OGH 1Ob87/67

OGH1Ob87/6718.5.1967

SZ 40/74

Normen

ABGB §778
ABGB §778

 

Spruch:

Für einen Noterben (Adoptivkind) ist in einem Testament "keine Vorsehung getroffen" (§ 778 ABGB.), wenn ihm in seiner früheren Eigenschaft als Pflegekind etwas zugedacht ist.

Entscheidung vom 18. Mai 1967, 1 Ob 87/67.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Die am 20. Dezember 1963 verstorbene Anna H., geborene Sch., und der Beklagte, ihr Ehemann, errichteten am 20. Mai 1943 bzw. am 23. Mai 1943 folgendes gemeinschaftliches Testament:

"Wir Ehegatten Otto und Anni H., geborene Sch., in H. setzen uns hiemit gegenseitig als alleinige Erben unseres gesamten Nachlasses ein, gleichviel, in was dieser bestehen mag. Als Erben des Überlebenden von uns setzen wir zu gleichen Anteilen unsere beiden Pflegekinder Alfons und Otto A. in H. (zu gleichen Anteilen) ein. Sollte eines dieser Kinder ohne Hinterlassung von. Abkömmlingen verstorben sein, so ist das Überlebende dieser Kinder der alleinige Erbe. Beim Vorhandensein von Abkömmlingen sollen diese Ersatzerben sein. Das Überlebende von uns ist berechtigt, dieses unser Testament zu widerrufen oder auch abändernde Bestimmungen zu treffen. Vorsorglich bemerken wir noch, daß der überlebende Gatte Vollerbe ist und die Kinder A. keine Nacherben. S., den 20. Mai 1943, Unterschriften e. h."

Mit Adoptionsvertrag vom 26. Oktober 1955 haben die Eheleute Otto und Anna H. ihre beiden Pflegekinder Alfons und Otto A. an Kindes Statt angenommen. Die beiden führen seither den Namen H. Einwilligung und Bestätigung dieser Adoption ist durch das Bezirksgericht Bezau mit Beschluß vom 31. Dezember 1955 erfolgt. Im Abhandlungsverfahren nach Anna H. gaben die beiden Adoptivsöhne Alfons und Otto H. auf Grund des Gesetzes zu je drei Achtel die bedingte Erbserklärung ab, der Beklagte gab auf Grund des Testamentes vom 20. Mai 1943 die unbedingte Erbserklärung ab. Mit Beschluß vom 21. August 1965 nahm das Bezirksgericht Bezau die bedingten Erbserklärungen der Adoptivsöhne Alfons und Otto H. auf Grund des Gesetzes zu je drei Achtel des Nachlasses und die vom erblasserischen Ehegatten Otto H. zum ganzen Nachlaß auf Grund des Testamentes vom 20. Mai 1943 abgegebene unbedingte Erbserklärung zu Gericht an. Gemäß den §§ 125, 126 (1 AußStrG) . wurde den erblasserischen Adoptivsöhnen infolge der widersprechenden Erbserklärungen die Klägerrolle zugeteilt und ihnen aufgetragen, binnen zwei Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Testamentes einzubringen.

Mit der vorliegenden Klage beantragte Otto H. jun. das Urteil, das gemeinschaftliche Testament der Anna H., geborene Sch., und des Beklagten Otto H. sen. vom 20. Mai 1943 sei ungültig; dem Kläger Otto H. jun. stehe auf Grund des Gesetzes das Erbrecht zum Nachlaß der Frau Anna H., geborenen Sch., zu. Zur Begründung brachte der Kläger vor, er und sein Bruder Alfons seien im Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch gar nicht Noterben gewesen, weshalb sie als solche auch nicht übergangen werden konnten; durch ihre spätere Adoption sei das Testament aber gemäß § 778 ABGB. entkräftet worden.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil der Kläger und sein Bruder im Abhandlungsverfahren zu seinen Gunsten vorbehaltlos auf Erbansprüche verzichtet hätten; im übrigen sei im Testament für den Kläger und seinen Bruder "Vorsorge getroffen", sodaß das Testament durch die Adoption nicht außer Kraft gesetzt worden sei.

Das Erstgericht erkannte gemäß dem Klagebegehren.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Eine Erbsentschlagung im Sinne des § 805 ABGB. durch den Kläger und dessen Bruder sei, so führt das Berufungsgericht aus, dem Vorbringen des Beklagten nicht zu entnehmen; der behauptete Erbverzicht hätte aber zur Gültigkeit gemäß § 1278 (2) ABGB. der Aufnahme eines Notariatsaktes oder der Beurkundung durch gerichtliches Protokoll bedurft, was nicht geschehen sei; der Kläger und sein Bruder seien im gemeinschaftlichen Testament des Beklagten und der Erblasserin vom 20. Mai 1943 bzw. vom 23. Mai 1943 als Noterben nicht bedacht worden; sie hätten in diesem Testament auch nicht als Noterben bedacht werden können, weil sie im Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch nicht Noterben gewesen seien; erst durch die am 26. Oktober 1955 erfolgte Adoption hätten sie als Wahlkinder gegenüber dem Beklagten und dessen Ehegattin als ihren Wahleltern die Rechtsstellung von Noterben erlangt; demgemäß habe die Bestimmung des § 778 ABGB. auf den vorliegenden Fall Anwendung zu finden; da die Erblasserin im Testament für den Kläger und dessen Bruder als Noterben nicht Vorsehung getroffen habe und mangels ihrer Noterbeneigenschaft im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gar nicht Vorsehung habe treffen können, sei gemäß § 778 ABGB. das Testament vom 20. Mai 1943 bzw. vom 23. Mai 1943 zur Gänze entkräftet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Rechtsmittelwerber verweist zutreffend und übereinstimmend mit den Untergerichten darauf, daß für die Beurteilung der Rechtssache entscheidend ist, wie § 778 Satz 2 und 3 ABGB., der hier zur Anwendung kommt, auszulegen ist. Nach diesen gesetzlichen Bestimmungen werden (mit gewissen, hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen) alle Anordnungen des letzten Willens gänzlich entkräftet, wenn ein kinderloser Erblasser erst nach Erklärung seines letzten Willens einen Noterben erhält, für den keine Vorsehung getroffen ist. Der Rechtsmittelwerber glaubt nun, daß für den Kläger im Testament der Erblasserin "Vorsehung getroffen" worden sei, weil seine rechtliche Stellung nach dem Ableben beider Ehegatten im einzelnen festgelegt worden ist. Daß er auch irgendwie bedacht worden sei, sei nicht erforderlich. Hiefür beruft sich der Rechtsmittelwerber auf Weiss in Klang[2] III 883 und Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht[2], S 417.

Dies aber nicht mit Recht, weil diese Autoren a. a. O. nur den Fall erörtern, daß im letzten Willen für ein nachgeborenes Kind, von dem also auch schon im Zeitpunkt der Errichtung des letzten Willens gewiß ist, daß es Noterbe sein wird, Vorsorge getroffen wurde, wenn auch in der Form, daß es nichts aus dem Nachlaß erhalten soll. Dieser Fall ist von dem hier in Frage stehenden wesentlich verschieden, weil im vorliegenden Fall bei der Errichtung des letzten Willens für Pflegekinder Anordnungen getroffen wurden, die als solche kein Noterbrecht haben. Als Noterben sind sie also übergangen worden. Die Anordnungen im letzten Willen, die für den Kläger als nicht noterbberechtigtes Pflegekind getroffen worden sind, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr gelten, wenn er Noterbe wird, weil sie dem vom Gesetzgeber vermuteten Willen des Erblassers nicht entsprechen (vgl. SZ. XXXI 21). Im Testament findet sich nun kein Hinweis, daß die den Kläger betreffenden Verfügungen auch für den Fall gelten sollten, daß er einmal Noterbe sein wird. Eine solche Absicht der Erblasserin ist auch nicht festgestellt worden. Daß der Kläger als Verwandter der Erblasserin vielleicht in abstracto, d. h. abgesehen von dem die Verwandtenerbfolge ausschließenden Testament, erbberechtigt wäre, wie der Revisionswerber behauptet, ist hier unerheblich.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte