Spruch:
Der Substitut eines Notars ist kein Erfüllungsgehilfe, da er von der Aufsicht des Substituten unabhängig ist. Der Substituent haftet daher nur für culpa in eligendo.
Entscheidung vom 3. Mai 1967, 7 Ob 66/67.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die Kläger begehren vom beklagten Notar Schadenersatz, weil er als ihr Bevollmächtigter bei der grundbücherlichen Durchführung eines Kaufvertrages sich eines Erfüllungsgehilfen bedient habe, der die Einverleibung eines Pachtvertrages auf dem von den Klägern gekauften Grundstück übersehen habe, wodurch den Klägern ein Schaden entstanden sei.
Die Untergerichte stellten folgenden Sachverhalt fest: Die Kläger kauften im Jahre 1961 von Grete A. einen 1006 m2 großen Teil des Grundstückes 1013 der EZ. X., KG. K. Mit der Abfassung des schriftlichen Kaufvertrages und seiner grundbücherlichen Durchführung beauftragten sie den Beklagten. Aus dem beigebrachten Grundbuchsauszug ging hervor, daß die Liegenschaft der Verkäuferin mit einem Bestandrecht zugunsten des Heinrich B. belastet war; Grete A. erklärte aber dem Beklagten, daß das Teilgrundstück das die Kläger erwerben wollten, vom Bestandrecht nicht erfaßt sei, weil es bei einem Zusammenlegungsverfahren zu ihrer Liegenschaft gekommen sei. Der Beklagte verfaßte darauf den Kaufvertrag und die Kläger und die Verkäuferin unterfertigten eine Vollmacht, wonach sie dem Beklagten eine allgemeine unumschränkte Vollmacht erteilten und ihn ermächtigen, sie und ihre Erben in allen vorfallenden Rechts- sowie sonstigen Angelegenheiten sowohl vor Gerichten und anderen Behörden als auch außerbehördlich zu vertreten ..., grundbücherliche Einverleibungs- und Löschungserklärungen abzugeben, Auflassungen zu erteilen und entgegenzunehmen, Grundbuchsgesuche, auch solche um Anmerkung der Rangordnung, zu unterfertigen und einzubringen. Weiters wurde der Beklagte als Machthaber ermächtigt, im Verhinderungsfall die Vollmacht auf einen anderen Bevollmächtigten nach seiner eigenen Wahl in gleichem oder eingeschränktem Umfang zu übertragen oder Untervollmacht zu erteilen und überhaupt alles vorzukehren. Was in Angelegenheiten der Vollmachtgeber nach seiner Ansicht nötig und nützlich erachtet werde. Auf der Vollmacht befindet sich auch eine Substitutionsklausel, in die vom Beklagten der Name Dris. Erich Z., Notarsubstitut in L., eingesetzt wurde. Da der Beklagte trotz der Zusicherung der Grete A. nicht sicher war, ob das verkaufte Grundstück nicht doch von dem Bestandrecht betroffen werde, übe sandte er das Grundbuchsgesuch an den Notar D. L. in K. und ersuchte ihn u. a., vor Überreichung des Gesuches zu überprüfen, ob dieses mit dem Grundbuchsstand übereinstimmt, insbesonders beim Grundbuchsführer festzustellen, ob er auf Grund der Aktenlage die Abschreibung ohne Freilassungserklärung zuläßt.
Schließlich ersuchte der Beklagte seinen Kollegen um Bericht unter Kostenbekanntgabe.
Notar Dr. L. in K. sprach aber nicht mit dem Grundbuchsführer und überreichte das Grundbuchsgesuch, obwohl sich aus dem Grundbuch ergab, daß hinsichtlich der Liegenschaft EZ. X. KG. K. nie ein Zusammenlegungsverfahren stattgefunden hat, und daß ob dieser Liegenschaft ein Bestandrecht zugunsten des Heinrich B. einverleibt war. Auch der Grundbuchsführer übersah das Bestandrecht und bewilligte das Grundbuchsgesuch. Die Kläger begannen darauf im Jahre 1962, auf dem gekauften Grundstück ein Haus zu bauen, mußten den Bau aber bald einstellen, weil Heinrich B., der inzwischen von dem Verkauf des Grundstücksteiles erfahren hatte, sein Bestandrecht geltend machte und schließlich die Abweisung des Grundbuchsgesuches erreichte. Erst nach Einigung mit Heinrich B. konnten die Kläger im Jahre 1966 den Bau fortsetzen. Durch die Verzögerung entstand ihnen ein Schaden.
Das Erstgericht sprach den Klägern mit Teilurteil einen Teil des eingeklagten Betrages zu. Es beurteilte den Sachverhalt rechtlich wie folgt: Bei der Betrauung Dris. L. in K. mit bestimmten Aufgaben liege keine Substitution im Sinn des § 1010 ABGB. vor, denn der Beklagte habe alle das Ausführungsgeschäft umfassenden Einzeltätigkeiten selbst verrichtet, sondern eine bloße Gehilfenhandlung, die jeder Notariatsangestellte hätte vornehmen können. Dr. L. sei daher als Erfüllungsgehilfe des Beklagten tätig geworden und der Beklagte hafte für dessen Verschulden wie für sein eigenes. Die Überreichung des Grundbuchsgesuches durch Dr L. in K. ohne Einholung eines Grundbuchslustrums sei ein grobes Verschulden.
Das Berufungsgericht änderte das Teilurteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es wertete die Tätigkeit Dris. L. nicht als die Tätigkeit eines Erfüllungsgehilfen, sondern als die eines Substituten; denn Dr. L. habe nicht nur den Grundbuchsstand zu überprüfen gehabt, sondern es sei ihm auch die Entscheidung oblegen, ob er das Grundbuchsgesuch auf Grund der Ergebnisse seiner Überprüfungen überreichen solle oder nicht. Er habe also eine Tätigkeit vorzunehmen gehabt, die Inhalt des Ausführungsgeschäftes gewesen sei. Zur Übertragung der Vollmacht sei der Beklagte im Verhinderungsfall berechtigt gewesen, die Kläger haben nicht behauptet, daß keine Verhinderung vorgelegen sei. Der Beklagte hafte daher nach § 1010 ABGB. nur für culpa in eligendo und nicht nach § 1313a ABGB., worauf die Kläger ihre Klage ausdrücklich gestützt haben. Aber auch ein Auswahlverschulden könnte dem Beklagten nicht angelastet werden, weil Dr. L. in K. ein genauer Arbeiter gewesen sei, der sich während seiner Amtstätigkeit nichts habe zuschulden kommen lassen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Kläger sind zunächst der Meinung, der Beklagte hätte auf Grund der ihm erteilten Vollmacht keinen anderen Notar substituieren dürfen, denn er habe nicht behauptet und bewiesen, daß er zur Vornahme der genannten Tätigkeiten nicht selbst in der Lage gewesen sei.
Nun ist die Vollmacht, die die Kläger dem Beklagten ausgestellt haben, die übliche allgemeine Vollmacht, die auch Rechtsanwälten erteilt wird und die die Kläger nunmehr im gleichen Wortlaut auch ihrem jetzigen Klagevertreter ausgestellt haben. Darauf ist ausdrücklich die Substitutionsklausel vorgesehen. Es besteht daher kein Zweifel, daß der Beklagte berechtigt war, im Verhinderungsfall einen anderen Notar oder auch einen Rechtsanwalt zu substituieren. Ein Verhinderungsfall muß schon dann angenommen werden, wenn Prozeßhandlungen, aber auch Grundbuchserhebungen und Grundbuchseingaben bei einem auswärtigen Gericht vorzunehmen sind, weil die persönliche Vornahme solcher Handlungen unnötige Mehrkosten verursachen würde.
Es ist daher nur noch die Frage zu erörtern, ob Notar Dr. L. in K. als Substitut des Beklagten oder als bloßer Erfüllungsgehilfe tätig geworden ist. Wie das Berufungsgericht zutreffend unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung ausgeführt hat, ist die Übertragung eines Geschäfts zu eigener selbstverantwortlicher Besorgung mit dem Begriff eines Erfüllungsgehilfen nicht vereinbar. Ein Erfüllungsgehilfe ist immer ein Gehilfe, also ein Werkzeug des Machthabers, dessen sich dieser zur Erfüllung des ihm aufgetragenen Geschäftes bedient, der aber vom Machthaber abhängig ist und unter dessen Aufsicht steht, wie etwa ein Kanzleiangestellter, ein Rechtsanwaltsanwärter oder ein Notariatskandidat. Den Substituten unterscheidet dagegen die Unabhängigkeit von der Aufsicht des Machthabers. Im vorliegenden Fall hatte Dr. L. in K. nicht nur einzelne Hilfsdienste zu verrichten, sondern selbständig den Grundbuchsstand zu überprüfen und zu entscheiden, ob er auf Grund dieser Überprüfung das Grundbuchsgesuch überreichen solle oder nicht. Man darf die ihm übertragene Aufgabe nicht, wie es die Kläger tun, in die einzelnen Tätigkeiten zerlegen und diese einzelnen Tätigkeiten dann dahin beurteilen, ob sie gewöhnliche Hilfstätigkeiten sind, sondern man muß die dem Dr. L. übertragene Tätigkeit als Ganzes beurteilen. Bei dieser Beurteilung muß aber gesagt werden, daß Notar Dr. L. in K. einen nicht unwesentlichen Teil des dem Beklagten aufgetragenen Geschäfts selbstverantwortlich zu erfüllen gehabt hat. Er hat daher nicht als Erfüllungsgehilfe, sondern als Substitut gehandelt. Der Beklagte haftet daher für ein Verschulden des Substituten nur bei culpa in eligendo, auf die sich die Kläger aber ausdrücklich nicht gestützt haben. Falls aus dem dem Beklagten vorgelegenen Grundbuchsauszug ersichtlich war, daß auf der Liegenschaft der Verkäuferin ein Bestandrecht einverleibt ist, hätte der Beklagte den Grundbuchsantrag allerdings nicht ohne die erforderliche Freilassungserklärung des Bestandnehmers verfassen dürfen. Bestandrechte sind nämlich obligatorische Rechte, die durch die Verbücherung die Natur einer persönlichen Dienstbarkeit annehmen und immer auf dem ganzen Grundbuchskörper haften, auch wenn sich das Bestandrecht nur auf bestimmte Teile erstrecken sollte. Eine Ausnahme besteht nur für Grunddienstbarkeiten, wenn sie auf bestimmte räumliche Grenzen beschränkt sind (SZ. XXXI 65). Da die Kläger aber ausdrücklich erklärt haben, ihr Klagebegehren nicht auf Eigenverschulden des Beklagten oder Auswahlverschulden, sondern nur auf dessen Haftung nach § 1313a ABGB. zu stützen, kann die Frage, ob den Beklagten unmittelbar ein Verschulden trifft, nicht erörtert werden.
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