OGH 8Ob231/67 (8Ob232/67)

OGH8Ob231/67 (8Ob232/67)19.9.1967

SZ 40/119

Normen

ABGB §1415
ABGB §1415

 

Spruch:

Die Erklärung des Schuldners gemäß § 1415 ABGB., welche von mehreren Forderungen er als getilgt angesehen wissen will, muß schon bei der Leistung abgegeben werden.

Entscheidung vom 19. September 1967, 8 Ob 231, 232/67.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Gegen den vom Erstgericht am 14. November 1966 erlassenen Wechselzahlungsauftrag, womit dem Beklagten auf Grund des von ihm als Bezogenen angenommenen Wechsels vom 10. November 1966 die Zahlung von 150.927.49 S s. A. an die Klägerin als Ausstellerin aufgetragen wurde, erhob der Beklagte rechtzeitig Einwendungen, in denen er im wesentlichen vorbrachte, er habe den mit der klagenden Partei im Jahr 1962 abgeschlossenen Vertretungsvertrag mit Wirkung vom Jänner 1966 einverständlich gelöst und dabei vereinbart, daß von ihm ein aushaftender Warensaldo, zuzüglich des Preises für gekaufte Fässer, in fünf gleichen Teilzahlungen von je 179.545.50 S abzustatten sei. Die Regelung der bereits damals geltend gemachten Gegenforderungen sollte einer späteren Vereinbarung vorbehalten bleiben. Der Beklagte sei seinen Zahlungsverpflichtungen bis auf den Klagsbetrag nachgekommen, den er wegen der ihm zustehenden Gegenforderungen zurückbehalten habe. Allein an Mengenrabatten stehe ihm gegen die Klägerin ein Betrag von 277.904.94 S, den er einredeweise geltend mache, zu. Außerdem behauptete der Beklagte, Ersatzansprüche wegen Entzuges des Kundenstockes und wegen Verrechnung überhöhter Einstandspreise gegen die Klägerin zu haben

Das Erstgericht erkannte, daß der Wechselzahlungsauftrag aufrecht bleibe, und stellte fest:

Zwischen den Parteien wurde am 21. September 1962 ein Vertriebsvertrag abgeschlossen. Mit Brief und Gegenbrief vom Februar 1966 wurde dieser Vertrag nach vorhergegangenen mündlichen Verhandlungen einverständlich aufgelöst. Dabei wurde vereinbart, daß der Beklagte den aushaftenden Warensaldo an die Klägerin in sechs Teilzahlungen abzustatten hat. Zur Sicherung übergab gewährte die Klägerin eine Prolongation bis 15. September 1966, doch blieb von dieser Rate der Klagsbetrag offen. In § 2 Punkt 3 des Vertriebsvertrages wurde vereinbart, daß dem Beklagten gegenüber dem Kaufpreisanspruch der Klägerin kein Zurückbehaltungs- oder Aufrechnungsrecht zustehe.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, auf Grund des vertraglich vereinbarten Kompensationsverbotes stehe dem Beklagten das Recht, Gegenforderungen aufzurechnen, nicht zu. Der Kläger könne daher die dem Klagsanspruch einredeweise entgegengestellten Forderungen nur im Wege einer eigenen Klage geltend machen.

Das Berufungsgericht erkannte mit Teilurteil, daß der Wechselzahlungsauftrag bloß hinsichtlich eines Betrages von 134.927.49 S s. A. aufrecht erhalten bleibe, und faßte den Beschluß, daß das Ersturteil, soweit dieses den Wechselzahlungsauftrag auch hinsichtlich des restlichen Betrages von 16.000 S s. A. und der Kosten aufrecht hielt, und der Ausspruch über die weiteren Verfahrenskosten aufgehoben werden. Es trug dem Prozeßgericht auf, nach Rechtskraft dieses Beschlusses im Umfange der Aufhebung neuerlich zu entscheiden. Es gelangte zur Auffassung, das in § 2 Punkt 3 des Vertrages vom 21. September 1962 festgelegte Kompensationsverbot habe bis zur Liquidierung aller Ansprüche aus dem Vertrieb der Erzeugnisse der Klägerin zu gelten und sei nicht auf die Dauer des eigentlichen Vertriebes, bzw. auf die Vertragsdauer beschränkt. Dem Vertrag sei auch nicht zu entnehmen, daß Gegenforderungen, die erst nach der Vertragsauflösung entstanden seien, von dem Aufrechnungsverbot ausgenommen sein sollten. Dieses Verbot diene der Sicherung des Anspruches der Klägerin, die durch Warenlieferungen Vorleistungen erbracht habe, und bestehe so lange, als die Klägerin Forderungen aus diesen Lieferungen habe. Das Sicherungsbedürfnis der Klägerin bestehe auch hinsichtlich solcher Forderungen, die erst nach Vertragsauflösung entstanden seien. Da das Aufrechnungsverbot nur bezüglich der aus dem Vertriebsvertrag stammenden Forderungen wegen Lieferung von Mineralölprodukten gelte, falle darunter nicht der Kaufpreis von 80.000 S für Stahlblechfässer, der in der gemeinsam festgestellten Abrechnungssumme von 1.077.272.23 S enthalten sei. Davon hafte noch ein Teil der letzten Rate aus. Nach natürlichen Rechtsgrundsätzen sei anzunehmen, daß die Schulden an die Klägerin gleichmäßig abgestattet werden sollten. Der Beklagte habe, ebenso wie auf die Erzeugnisse der Klägerin, auf den Kaufpreis für die Stahlblechfässer bereits vier Fünftel, d. s. für letztere 64.000 S bezahlt, sodaß hinsichtlich der Fässer nur noch 16.000 S als nicht beglichen anzusehen seien. Nur hinsichtlich dieses letzteren Betrages könne der Beklagte von seinem Kompensationsrecht Gebrauch machen. Es sei demnach hinsichtlich des Teilbetrages von 16.000 S das Ersturteil aufzuheben gewesen. Insoweit sei das erstgerichtliche Verfahren mangelhaft geblieben, als noch über die eingewendeten Gegenforderungen Feststellungen zu treffen seien.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsrüge vermeint, infolge "Auflösung" des Vertriebsvertrages vom Jahre 1962 durch die Vereinbarung vom Februar 1966 sei auch das Kompensationsverbot aufgehoben worden, weil dieses Verbot von der Auflösungsvereinbarung nicht ausgenommen worden sei; außerdem beziehe sich das seinerzeit vereinbarte Aufrechnungsverbot überhaupt nicht auf Gegenforderungen, die erst nach der Auflösung des Vertriebsvertrages entstanden seien.

Diese Ansicht kann nicht überzeugen. Der Vertriebsvertrag wurde durch die Vereinbarung der Streitteile vom Februar 1966 nicht ex tunc aufgelöst. Die Parteien sind vielmehr übereingekommen, die Vertragsdauer mit Ende Jänner 1966 zu begrenzen, und trafen hinsichtlich der mit der Beendigung des Vertrages zusammenhängenden Fragen eine einvernehmliche Regelung. Dabei wurde auch die Höhe der Forderung der Klägerin festgestellt und dem Beklagten Zahlung in Teilbeträgen zugestanden. Das Kompensationsverbot des Vertriebsvertrages, das durch diese Vereinbarung weder ausdrücklich noch auf eine sonst erkennbare Weise aufgehoben wurde, blieb zugunsten der für die Lieferung von Erzeugnissen entstandenen Forderungen der Klägerin wirksam. Mangels einer entgegenstehenden Parteienabrede hat das Aufrechnungsverbot auch gegenüber solchen Gegenforderungen, die nach der Auflösungsvereinbarung entstanden sind, Gültigkeit.

Dem Einwand des Revisionswerbers, ein vertragliches Kompensationsverbot, das solange wirksam sein soll, als die Klägerin Forderungen aus ihren Lieferungen habe, sei sittenwidrig, kann nicht gefolgt werden. Das Kompensationsverbot würde etwaige Gewährleistungsansprüche - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht berühren. Ein Aufrechnungsverbot zugunsten bestimmter Forderungen kann vertraglich rechtswirksam begrundet werden (EvBl. 1962 Nr. 184 u. a.). Es besteht kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, daß dieses Verbot mangels einer entgegenstehenden Vereinbarung solange zu gelten hat, als eine von diesem Verbot begünstigte Forderung besteht.

Der Beklagte bekämpft schließlich die Ansicht des Berufungsgerichtes, es könne der Beklagte nicht gegen die ganze Forderung für die Lieferungen von Stahlblechfässern (80.000 S) aufrechnen, weil diese durch die vom Beklagten geleisteten Teilzahlungen bereits verhältnismäßig getilgt sei. Er vertritt dagegen die Ansicht, diese Teilzahlungen seien auf die für ihn lästigere Schuld, d. i. auf die vom Aufrechnungsverbot begünstigte Forderung zu verrechnen, sodaß die Forderung von 80.000 S noch zur Gänze im Klagsbetrag enthalten sei und daher eine gleich hohe Summe aufgerechnet werden könne.

Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Nach Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB.) muß die Erklärung des Schuldners, welche von mehreren Forderungen er als getilgt angesehen wissen will, schon bei der Leistung abgegeben werden, damit der Gläubiger in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, welche seiner Forderungen er noch geltend machen kann (Klang-Komm.[2] VI 383 zu § 1416 ABGB.). Daß der Beklagte bei den bisher getätigten Zahlungen eine Erklärung in diesem Sinne abgegeben hätte, wurde nicht behauptet, ebenso nicht, daß vereinbarungsgemäß die ganze Forderung von 80.000 S erst mit der letzten Rate getilgt werden soll. In der Abrechnung waren mehrere Schuldposten in eine Gesamtsumme (1.077.272.23 S) zusammengefaßt worden. Deren Tilgung sollte in sechs gleichen Raten (die letzte Rate geringfügig niedriger als die übrigen) erfolgen, ohne daß bestimmt worden wäre, welche der mehreren Forderungen, mit den einzelnen Raten getilgt werden sollten. Es hat daher der Grundsatz zu gelten, daß alle Schuldposten insofern ein Ganzes bilden und die einzelnen Teilzahlungen nicht auf bestimmte Posten, sondern auf das Ganze geleistet werden (vgl. RSpr. 1934 Nr. 356, 7 Ob 451/56). Der Beklagte kann sich daher nachträglich nicht darauf berufen, daß sich seine Zahlungen allein auf die vom Aufrechnungsverbot begünstigten Forderungen der Klägerin bezogen hätten. Die vom Berufungsgericht angenommene anteilsmäßige Tilgung auch der Schuldpost für die Stahlblechfässer war daher der Entscheidung zugrunde zu legen (GlU. 9924).

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