OGH 6Ob156/67

OGH6Ob156/6716.6.1967

SZ 40/84

Normen

ABGB §918
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art8 Nr. 3
ABGB §918
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art8 Nr. 3

 

Spruch:

Die von der Judikatur entwickelten Grundsätze über die Notwendigkeit der Nachfristsetzung nach § 918 ABGB. gelten sinngemäß auch für vertraglich vereinbarte Rücktrittsrechte unter Nachfristsetzung.

Entscheidung vom 16. Juni 1967, 6 Ob 156/67.

I. Instanz: Bezirksgericht Schwechat; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Mit Kaufvertrag vom 26. März 1965 kaufte die Beklagte vom Kläger einen LKW "im Zustande wie besichtigt und probegefahren" um 32.000 S. Als schließliche Zahlungskondition wurde eine Barzahlung von 50.000 S bei Übernahme und die Hingabe eines Akzepts über 22.000 S vereinbart. Die Übernahme sollte am 1. April 1965 im Werk der Beklagten in W. erfolgen. Die Beklagte hatte verschiedene kostenlos vorzunehmende Instandsetzungen verlangt. Die im Kaufvertrag enthaltenen Kauf- und Lieferbedingungen enthalten nachstehende Bestimmung: "Im Falle einer einverständlichen Vertragsauflösung oder für den Fall, daß der Käufer das gekaufte Fahrzeug unter Setzung einer Nachfrist von acht Tagen nicht übernimmt, erklärt sich der Käufer bereit, eine sofort fällige Stornogebühr in der Höhe von 10% des Kaufpreises zu bezahlen."

Am 31. März 1965 fuhr der Dienstnehmer des Klägers Alfons S. mit dem LKW nach W., um ihn der Beklagten zu übergeben und die Barzahlung in Empfang zu nehmen. An diesem Tage nahm er auf Wunsch der Beklagten auch die polizeiliche Anmeldung des Fahrzeuges für diese vor. Obwohl bei Vertragsabschluß am 26. März 1965 von einer derartigen Verpflichtung des Verkäufers nicht die Rede war, wurde am 31. März 1965 auf Wunsch der Beklagten der Mechanikermeister Sa. - der von der Beklagten beschäftigt wurde - herangezogen, um eine Probefahrt zu Unternehmen und den LKW auf Mängel zu untersuchen. S. und Sa. unternahmen die Probefahrt, wobei Sa. einige Mängel feststellte, die der Beklagten mitgeteilt wurden. S. sagte der Beklagten die kostenlose Behebung dieser Mängel zu, die handschriftlich festgehalten wurden, wobei auch vermerkt wurde, daß die kostenlose Instandsetzung als vereinbart gelte. Zugleich wurde die Übernahme des LKW nach erfolgter kostenloser Mängelbehebung durch den Kläger vereinbart. S. brachte hierauf den LKW nach Sch. zurück.

Am 1. April 1965 sandte die Beklagte dem Kläger ein Telegramm mit folgendem Wortlaut: "Möchten Kipper nicht mehr übernehmen, da Qualität entgegen ihrer Zusage undiskutabel". Am 2. April ließ die Beklagte folgendes Telegramm folgen: "Bezüglich Steyr-Kipper Irrtum über Qualität vor Übergabe des Kraftfahrzeuges aufgeklärt. Kauf daher nicht zustandegekommen".

Mit Schreiben vom 6. April 1965 teilte der Kläger der Beklagten die mittlerweile erfolgte Behebung der festgestellten Mängel mit und lehnte eine Annullierung des Kaufes ab. Zugleich bat der Kläger um Verständnis dafür, daß die Übernahme des LKWs nunmehr in Schwechat zu erfolgen habe, weil der Kläger nicht ein zweites Mal die Überstellungsspesen tragen könne. Der Kläger bot die Übergabe bis 12. April 1965 an und fügte bei, daß er sich weitere Schritte vorbehalten müsse, wenn dieser Termin seitens der Beklagten überschritten werden sollte. In einem Schreiben vom 27. April 1965 bekannte sich die Beklagte neuerlich zu den bereits zitierten Telegrammen vom 1. und 2. April 1965 und der Klagevertreter forderte mit Schreiben vom 7. Mai 1965 die Beklagte auf, innerhalb von drei Tagen den Betrag von 72.000 S zu erlegen und den Wagen zu übernehmen. Auf dieses Schreiben erhielt der Klagevertreter keine Antwort und er teilte der Beklagten mit einem weiteren Schreiben vom 18. Juni 1965 mit, daß entsprechend der vertraglich getroffenen Vereinbarung und infolge Verzuges in der Übernahme der LKW verkauft worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Bezahlung der Stornogebühr von 7200 S und der dem Kläger entstandenen Auslagen im Gesamtbetrage von 313 S ab.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne der Klagsstattgebung ab.

Das Erstgericht ging bei seiner Entscheidung rechtlich davon aus, daß der Kläger nicht sämtliche zur Mangelbehebung vereinbarungsgemäß notwendigen Zusatzarbeiten vorgenommen habe, weshalb der Kläger eine Übernahme des LKWs nicht hätte verlangen können. Aus diesem Gründe könne der Kläger auch nicht die vereinbarte Stornogebühr und seine Nebenspesen begehren.

Das Berufungsgericht beurteilte die Sache rechtlich dahin, daß die Setzung einer Nachfrist entbehrlich sei, wenn der Käufer schon vor dem Übernahmstag erkläre, den Kaufgegenstand nicht übernehmen zu wollen. Die Beklagte habe eindeutig erklärt, den LKW nicht übernehmen zu wollen und sie habe in der Folge unmißverständlich auf ihrem Standpunkt beharrt, wodurch die Setzung einer Nachfrist hinfällig geworden sei. Dem Verkäufer könne ein kostspieliger Aufwand auf die verkaufte Sache dann nicht zugemutet werden, wenn der Käufer eindeutig zu erkennen gebe, die Sache auf keinen Fall übernehmen zu wollen. Auch wenn der Kläger zwei Zusatzleistungen, die für ihn mit nicht unerheblichen Kosten verbunden gewesen wären, im Hinblick auf die Erklärungen der Beklagten nicht ausgeführt habe, könne dies nicht zum Verlust eines Anspruches auf Konventionalstrafe führen. Die Nichtbereitschaft des Klägers, den Wagen ein zweites Mal an den Erfüllungsort W. zu überstellen, könne als Reaktion des Klägers auf das Verhalten der Beklagten auch dann an dieser Rechtslage nichts ändern, wenn diese Reaktion einen vertragswidrigen Passus enthalte. Dadurch, daß die Beklagte an ihrem Standpunkt festgehalten habe und der Kläger zu einem Notverkauf geschritten sei, sei er letzten Endes auf das Storno der Beklagten eingegangen. Neben dem Betrage von 7200 S könne der Kläger gemäß Art. 8 Nr. 3 der

4. Einführungsverordnung auch einen die Vertragsstrafe übersteigenden Schaden ersetzt verlangen. Dieser Schaden sei von der Beklagten verschuldet worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten teilweise Folge und sprach dem Kläger nur den Betrag von 7200 S s. A. zu.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Den weitwendigen Ausführungen der Revisionswerberin in der Richtung, daß hinsichtlich des Verzuges und der Regelung für diesen Fall einerseits zwischen dem Gesetz und andererseits zwischen dem Vertrag unterschieden werden müsse, ist entgegenzuhalten, daß auch dann, wenn vollständig im Sinne der Revision vom Vertrag ausgegangen wird, der Klagsanspruch in der Hauptsache berechtigt ist. Mit den mehrfach zitierten Telegrammen hat die Beklagte erklärt, den LKW grundsätzlich nicht übernehmen zu wollen. Sie hat sich dadurch einseitig von der am Vortag getroffenen Vereinbarung distanziert, wonach der Kläger bestimmte Mängel kostenlos zu beheben und die Beklagte den LKW sodann zu übernehmen habe. Unter diesen Umständen bedurfte es der im Vertrag vorgesehenen Nachfristsetzung nicht mehr, weil ja die gesetzliche und ebenso die vertragliche Nachfrist den Sinn hat, dem in Verzug befindlichen Vertragspartner die Gelegenheit zur Erbringung seiner Leistung zu geben. Hat aber der Vertragspartner seine Nichtbereitschaft grundsätzlich erklärt - wie dies für den vorliegenden Fall zutrifft - dann wäre die Nachfristsetzung sinnlos und also auch kein Erfordernis für die Entstehung des im Vertrage für diesen Fall vorgesehenen Anspruches des Klägers. Die von der Judikatur diesbezüglich entwickelten Rechtssätze (SZ. XXXII 118; siehe auch die dort zitierte Literatur und Judikatur) gelten sinngemäß auch für vertraglich vereinbarte Nachfristen. Der Fall, für welchen die Stornogebühr von 7200 S vereinbart wurde, ist durch das vertragsbrüchige Verhalten der Beklagten eingetreten. Die Beklagte schuldet daher die vereinbarte Konventionalstrafe in Höhe von 7200 S. Obwohl es an sich richtig ist, daß die Beklagte gemäß Art. 8 Nr. 3 der 4.

Einführungsverordnung für einen die vereinbarte Konventionalstrafe übersteigenden Schaden haften könnte, kann doch der Zuspruch der Klagspositionen von 162 S, 120 S und 31 S einer Überprüfung der rechtlichen Beurteilung deshalb nicht standhalten, weil der Kläger hätte behaupten und beweisen müssen, daß diese Schadenspositionen in der Konventionalstrafe keine Deckung finden. Seitens des Klägers wurde aber nicht behauptet, daß diese Auslagen, die dem Kläger im Zusammenhang mit dem Vertragsbruch der Beklagten erwuchsen, ein die Konventionalstrafe übersteigender, zusätzlicher Schaden seien. Aus diesem Gründe erweist sich dieser Teil des Klagebegehrens als nicht berechtigt und die Rechtsrüge der Revision, welche eine Abänderung des Urteils im Sinne der Abweisung des gesamten Klagebegehrens anstrebt, ist teilweise begrundet.

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