Spruch:
Wiederkaufsrecht einer Stadtgemeinde.
Entscheidung vom 3. Mai 1967, 1 Ob 73/67.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Die klagende Stadtgemeinde R. begehrt unter Berufung auf das zu ihren Gunsten auf der Liegenschaft EZ. 412 II KG. V. einverleibte Wiederkaufsrecht, den Beklagten Otto H. schuldig zu erkennen, die genannte Liegenschaft unbelastet Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises von 28.460 S in das Eigentum der klagenden Partei zu übertragen und überdies zu erklären, daß er in die Einverleibung des Eigentumsrechtes an der Liegenschaft zugunsten der klagenden Partei einwillige, sowie die Liegenschaft lastenfrei zu stellen und die bestehende Pfandbelastung löschen zu lassen.
Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben und ist bei seiner Entscheidung von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen: Die Stadtgemeinde R. habe in der Sitzung ihres Gemeinderates vom 27. Juli 1953 beschlossen, dem Beklagten aus ihren am I.-Ufer gelegenen Liegenschaften einen Baugrund zur Errichtung einer Zementwarenerzeugung zum Preise von 20 S pro Quadratmeter zu überlassen; der Beklagte habe das Grundstück in Besitz genommen und den Kaufpreis von 28.460 S erlegt; im Hinblick auf den Widerstand der Grundnachbarn gegen den vom Beklagten geplanten Erzeugungsbetrieb habe sich der Beklagte entschlossen, auf dem Grundstück eine Fremdenpension zu erbauen und von dieser Absicht auch den Bürgermeister der Stadt R., Johann Ki., unterrichtet; nach Durchführung der Vermessungsarbeiten und der Teilung der Parzellen sei der Kaufvertrag am 10. März bzw. 17. März 1959 schriftlich niedergelegt und es sei vom Vertragsverfasser, Notar Dr. E., bei der Bezirkshauptmannschaft K. um die Genehmigung dieses Vertrages im Sinne des § 108 der Tiroler Gemeindeordnung angesucht worden; auf eine entsprechende Anfrage habe der Bürgermeister der klagenden Partei der genannten Bezirkshauptmannschaft mitgeteilt, daß der Grundverkauf an den Beklagten bereits im Jahre 1954 bewilligt, der Kaufpreis erlegt worden sei und es sich bei dem Kaufobjekt um einen ausgesprochenen Wassergrund handle, der nahezu jedes Jahr vom Hochwasser überflutet werde; überdies habe der Bürgermeister der klagenden Partei der Bezirkshauptmannschaft K. berichtet, daß übersehen worden sei, eine Bestimmung über das Wiederkaufsrecht für den Fall der Weiterveräußerung des Grundstückes in den Vertrag einzubauen, und daß dies bei der Genehmigung des vorgelegten Kaufvertrages zu berücksichtigen sei; die Bezirkshauptmannschaft K. habe am 10. Juni 1959 den Grundverkauf unter der Voraussetzung genehmigt, daß dieser die höfekommissionelle Bewilligung erhalte, und überdies unter der Bedingung, daß im Kaufvertrag der Stadtgemeinde R. das Recht eingeräumt werde, das verkaufte Grundstück gegen Erstattung des Kaufschillings zurückzukaufen, sofern die Baubewilligung nicht bis zum 31. Dezember 1959 erwirkt und das Wohnhaus nicht binnen einer weiteren Frist von vier Jahren bezugreif stehe; der in dieser Richtung ergänzte Kaufvertrag sei der Bezirkshauptmannschaft K. vorzulegen; einem Ersuchen des Vertragsverfassers Dr. E., im Interesse des Käufers die Frist vom 31. Dezember 1959 auf den 31. Dezember 1960 zu erstrecken, sei nach Herbeiführung eines diesbezüglichen Gemeinderatsbeschlusses (16. Dezember 1959) entsprochen worden; in der letztgenannten Sitzung seien auch die von der Bezirkshauptmannschaft K. gestellten Bedingungen zur Kenntnis genommen worden; am 7. Jänner bzw. 13. Jänner 1960 sei sodann von den Parteien der Nachtrag zum Kaufvertrag vom 10. März bzw. 17. März 1959 unterfertigt worden, dessen Punkt 2 laute: "Herr Otto H. räumt der Stadtgemeinde R. im Sinne des § 1068 ABGB. das Recht ein, daß sie das Kaufgrundstück gegen Erstattung des Kaufpreises zurückkaufen kann, wenn Herr Otto H. nicht bis spätestens 31. Dezember 1960 die Baubewilligung zum Bau eines Wohnhauses auf dem Kaufgrundstück erwirbt und das Wohnhaus nicht binnen einer weiteren Frist von vier Jahren bezugsreif fertiggestellt ist"; dieses Wiederkaufsrecht sei auch grundbücherlich einverleibt worden; der am 10. Dezember 1960 vom Beklagten beim Gemeinderat K. gestellte Antrag auf Genehmigung des Baues einer Fremdenpension sei ohne bescheidmäßige Erledigung am 20. März 1961 als abgewiesen zurückgestellt worden, weil die Mindestgrenzabstände nicht eingehalten worden seien und es an der Trinkwasserversorgung für eine Fremdenpension fehle; dem Beklagten sei damals bedeutet worden, daß ihm die geplante Trinkwasserversorgung allenfalls erst in einem Jahr zugute kommen werde; das Grundwasser sei zum Trinken ungeeignet gewesen; in der Meinung, daß die Gemeinde R. die Gegebenheiten kenne, habe sich der Beklagte nicht bemüht, eine Verlängerung der in der Wiederkaufsvereinbarung enthaltenen Termine zu erreichen; im Jahre 1963 sei die Trinkwasserversorgung gesichert gewesen und vom Beklagten nunmehr das Bauansuchen wieder betrieben worden. m 8. Jänner 1964 sei dieses von der Gemeinde K. dann auch bewilligt und der entsprechende Bescheid u. a. auch der klagenden Partei zugestellt worden, die bei der am 12. Dezember 1963 durchgeführten Baubewilligungsverhandlung durch ihren Bürgermeisterstellvertreter Otto A., einen Grundnachbarn des Beklagten, vertreten gewesen sei; der Beklagte habe im Frühjahr 1964 aber nicht mit den Bauarbeiten begonnen, weil sein Sohn, den er für diese Arbeiten benötigt habe, zum Bundesheer eingezogen gewesen sei; er habe sich überdies in finanziellen Schwierigkeiten befunden; im Sommer 1964 seien wegen des erhöhten Grundwasserspiegels des I.-Flusses Bauarbeiten nicht möglich gewesen; im Herbst 1964 habe der Beklagte dann wohl mit den Grundaushubarbeiten begonnen, diese Tätigkeit jedoch mit Beginn der kalten Jahreszeit eingestellt; mit Schreiben vom 27. Jänner 1965 habe der Vertreter der klagenden Partei den Beklagten davon in Kenntnis gesetzt, daß der Gemeinderat der Stadtgemeinde R. am 19. Jänner 1965 einstimmig beschlossen habe, das Wiederkaufsrecht auszuüben.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß das Wiederkaufsrecht nicht nur beim Kauf, sondern auch nachträglich vereinbart werden könne; im vorliegenden Falle seien der Kaufvertrag und der die Wiederkaufsvereinbarung enthaltende Nachtrag rechtlich als eine Einheit aufzufassen, weil die im § 108 Tiroler Gemeindeordnung vorgesehene aufsichtsbehördliche Genehmigung erst nach der Aufnahme dieses Nachtrages in den Kaufvertrag erfolgt sei; bei den in der Nachtragsvereinbarung enthaltenen Abmachungen handle es sich um Bedingungen im Sinne der §§ 696 ff., 897 ABGB., deren Möglichkeit und Erlaubtheit zu bejahen und die durch Zeitablauf eingetreten seien; die klagende Partei sei daher berechtigt, das vereinbarte Wiederkaufsrecht geltend zu machen.
Die von der beklagten Partei gegen das Ersturteil erhobene Berufung blieb erfolglos. Das Berufungsgericht begrundete sein Urteil im wesentlichen wie folgt:
Bei der vorliegenden Vereinbarung über das Wiederkaufsrecht handle es sich - von der klagenden Partei aus gesehen - um aufschiebende Bedingungen, die durch Zeitablauf eingetreten seien; es seien mögliche und erlaubte Bedingungen und es bestehe auch kein hinreichender Grund anzunehmen, daß etwa das Beharren der klagenden Partei auf Erfüllung der von der beklagten Partei übernommenen Verpflichtung den guten Sitten widerstreite; es käme vielmehr einem Verstoß gegen Treu und Glauben gleich, wollte man das im Gesetz vorgesehene, zwischen den Parteien gültig vereinbarte Wiederkaufsrecht für unwirksam erklären und solcherart einem dem seinerzeitigen Parteiwillen widerstreitenden Zustand herbeiführen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In der Rechtsrüge bemüht sich der Beklagte darzulegen, daß es den gesetzlichen Auslegungsregeln widerspreche, einer Stadtgemeinde das Wiederkaufsrecht für eine längere Zeit einzuräumen, wobei er darauf verweist, daß nach der Regelung des § 1070 ABGB. dem Verkäufer dieses Recht nur auf seine Lebenszeit eingeräumt werden könne, Gebietskörperschaften aber, nicht in Jahrzehnten, sondern in Jahrhunderten zu fassen seien. Der Rechtsmittelwerber zitiert dabei wohl den Wortlaut der Bestimmung des § 1070 ABGB. richtig, es entgeht ihm bei seiner Argumentation aber, daß juristische Personen in der Regel gleiche Rechte wie natürliche Personen genießen (§ 26 ABGB.). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß die klagende Partei als juristische Person das an und für sich der allgemeinen Verjährung unterliegende (vgl. die bei EvBl. 1948, Nr. 440 zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 157/48) Wiederkaufsrecht wirksam erwerben konnte (Bettelheim in Klang[1] II/2 1016). In diesem Zusammenhang sei noch darauf verwiesen, daß Gemeinden selbständige Wirtschaftskörper darstellen und das Recht haben, innerhalb der allgemeinen gesetzlichen Schranken Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen (so schon seinerzeit Art. 118 B-VG. nunmehr seit der Bundesverfassungsgesetznovelle 1962, BGBl. Nr. 205, Art. 116 (2))).
Schon das Erstgericht hat zutreffend hervorgehoben, daß Wiederkaufsrechte nicht nur bei Abschluß des Kaufvertrages, sondern auch in einer späteren Vereinbarung eingeräumt werden können (GlU. 5691), sodaß die zwischen den beiden Abmachungen liegende Zeitdifferenz den Rechtsstandpunkt der beklagten Partei auf keinen Fall zu untermauern vermag. Dasselbe gilt für die clausula rebus sic stantibus; diese kann wohl einen Vorvertrag (§ 936 ABGB.) in seiner Durchsetzbarkeit, nicht aber eine ex tunc wirkende Wiederkaufsvereinbarung, die eine obligatorische Verpflichtung des ursprünglichen Käufers zur Eigentumsübertragung an den seinerzeitigen Verkäufer zum Inhalt hat, aufheben.
Da es sich sohin bei der Geltendmachung des Wiederkaufsrechtes um die Erfüllung einer getroffenen Vereinbarung handelt, stehen der verpflichteten Partei nur Einwendungen, die sich aus den allgemeinen Grundsätzen über die Erfüllbarkeit rechtsgültig abgeschlossener Verträge ergeben, beispielsweise die Einwendung der nachträglich eingetretenen Unmöglichkeit oder Unerschwinglichkeit der vereinbarten Leistung mit Wirkung der Unmöglichkeit (§ 1447 ABGB.) der jene des Verstoßes gegen die guten Sitten, offen (SZ. III 61).
Der Beklagte hat diese Einwendungen auch erhoben, doch wurden sie von den Vorinstanzen aus zutreffenden Gründen als unberechtigt erkannt. Von einer Leistungsunmöglichkeit im Sinne des § 1447 ABGB. kann füglich nicht gesprochen werden und auch der Revisionswerber selbst vermag nichts vorzubringen, was auf eine solche hindeuten könnte. Die auflösenden Bedingungen, unter denen die Stadtgemeinde R. berechtigt sein sollte, das ihr eingeräumte Wiederkaufsrecht geltend zu machen, sind auch nicht unmöglich im Sinne des § 698 ABGB. Eine unmögliche Bedingung liegt dann vor, wenn deren Erfüllung nicht eintreten kann, wobei es unwesentlich ist, ob der Grund hiefür in einem Naturgesetz oder in den gesetzlichen Vorschriften gelegen ist; die Unmöglichkeit muß allerdings bleibender Art und nicht vom Wechsel der Zeit und der Umstände abhängig sein, liegt doch die Beachtung veränderter Umstände im Wesen der auf eine unbestimmte Zukunft gerichteten Bedingungen (Stubenrauch, Kommentar zum ABGB.[8],I., S. 887).
Die Tatsache, daß der Beklagte die Baubewilligung nicht bis zum 31. Dezember 1960 erwirken, und der Umstand, daß er infolge widriger, von ihm nicht zu vertretender Umstände sein Bauvorhaben nicht verwirklichen konnte, erlauben es nicht, die Bedingungen, unter denen die klagende Partei vereinbarungsgemäß ihr Wiederkaufsrecht ausüben konnte, als "unmöglich" im Sinne des § 698 ABGB. zu qualifizieren.
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