OGH 5Ob77/67

OGH5Ob77/6731.5.1967

SZ 40/78

Normen

AußStrG §16
NWG §2 (1)
AußStrG §16
NWG §2 (1)

 

Spruch:

Die Unterlassung jeder Stellungnahme zur Frage der auffallenden Sorglosigkeit (§ 2 (1) NotwegeG.) stellt eine offenbare Gesetzwidrigkeit dar (§ 16 AußStrG.).

Entscheidung vom 31. Mai 1967, 5 Ob 77/67.

I. Instanz: Bezirksgericht Hallein; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.

Text

Die Ehegatten Alfons und Maria A., Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ. X., beantragten die gerichtliche Einräumung eines Notweges in Form einer Dienstbarkeit des Fahrtrechtes auf dem zur Liegenschaft der Antragsgegner EZ, Y. gehörigen Privatweg mit der Grundstücknummer 87/2.

Das Erstgericht gab diesem Begehren nach Durchführung eines Lokalaugenscheines unter Beiziehung zweier Sachverständiger statt. Auf Grund der Erklärung der Bezirkshauptmannschaft Hallein gemäß § 9 NotwegeG. stehen öffentliche Interessen nicht entgegen.

Das Rekursgericht bestätigte.

Dagegen richtet sich der gemäß § 16 AußStrG. zu behandelnde außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner (siehe 6 Ob 357/61, 2 Ob 305/63 = RiZ. 1964 S. 142 f., 5 Ob 94/65 u. z. a.). Er ist also im Sinne des ersten Absatzes des § 16 AußStrG. nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nichtigkeit zulässig.

Der Oberste Gerichtshof gab diesem Revisionsrekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem Gericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragsgegner gegen den erstgerichtlichen Beschluß auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Eine Nichtigkeit oder eine offenbare Aktenwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung wird im Revisionsrekurs nicht geltend gemacht und es lassen sich den Rechtsmittelausführungen auch keine Anhaltspunkte für Behauptungen in dieser Richtung entnehmen. Doch wird im Revisionsrekurs ausgeführt, daß die Entscheidung der zweiten Instanz sowohl gegen die Intentionen des Notwegegesetzes als auch gegen dessen klare Bestimmungen verstoße. Dies wird damit begrundet, daß das Rekursgericht sich mit dem im Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung vorgebrachten Einwand der Antragsgegner nicht befaßt habe, laut dem die behauptete Notlage der Antragsteller, soferne diese überhaupt gegeben sei, durch einen Umbau im Jahre 1956 in auffallender Sorglosigkeit selbst verschuldet worden sei. Durch die Nichtbeachtung dieses wesentlichen Einwandes der Antragsgegner habe sich das Rekursgericht über die Grundsätze des NotwegeG. hinweggesetzt. Die Entscheidung des Rekursgerichtes verstoße daher sowohl materiell als auch formell gegen die Bestimmungen des § 2 NotwegeG.

Hiezu ist zu sagen, daß das Rekursgericht auf diesen erst in der zweiten Instanz erhobenen Einwand der Antragsgegner tatsächlich überhaupt nicht eingegangen ist.

Die Entscheidung darüber, ob eine offenbare Sorglosigkeit im Sinne des § 2 NotwegeG. gegeben ist oder nicht, betrifft ebenso wie das Ergebnis der vorgenommenen Interessenabwägung die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes durch die Vorinstanzen (6 Ob 357/61, 5 Ob 94/65 u. a.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist der Begriff der offenbaren Gesetzwidrigkeit dem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gleichzuhalten, weil nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung bereits eine offenbare Gesetzwidrigkeit sein muß. Nur bei Verletzung einer ausdrücklichen und eindeutigen gesetzlichen Bestimmung des materiellen Rechtes kommt der Beschwerdegrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit in Betracht. Solche ausdrückliche und eindeutige gesetzliche Bestimmungen sind hinsichtlich der Interessenabwägung im NotwegeG. nicht enthalten, es handelt sich vielmehr hier um die Auslegung der in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen unter Bedachtnahme auf den zur Beurteilung vorliegenden konkreten Fall, worin aber niemals eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegen kann.

Auch hinsichtlich der von den Antragsgegnern in ihrem Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung behaupteten auffallenden Sorglosigkeit der Antragsteller, auf die der Mangel der Wegeverbindung zurückzuführen sein soll (§ 2 (1) NotwegeG.), liegen keine ausdrücklichen und eindeutigen Bestimmungen darüber vor, ob und wann im konkreten Fall eine solche "auffallende Sorglosigkeit" anzunehmen ist oder nicht. Doch ist im Gesetz (§ 2 (1) NotwegeG.) ausdrücklich und eindeutig gesagt, daß das Begehren um Einverleibung eines Notweges dann unzulässig ist, wenn der Mangel der Wegeverbindung auf eine auffallende Sorglosigkeit des - antragstellenden - Gründeigentümers zurückzuführen ist. Dies haben aber die Antragsgegner in ihrem Rekurs gegen die erstgerichtliche Entscheidung behauptet und sie durften diesen Einwand gemäß § 10 AußStrG. (§ 9 (3) NotwegeG.j auch erst in ihrem Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung erheben.

Die Beurteilung der Frage durch eine Vorinstanz, ob im konkreten Fall eine auffallende Sorglosigkeit im Sinne des § 2 (1) NotwegeG. zu bejahen ist oder nicht, könnte aus den oben bereits angeführten Gründen wohl keine offenbare Gesetzwidrigkeit darstellen. Diesfalls wurde aber von der zweiten Instanz überhaupt jede Prüfung des in dieser Richtung erhobenen Einwandes unterlassen, sodaß gar nicht beurteilt werden kann, ob und warum eine auffallende Sorglosigkeit angenommen wurde oder nicht. Die Unterlassung der Prüfung dieses Einwandes der Antragsgegner verstößt gegen eine ausdrückliche und eindeutige Bestimmung des materiellen Rechtes, nämlich gegen die Bestimmung des § 2 (1) NotwegeG., laut der die Einräumung eines Notweges nur zulässig ist, wenn nicht eine auffallende Sorglosigkeit der Antragsteller im Sinne der angeführten Gesetzesstelle vorliegt. Dadurch, daß die zweite Instanz jede Prüfung des betreffenden Einwandes der Antragsteller unterlassen und überhaupt nicht ausgeführt hat, ob es eine solche auffallende Sorglosigkeit für gegeben ansieht oder nicht, hat es also eine zwingend vorgeschriebene materiell-rechtliche Voraussetzung der Einräumung eines Notweges - nämlich das Fehlen einer solchen auffallenden Sorglosigkeit - nicht geprüft und damit gegen die ausdrückliche und eindeutige gesetzliche Bestimmung des § 2 (1) NotwegeG. verstoßen. Darin liegt eine offenbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung des Rekursgerichtes; sie war deshalb aufzuheben und der zweiten Instanz die neuerliche Entscheidung unter Bedachtnahme auf den von den Antragsgegnern erhobenen Einwand der auffallenden Sorglosigkeit der Antragsteller aufzutragen.

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