Verletzten sind ja nach § 333 ASVG. Ersatzansprüche gegen den Dienstgeber im allgemeinen versagt, und zum Ausgleich dafür haftet der Dienstgeber gemäß § 334 ASVG. unter bestimmten Voraussetzungen dem Sozialversicherungsträger, der Leistungen aus dem Arbeitsunfall an den Verletzten zu gewähren hat; Haftung des Dienstgebers gegenüber dem Sozialversicherungsträger für das Verschulden eines dem Dienstgeber Gleichgestellten wäre unter diesem Gesichtspunkte systemwidrig. Was die Revisionswerberin gegen die Beurteilung des Berufungsgerichtes zu diesem Punkt vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Daß nämlich die Überschrift zu § 334 ASVG. nur von der Haftung des Dienstgebers und nicht des ihm Gleichgestellten spricht, ist offensichtlich eine Abkürzung, aus deren Formulierung Normen nicht abzuleiten sind; ebenso enthält z. B. die Überschrift zu § 333 ASVG. nur die Bezugnahme auf den Dienstgeber, obwohl die Bestimmungen des § 333 (4) ASVG. auch die Einschränkung der Schadenersatzpflicht der gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreter des Unternehmers und der Aufseher im Betrieb vorsehen. Der Hinweis der Revisionswerberin auf 4 Ob 118/62 vom 20. September 1962, EvBl. 1963 Nr. 30, ist nicht geeignet, die Auffassung der Revisionswerberin irgendwie zu stützen; denn in dieser Entscheidung wurden bloß die Voraussetzungen des § 333 (3) ASVG. (Teilnahme am allgemeinen Verkehr) mit dem Ergebnis erörtert, daß die damaligen Kläger die Haftungserweiterung des § 333 (3) ASVG. für sich nicht in Anspruch nehmen konnten; aus dieser Entscheidung läßt sich also für das diesfalls maßgebliche Problem nichts ableiten. Die Beurteilung des Berufungsgerichtes dahin, daß eine Haftung des Beklagten aus den Bestimmungen des § 334 ASVG. zu verneinen ist, muß also schon nach der derzeitigen Aktenlage gebilligt werden. In diesem Zusammenhang ist noch zu bemerken, daß bereits in 4 Ob 85/61 vom 12. September 1961, ZVR. 1962, Spruchbeilage Nr. 68, hinsichtlich der Bestimmungen des § 333 ASVG. dargelegt worden ist, daß diese Norm sich als lex specialis erweise, die von der lex generalis des EKHG. nicht berührt werde. Schon wegen des oben erwähnten inneren Zusammenhanges der Vorschrift des § 334 ASVG. mit jener des § 333 ASVG. gilt dies auch von den Bestimmungen des § 334 ASVG. wie oben dargelegt. Schließlich wäre auch nicht die umfassende Regelung des § 335 ASVG. über die Haftung juristischer Personen erforderlich gewesen, wenn es der Absicht des Gesetzgebers entsprochen hätte, die Haftung des Dienstgebers nach § 334 ASVG. auch bei fremdem Verschulden zu bejahen.

B. Nur am Rande behandelt die Revisionswerberin die Frage der in eventu geltend gemachten Haftung des Beklagten aus der Regelung der Legalzession nach § 332 ASVG. Dabei nimmt sie zwar gegen die Beurteilung der ersten Instanz Stellung, versucht aber nicht einmal, die oben dargestellte Ansicht des Berufungsgerichtes zu widerlegen. Es genügt daher die Bemerkung, daß die Beurteilung des Berufungssenates durch das Schrifttum gedeckt ist (vgl. Krejci. Der Ausschluß des Überganges von Schadenersatzforderungen gegen Familienangehörige auf die Sozialversicherungsträger, Versicherungsrundschau 1967, S. 224 ff., sowie für den deutschen Rechtsbereich bei im wesentlichen gleichen rechtlichen Grundlagen wie in Österreich: Wussow, Unfallhaftpflichtrecht[9], S. 617, insbesondere unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11. Februar 1964, VI ZR 271/62, BGHZ 41/79 ff.). Ein Rechtsirrtum des Berufungsgerichtes liegt auch in dieser Hinsicht nicht vor.

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