OGH 6Ob211/67

OGH6Ob211/6727.7.1967

SZ 40/105

Normen

ZPO §235
ZPO §553
ZPO §559
ZPO §235
ZPO §553
ZPO §559

 

Spruch:

Die Besonderheit des Wechselverfahrens als Urkundenverfahren schließt die Zulässigkeit einer Klagsänderung nicht grundsätzlich aus.

Entscheidung vom 27. Juli 1967, 6 Ob 211/67.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger brachte mehrere Wechselklagen gegen den Beklagten im Wechselmandatsverfahren ein, welche mit Beschluß des Erstgerichtes vom 13 März 1967 gemäß § 187 ZPO. zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden.

In den vorgelegten Wechseln ist Johann G., Schuhfabrik, Wien, als Bezogener genannt, welcher die Wechsel auch akzeptiert hat. Unmittelbar neben der Unterschrift des Akzeptanten befindet sich ohne näheren aufklärenden Beisatz die Unterschrift des Beklagten Kurt H. Der Kläger beantragte die Erlassung von Wechselzahlungsaufträgen, in welchen dem Beklagten als Akzeptanten die Zahlung der Wechselsummen samt Anhang aufgetragen werden wolle. Das Erstgericht erließ die Wechselzahlungsaufträge antragsgemäß. In den Einwendungen machte der Beklagte unter anderem geltend, er habe die Unterschrift auf die Wechsel ohne einen Zusatz im Vertrauen auf den klaren Wortlaut des Gesetzes (Art. 31 (4) WG.) nach Rechtsbelehrung gesetzt und er gelte wechselmäßig somit als Bürge des Ausstellers.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 30. März 1967 "stellte" der Kläger "sein Begehren dahin richtig", daß dem Beklagten nicht als Akzeptanten, sondern als Bürgen für den Akzeptanten die Zahlung der Wechselsummen aufgetragen werde. Der Beklagte bezeichnete diese Prozeßerklärung als Klagsänderung und sprach sich dagegen aus, da sie im Wechselverfahren unzulässig sei.

Mit Beschluß vom 30. März 1967 ließ das Erstgericht die auch von ihm als Klagsänderung beurteilte Prozeßerklärung des Klägers zu. Es ging davon aus, daß auch im Wechselverfahren eine Klagsänderung nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei, wenngleich ihr hier besonders enge Grenzen zu ziehen seien. Im vorliegenden Falle werde auch nach der Klagsänderung der Anspruch auf dasselbe Wechselpapier gegrundet, geändert werde lediglich die Qualifikation der wechselmäßigen Haftung des Beklagten, was keineswegs ausgeschlossen sei. Am nämlichen Tage fällte das Erstgericht das Urteil in welchem es die verbundenen Wechselzahlungsaufträge mit der Maßgabe aufrecht erhielt, daß dem Beklagten die Bezahlung der Wechselsummen samt Anhang nicht als Akzeptanten, sondern als Bürgen für den Akzeptanten aufgetragen wurde.

Der Beschluß des Erstgerichtes wurde mit Rekurs, das Urteil mit Berufung seitens des Beklagten bekämpft. Das Berufungsverfahren ist noch anhängig.

Dem Rekurs gab das Rekursgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß die Klagsänderung nicht zugelassen wurde. Zur Begründung dieser Entscheidung wurde ausgeführt, es ergebe sich aus § 554 ZPO., daß Klage und Wechselzahlungsauftrag ein verschiedenes Schicksal haben können. Die für die Änderung des Klagebegehrens geltenden Vorschriften könnten daher nicht ohne weiteres auf Fälle angewendet werden, in denen auch der Zahlungsauftrag dadurch berührt würde. Es komme hinzu, daß das Klagebegehren der Disposition der Parteien unterliege, der Zahlungsauftrag aber ein Beschluß des Gerichtes sei und nur durch dieses geändert werden könne. Gemäß den §§ 559 und 553 ZPO. sei im Urteil auszusprechen, ob der erlassene Zahlungsauftrag aufrecht erhalten bleibe. Der Bestand der Wechselforderung sei nur im Rahmen der Einwendungen Gegenstand des Verfahrens, darüber hinaus aber nicht einmal dann, wenn ein Mangel aktenkundig sei. Es widerspreche dem Grundsatz der Waffengleichheit, den Beklagten für das Übersehen von Einwendungen einstehen zu lassen, dem Kläger aber, wenn der Beklagte mit seinen Einwendungen Erfolg hätte, die Änderung der Klage zu gestatten. Außerdem sei die Eventualmaxime im Wechselverfahren nur zu vertreten, wenn der Kläger den erlassenen Zahlungsauftrag nicht mehr ändern könne. Der Beklagte wäre aber auch dann im Nachteil, wenn bei Zulässigkeit einer Klagsänderung neuerliche Einwendungen zulässig wären.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers Folge und stellte die Entscheidung der ersten Instanz wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Ansicht des Rechtsmittelwerbers, daß die in Frage stehende Prozeßerklärung überhaupt keine Klagsänderung darstellte, kann nicht geteilt werden. Auch wenn die Zahlungspflicht eines Akzeptanten und die Zahlungspflicht eines Wechselbüros im Ergebnis auf die nämliche Leistung hinauslaufen, bedeutet doch die Inanspruchnahme des Beklagten entweder als Akzeptanten oder als Wechselbürgen die Geltendmachung eines verschiedenen Rechtsgrundes, der Anspruch wird aus verschiedenen rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet. Es mag sein, daß es genügt hätte, wenn sich der Kläger ganz allgemein auf die vom Beklagten unterschriebenen Wechsel berufen hätte (vgl. Stanzl S. 15), doch muß er gegen sich gelten lassen, daß er sein Vorbringen durch die Behauptung, der Beklagte hafte gerade als Akzeptant, rechtlich eingeengt hätte. Daher lag in der Erklärung des Klägers, die vom Beklagten bekämpften Wechselzahlungsaufträge mögen mit der Maßgabe aufrecht erhalten werden, daß der Beklagte als Bürge schuldig sei, die Wechselsummen zu bezahlen, eine echte Klagsänderung im Sinne des § 235 ZPO. gegen die sich der Beklagte ausgesprochen hat; es ist also noch zu untersuchen, ob das Erstgericht die Klagsänderung mit Recht zugelassen hat. Die gesetzlichen Vorschriften über den allgemeinen Zivilprozeß gelten auch im Rahmen der verschiedenen besonderen Verfahrensarten insoweit, als das Gesetz für die betreffende Verfahrensart nicht abweichende Bestimmungen enthält oder die in Frage stehende allgemeine prozeßrechtliche Vorschrift nicht mit dem Wesen und dem Sinn dieser besonderen Verfahrensart unvereinbar ist.

Obwohl es grundsätzlich richtig ist, daß im Wechselmandatsverfahren nach Erhebung von Einwendungen streitig darüber zu entscheiden ist, ob der erlassene Wechselzahlungsauftrag aufrecht erhalten oder teilweise aufrecht erhalten oder aufgehoben wird, steht die Judikatur auf dem Standpunkt, daß ein Wechselzahlungsauftrag außer mit Einschränkungen auch mit Änderungen aufrecht erhalten werden kann (SZ.XXXV 134; Rspr. 1936 Nr. 309; Rspr. 1933 Nr. 13; GH. 1876 S. 452 u. a.). Was nun im besonderen die Frage der Zulässigkeit einer Klagsänderung im Wechselmandatsverfahren betrifft, so schließt die Besonderheit des Wechselverfahrens als Urkundenverfahren die Zulässigkeit einer Klagsänderung nicht grundsätzlich aus, es liegt aber im Wesen des Wechselverfahrens, einer Klagsänderung noch engere Grenzen zuziehen als im allgemeinen Zivilverfahren (EvBl. 1936 Nr. 159; Pollak[2] S. 404, Fasching Komm. III S. 108). Dies hat das Erstgericht richtig erkannt. Die Enge dieser Grenzen muß unter dem Gesichtspunkt geprüft werden, daß die Einschränkung allgemein zulässiger Klägerrechte nur so weit vertreten werden kann, als durch ihre Ausübung der Beklagte in einen durch die besondere Verfahrensart drohenden, nicht zumutbaren prozessualen Nachteil geraten könnte. In dieser Richtung bewegen sich ja auch die Gedankengänge des Rekursgerichtes, doch nötigen dessen Besorgnisse im vorliegenden Fall nicht, Unzulässigkeit der Klagsänderung anzunehmen.

Wie der Rechtsmittelwerber zutreffend ausführt, ergibt sich schon aus den vorgelegten Wechselurkunden unzweideutig, daß nur Johann G. Bezogener und somit Akzeptant ist. Die auf der Vorderseite des Wechsels stehende Unterschrift des Beklagten kann nur eine Wechselbürgschaft begrunden (Art. 31 (3) WG.), wessen Bürge der Beklagte ist, stellt eine Frage der Sachentscheidung dar. Für ein Ehrenakzept gemäß Art. 55 f. WG. fehlt in der Aktenlage, insbesondere der Wechselurkunde (Art. 57 WG.), jeder Anhaltspunkt, sodaß auf die Frage, welche Tragweite ein Ehrenakzept zugunsten des Annehmers eines Wechsels hätte, nicht eingegangen zu werden braucht. Jedenfalls konnte der Beklagte bei Zustellung der Wechselklage, des Wechselzahlungsauftrages und der Wechselabschrift klar erkennen, daß er irrtümlich als Akzeptant in Anspruch genommen wurde, obwohl er in Wahrheit Wechselbürge ist, und er selbst hat ja diesen Umstand in seinen Einwendungen ausdrücklich geltend gemacht. Wenn in der Folge der Kläger die mehrfach zitierte Klagsänderung erklärt hat, dann kann daraus dem Beklagten trotz der Besonderheiten des Wechselmandatsverfahrens kein unzumutbarer prozessualer Nachteil drohen, weil die Prozeßerklärung des Klägers in Wahrheit eine teilweise Beugung vor dem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eingenommenen Standpunkt des Beklagten bedeutete, dessen Rechtsverteidigung somit nicht erschwert, sondern erleichtert wurde. Eine solche Klagsänderung, die eine teilweise Anpassung an den Rechtsstandpunkt des Beklagten enthält - strittig blieb ja nur die Frage, wessen Bürge der Beklagte ist - hat nichts mit einer Behinderung des Beklagten durch die Eventualmaxime zu tun, von der das Rekursgericht ausgegangen ist. Dementsprechend ist im vorliegenden Fall auch nicht die Frage aufgetaucht, ob nach einer Klagsänderung dem im Wechselmandatsverfahren Beklagten die Möglichkeit der Erhebung weiterer Einwendungen zugestanden werden müßte.

Auszugehen ist somit von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Klagsänderung im Sinne des § 235 ZPO. auch im Wechselmandatsverfahren. Außerdem ist durch § 557 ZPO. nicht vorgeschrieben, daß im Wechselzahlungsauftrag selbst spezifiziert werden müßte aus welchem materiellrechtlichen Grund (Annahme, Bürgschaft u. v. a.) die Wechselzahlungspflicht angenommen werde. Das wirklich Wesentliche der erlassenen Wechselzahlungsaufträge ist also nur die Zahlungsverpflichtung des Beklagten aus einem wechselmäßigen Skripturakt, demgegenüber tritt die Frage, ob sich diese Verpflichtung aus einem Akzept, aus einer Wechselbürgschaft oder aus einem Indossament ergibt, an Bedeutung so weit in den Hintergrund, daß sich auch keine aus dem Wechselmandatsverfahren entspringenden Bedenken in rein formeller Beziehung dagegen erheben, die vom Kläger erklärte Klagsänderung zuzulassen. Überhaupt gilt auch hier mutatis mutandis die grundsätzliche Regel, daß Klagsänderungen tunlichst zuzulassen sind (SZ. XXVII 167; Fasching Komm. Band III S. 122). Diese Tunlichkeit liegt diesmal - bei Bedachtnahme auf die Besonderheiten des Wechselprozesses - vor.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte