Normen
ABGB §§33 ff
ABGB §646
Einführungsgesetz zum Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch Art30
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18
Schweizer Zivilgesetzbuch Art52 (1)
ZPO §1
ABGB §§33 ff
ABGB §646
Einführungsgesetz zum Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch Art30
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §18
Schweizer Zivilgesetzbuch Art52 (1)
ZPO §1
Spruch:
Die Parteifähigkeit einer juristischen Person ist dann gegeben, wenn ihr nach dem Rechte ihres Sitzes Rechtspersönlichkeit zukommt.
Entscheidung vom 12. April 1967, 6 Ob 83/67.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die klagende Partei ist im Handelsregister des Kantons Glarus (Schweiz) als Stiftung auf der Grundlage der Statuten vom 24. März 1966 eingetragen. Die Eintragung wurde im Handelsamtsblatt zu SHAB Nr. 83 vom 9. April 1966, S. 1147, publiziert. Die Klägerin dient inhaltlich der Eintragung im Handelsregister der Förderung und Wahrung des Gesellschaftswesens, insbesondere der Wahrung von Rechten von Aktionären im In- und Ausland, insbesondere dem Eintreten für ein rechtschaffenes Verhalten im Verhältnis zwischen Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen, der ehrlichen Auskunftserteilung zum Schutze von Gesellschaftern und Öffentlichkeit und der Aufdeckung und Bekämpfung von Mißbräuchen im Gesellschaftswesen.
Die beklagte Partei erhob in ihrer Klagebeantwortung die Prozeßeinreden der mangelnden Partei- und Prozeßfähigkeit und sie stellte den Antrag, das Verfahren wegen dieser Prozeßhindernisse für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen. Hilfsweise stellte sie den Antrag, das Verfahren gemäß § 190 ZPO. bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine vor dem Zivilgericht in Glarus anhängige Klage wegen Feststellung der Nichtigkeit der Eintragung der Klägerin als Stiftung zu unterbrechen.
Mit Beschluß vom 28. Dezember 1966 hob das Erstgericht das bisherige Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen mangelnder Parteifähigkeit der als Klägerin auftretenden Stiftung zurück.
Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs der klagenden Partei Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß "die Anträge der beklagten Partei auf Nichtigerklärung und Unterbrechung des Verfahrens abgewiesen werden".
Das Rekursgericht beurteilte die Klägerin unter Anwendung schweizerischen Rechtes als parteifähig und billigte ihr die Eigenschaft einer juristischen Person zu.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Parteifähigkeit ist die Fähigkeit, im Prozeß selbständig Träger von Rechten und Pflichten im eigenen Namen zu sein (EvBl. 1966 Nr. 433). Der Begriff der Parteifähigkeit wurde von der Lehre entwickelt, das Gesetz selbst regelt ihn nicht. Der Mangel der Parteifähigkeit stellt ein Prozeßhindernis dar, auf das eine Prozeßeinrede gestützt werden kann.
Die Parteifähigkeit kommt jedenfalls jedem Subjekt des materiellen Rechtes zu, und es ist zu klären, ob die Klägerin diese Eigenschaft besitzt. Allgemein hat sich in der Lehre des internationalen Privatrechtes die Auffassung durchgesetzt, daß die Rechtspersönlichkeit einer ausländischen juristischen Person ebenso nach dem Personalstatut zu beurteilen ist, wie der Status einer natürlichen Person. Was bei der letzteren der Wohnsitz, das ist bei der ersteren der Sitz, also der Ort der Zentralverwaltung (Raape, IPR[5] S. 195, 199, Walker, IPR[5] S. 141, 149, Wolff IPR Deutschlands[3] S. 115 f., Bolla, Grundriß des österreichischen IPR S. 34, Schnitzer, Handbuch des IPR[4] I S. 307, 317, Kegel, IPR[2] S. 205 f.). Die Klägerin ist eine Stiftung, welcher von der Schweizer Behörde am Ort ihres Sitzes Rechtspersönlichkeit verliehen wurde, und es ist nach Schweizer Recht zu prüfen, ob die Klägerin am Ort ihres Sitzes Rechtspersönlichkeit und damit Parteifähigkeit auch in anderen Staaten erlangt hat.
Gemäß Art. 52 (1) Schweizer ZGB. sind die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zweck gewidmeten und selbständigen Anstalten juristische Personen und sie erlangen diese Eigenschaft durch die Eintragung in das Handelsregister. Unter dem II. Titel des Schweizerischen Zivilgesetzbuches werden im 3. Abschnitt (Art. 80 ff.) die Stiftungen behandelt, und da der II. Titel überhaupt den juristischen Personen gewidmet ist, ergibt sich eindeutig, daß Stiftungen im Sinne des dort geltenden Rechtes juristische Personen sind. Da die Klägerin im Handelsregister des Kantons Glarus eingetragen ist, kommt ihr die Eigenschaft einer juristischen Person nach Schweizer Recht zu und damit hat sie diese Eigenschaft auch im österreichischen Rechtsbereich. Ob die Klägerin im Sinne des Art. 88 Schweizer Zivilgesetzbuch "voraussichtlich" wieder gelöscht werden wird, ist vorläufig unerheblich, und es ist auch gar nicht auf die Frage einzugehen, ob die Klägerin mit Recht oder mit Unrecht in das Handelsregister des Kantons Glarus eingetragen wurde, weil darüber allein die zuständige Schweizer Behörde zu befinden hatte.
Unhaltbar ist die vom Revisionswerber vertretene Auffassung, daß eine ausländische juristische Person in Österreich nur dann Rechtssubjekt sein könne, wenn ihr diese Qualifikation von einem österreichischen Gesetz verliehen worden sei. Nur das Heimatrecht kann ihr diese Eigenschaft gewähren oder versagen, jede gegenteilige Auffassung wäre unvereinbar mit dem allgemein anerkannten Personalstatut. Aus diesem Gründe muß auch der Versuch fehlschlagen, unter Heranziehung inländischer Sachnormen wie etwa § 26 ABGB. darzutun, daß die Voraussetzungen für die Rechtspersönlichkeit der Klägerin fehlen. Die weitwendigen Ausführungen des Rechtsmittelwerbers beruhen auf einem fallfremden Sachverhalt, insofern sie sich mit erlaubten oder unerlaubten Personenverbindungen auseinandersetzen, weil die Klägerin überhaupt keine Personenverbindung, sondern eine Stiftung, somit eine Kapitalmasse mit einer dem Stiftungszweck entsprechenden Widmung ist. Auch die Heranziehung inländischer Kollisionsnormen führt zu keinem Erfolg des Rechtsmittels. Die Bestimmung des § 33 ABGB. setzt die Fremden mit den Inländern gleich und befaßt sich überhaupt nicht mit der hier zu untersuchenden Frage, unter welchen Voraussetzungen eine ausländische juristische Person solch ein "Fremder" ist. Unverständlich ist die Zitierung des § 37 ABGB., welcher überhaupt nichts mit der Frage der Rechtspersönlichkeit einer ausländischen Stiftung zu tun hat.
Ist die Klägerin, wie bereits dargelegt wurde, Subjekt des materiellen Rechtes nach Schweizer Recht, dann ist sie auch parteifähig (Kegel S. 206), was ja nur eine Konsequenz der Subjektivität nach materiellem Recht ist.
Zuzugeben ist dem Rechtsmittelwerber lediglich, daß die Anwendung ausländischen materiellen Rechtes in der sogenannten Vorbehaltsklausel (ordre public) eine Schranke finden kann. Dieser allen Rechtsordnungen unvermeidlich innewohnende Vorbehalt muß nicht gerade in einer inländischen Norm verankert sein (in Österreich etwa § 18 der 4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz oder § 81 EO.), denn auch soweit es an einer Verankerung fehlt, ist dieser Vorbehalt allgemein zu unterstellen (Raape S. 91, Bolla S. 23). Die österreichische Lehre und Praxis hat den Begriff, der in romanischen Ländern anders geprägt ist, weitgehend in Anlehnung an die deutsche Lehre und Judikatur verstanden. Gemäß Art. 30 des EGZBGB. (Deutschland) ist die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ausgeschlossen, wenn sie gegen die guten Sitten oder den Zweck eines inländischen Gesetzes verstoßen würde. Es ist der Wissenschaft und Praxis nicht gelungen, dem Vorbehalt des Verstoßes gegen den Zweck eines inländischen Gesetzes einen präzisen und allgemein anerkannten Inhalt zu geben, doch ist davon auszugehen, daß die Anwendung des ausländischen Rechtes die Regel und ihre Versagung nur aus schwerwiegenden Gründen eine Ausnahme zu sein hat (Raape S. 91, Walker S. 307, Schnitzer S. 231, Lauterbach im Beck'schen KK.[26] zu § 30 EGzBGB. S. 1792).
Das deutsche Reichsgericht (Band 60 S. 296; zitiert bei Raape S. 97 und Wolff S. 63) hat folgende Formulierung des Begriffes gewählt, und die deutsche Rechtsprechung ist dieser im wesentlichen treu geblieben:
"Artikel 30 ist dann anzuwenden, wenn der Unterschied zwischen den staatspolitischen oder sozialen Anschauungen, auf welchen dieses fremde Recht und auf welchen das konkurrierende inländische Recht beruht, so erheblich ist, daß die Anwendung des ausländischen Rechtes direkt die Grundlagen des inländischen staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens angreifen würde". Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner Entscheidung EvBl. 1948 Nr. 439 ganz erheblich an die zitierte deutsche Judikatur angelehnt und die gleichen Grundgedanken seiner eigenen Rechtsprechung zugrunde gelegt.
Aus all dem folgt, daß die Anerkennung einer ausländischen juristischen Person durch die Heimatbehörde und die damit verbundene Verleihung der Rechtspersönlichkeit und Parteifähigkeit im österreichischen Rechtsbereich grundsätzlich anzuerkennen ist, daß aber Fälle denkbar sind, in welchen der Anwendung des Personalstatuts Schranken gesetzt sind.
Bei Beurteilung der als Klägerin einschreitenden Stiftung ist davon auszugehen, daß der Stiftungszweck, mag er auch phrasenhaft anmuten und mag auch die Realisierung des idealen Stiftungszweckes zweifelhaft sein, keinesfalls sittenwidrig oder ordnungsfeindlich im Sinne der obigen Darlegungen ist, weshalb von der Anwendung der Vorbehaltsklausel keine Rede sein kann. Nur unter diesem Gesichtspunkt und unter keinem anderen könnte überhaupt die Anerkennung der Klägerin verweigert werden.
Der Hinweis auf die Verschiedenheit der Stiftung in Österreich (§ 646 ABGB.) und in der Schweiz kann dem Rechtsmittelwerber keinen Erfolg bringen, weil die kollidierenden Rechtsordnungen durchaus im Verhältnis der Verschiedenheit stehen können, ja gerade in diesem Falle die Anwendung des fremden Rechtes erst sinnvoll wird.
Aus all dem folgt zusammenfassend, daß das Rekursgericht mit Recht die Parteifähigkeit der Klägerin bejaht hat.
Es steht auch die vom Rekursgericht abgelehnte These Faschings (Komm. II Anm. 16 a zu § 1 ZPO. S. 115), wonach die nicht zu den Personenvereinigungen gehörigen Gebilde nur dann als parteifähig anzusprechen sind, wenn ihnen auch nach der inländischen Rechtsordnung das Recht zu klagen und beklagt zu werden zukommt, der Bejahung der Parteifähigkeit der Klägerin nicht entgegen, weil eben die Frage, ob ihr nach der inländischen Rechtsordnung das Recht zu klagen zukommt, nach den obigen Ausführungen zu bejahen ist.
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