Spruch:
Wenn die geschiedene Frau eine neue Lebensgemeinschaft eingeht, ist der Unterhalt für den Monat, in dem die Lebensgemeinschaft begrundet wurde, bzw. die Hochzeit stattfand, noch zu leisten.
Entscheidung vom 5. April 1967, 3 Ob 32/67.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom30. September 1964 aus dem Verschulden des Mannes geschieden. Im Zuge des Scheidungsverfahrens schlossen die Ehegatten am 30. September 1964 einen gerichtlichen Vergleich, worin sich der Mann verpflichtete, seiner geschiedenen Frau einen monatlichen Unterhalt von 600 S jeweils am Monatsersten im vorhinein bei einem Respiro von fünf Tagen zu bezahlen. Zur Hereinbringung des am 1. September 1965 fälligen Unterhaltsbetrages von 600 S wurde der nunmehrigen Beklagten am 22. September 1965 die Exekution durch Pfändung des Arbeitseinkommens des jetzigen Klägers bewilligt. Der Kläger bekämpft die Exekutionsbewilligung mit einer Klage nach § 35 EO., worin er vorbringt, der Unterhaltsanspruch der Beklagten sei erloschen, weil sie am 15. August 1965 eine Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann eingegangen sei, den sie in der Folgezeit auch geheiratet habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, der jetzige Gatte der Beklagten, Herbert G., habe in der Zeit vom 15. August bis 28. August 1965 mit seinen beiden Kindern aus erster Ehe seinen Urlaub bei der Beklagten in L. verbracht, um festzustellen, ob sich diese Kinder mit der Tochter der Beklagten vertragen und ob in dieser Richtung kein Hindernis für eine Eheschließung mit der Beklagten bestehe. Während dieses Aufenthaltes sei es zu intimen Beziehungen zwischen der Beklagten und ihrem jetzigen Gatten gekommen. Die Kinder G.s seien noch länger bei der Beklagten geblieben und am 4. September 1965 gemeinsam mit der Beklagten und deren Tochter nach Wien in die Wohnung G.s gezogen. Während des Aufenthaltes in L. sei die Beklagte für den Unterhalt aller genannten Personen aufgekommen. Die Beklagte, die damals noch berufstätig gewesen sei, habe das Nachtmahl für alle hergerichtet, während Herbert G. das Frühstück für sich und alle Kinder zubereitet habe. In Wien habe die Beklagte die Lebensmittel für den Unterhalt aller bis zur Eheschließung am 27. September 1965 bzw. bis 1. Oktober 1965 aus ihrem Einkommen gekauft. Sie habe für ihren späteren Gatten und eines seiner Kinder nur das Frühstück und das Nachtmahl zubereitet, weil diese beiden bei der Mutter G.s zu Mittag gegessen haben. Für sich, ihre Tochter und das zweite Kind G.s habe die Beklagte das gesamte Essen zubereitet. Sie habe auch die Wohnung und die Wäsche in Ordnung gehalten.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Beklagte sei schon am 15. August 1965 eine Lebensgemeinschaft mit ihrem späteren Gatten Herbert G. eingegangen, denn neben der Geschlechtsgemeinschaft habe bereits in L. eine Wohngemeinschaft bestanden, die nur dadurch unterbrochen worden sei, daß G. aus dienstlichen Gründen früher nach Wien habe fahren müssen. Diese Lebensgemeinschaft habe das Ruhen des Unterhaltsanspruches für September 1965 zur Folge.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es führte aus, von einer Lebensgemeinschaft könne erst dann gesprochen werden, wenn die Geschlechts- und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer abgestellt sei. Der Aufenthalt G.s und seiner Kinder bei der Beklagten im August 1965 sollte dazu dienen, im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung festzustellen, ob sich die beiderseitigen Kinder vertragen. Dieses Zusammenleben sei also zeitlich begrenzt gewesen. Da G. seinen Wohn- und Dienstort in W. habe, sein Aufenthalt in L. von vornherein auf die Dauer seines Urlaubes begrenzt gewesen sei und er zur Haushaltsführung der Beklagten keinerlei Beiträge geleistet habe, könne für diese Zeit weder von einer Wohnungs- noch von einer Wirtschaftsgemeinschaft gesprochen werden. Erst mit der Übersiedlung der Beklagten nach Wien seien neben den geschlechtlichen Beziehungen auch jene häuslichen und wirtschaftlichen Beziehungen hergestellt worden, die einer Ehe entsprechen. Das Ruhen der Unterhaltspflicht des Klägers sei daher erst mit 4. September 1965 eingetreten. Er habe daher den am 1. September 1965 fälligen Unterhalt noch zu bezahlen gehabt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SpR. 38 neu, RiZ. 1963 S. 213, RiZ. 1965 S. 148 u. a.) tritt zwar durch das Eingehen einer Lebensgemeinschaft der geschiedenen Gattin mit einem anderen Mann das Ruhen ihres Unterhaltsanspruches gegenüber dem geschiedenen Gatten ein, gleichgültig, ob die Frau aus dieser Lebensgemeinschaft ihren Unterhalt gänzlich oder nur teilweise bezieht, von einer Lebensgemeinschaft kann aber erst dann gesprochen werden, wenn ein eheähnlicher Zustand vorliegt, der dem typischen Fall des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft. Allerdings kann das eine oder andere Merkmal fehlen. Es ist dem Berufungsgericht beizustimmen, daß diese Gemeinschaft aber auf Dauer beabsichtigt sein muß. Eine allfällige Geschlechtsgemeinschaft und das gemeinsame Verbringen eines Urlaubs führt noch nicht zur Begründung einer Lebensgemeinschaft, sondern geht bestenfalls nicht über das hinaus, was üblicherweise als intimes Verhältnis bezeichnet wird (vgl. RiZ. 1963 S. 213). Nach den Feststellungen der Untergerichte verbrachte Herbert G. mit seinen Kindern seinen Urlaub vom 15. August bis 28. August 1965, also 14 Tage bei der Beklagten in L., um festzustellen, ob sich die beiderseitigen Kinder miteinander vertragen. Daraus geht schon hervor, daß dieses Beisammensein nicht auf Dauer gedacht war, denn hätten sich die Kinder nicht vertragen, wäre offensichtlich von einer Eheschließung, aber auch von einer Lebensgemeinschaft Abstand genommen worden. Darüber hinaus kann aber auch von keiner Wohnungsgemeinschaft gesprochen werden, denn es war nie geplant, in der Wohnung in L. zusammen zu leben, auch nicht von einer Wirtschaftsgemeinschaft, denn damals kam die Beklagte allein für den Unterhalt ihrer Gäste, wie sie sie nennt, auf. Es ist dem Berufungsgericht daher beizustimmen, daß von einer Lebensgemeinschaft, die das Ruhen des Unterhaltsanspruches zur Folge hat, erst von dem Zeitpunkt an gesprochen werden kann, da die Beklagte in der Absicht, dauernd dort zu bleiben, in die Wohnung ihres jetzigen Gatten nach Wien zog und ihm dort die Wirtschaft führte, also ab 4. September 1965. Da der Unterhalt monatlich im vorhinein zu bezahlen ist, ist er auch für den Monat, in dem die Lebensgemeinschaft begrundet wurde, bzw. die Hochzeit stattfand, noch zu leisten (Schwind S. 245; Hoffmann-Stephan S. 317; Gerold, EheG. S. 280; Volkmar, Großd. Eherecht S. 281; v. Scanzoni, Das großd. Ehegesetz S. 263. 264; 23. Jänner 1929. JBl. 1929 S. 304 = ZBl. 1929 Nr. 128). Der gegenteiligen Meinung Godins (Ausführungen zu § 67 deutsches Ehegesetz), der Unterhaltsbetrag, der auf die Zeit nach der Eheschließung entfällt, müsse zurückgezahlt werden, kann im Hinblick auf die analog anzuwendende Bestimmung des § 70 (3) EheG. nicht gefolgt werden.
Von einem Verzicht auf den Unterhalt für September 1965 oder einer Verwirkung kann auch nicht deshalb gesprochen werden, weil die Beklagte die Exekution erst am 22. September 1965 (oder knapp vorher) beantragt hat, wie der Kläger in der Revision meint. Er hat darauf auch seine der Eventualmaxime unterliegende Klage nicht gestützt.
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