OGH 8Ob32/67

OGH8Ob32/6721.2.1967

SZ 40/23

Normen

ABGB §713
ABGB §§1249 ff
ABGB §713
ABGB §§1249 ff

 

Spruch:

Durch die bloße Verschweigung eines früheren Kodizills anläßlich der Errichtung eines Erbvertrages samt wechselseitigem Testament hat der Erblasser nicht den Willen zum Ausdruck gebracht, das Kodizill außer Wirksamkeit zu setzen.

Entscheidung vom 21. Februar 1967, 8 Ob 32/67.

I. Instanz: Landesgericht Eisenstadt; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der am 30. März 1965 verstorbene Karl A. hat eine am 21. Dezember

1963 eigenhändig geschriebene letztwillige Erklärung hinterlassen,

die folgenden Wortlaut hat: "Entscheidung und letzter Wille. Sollte

mir ... duch Krankheit, Operation oder tödlichen Unfall der

plötzliche Tod eintreffen, ist Frau Irma N. berechtigt und befugt,

von meinem Erbe 50.000 S ... zu beanspruchen". Mit dem in Form eines

Notariatsaktes errichteten Erbvertrag samt wechselseitigem Testament vom 5. März 1964 haben sich Karl A. und Anna A. wechselseitig zu drei Viertel ihres Nachlasses vertragsmäßig und zum letzten Nachlaßviertel testamentarisch als Alleinerben ihres gesamten Nachlasses eingesetzt. Anna A. hat die bedingte Erbserklärung zum Nachlaß des Karl A. abgegeben. Die Klägerin begehrt von der Verlassenschaft nach Karl A. die Auszahlung des für sie ausgesetzten Legates in Höhe von 50.000 S.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte fest, daß Karl A. anläßlich der Errichtung des Erbvertrages samt wechselseitigem Testament, auch nachdem er vom Notar Dr. H. und von dem Schriftenverfasser, dem Notariatskandidaten Dr. Ha., darauf aufmerksam gemacht worden war, daß durch die Testamentserrichtung frühere Erbseinsetzungen widerrufen werden, das Vorhandensein des gegenständlichen Kodizills zugunsten der Klägerin verschwiegen hat. Das Erstgericht war der Ansicht, das Kodizill sei durch die spätere Errichtung des Erbvertrages samt wechselseitigem Testament nicht widerrufen worden. Die Behauptung der Beklagten, Karl A. habe sich zur Errichtung der letztwilligen Verfügung zugunsten der Klägerin nur im Hinblick auf seinen damaligen Krankenhausaufenthalt bestimmt gesehen, die Geltungsdauer dieser letztwilligen Verfügung sei bis zur Beendigung dieses Krankenhausaufenthaltes befristet gewesen, stehe im Widerspruch zum Inhalt dieser letztwilligen Anordnung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Das Berufungsgericht führte zusätzlich aus, daß die Rechtsbeständigkeit des Vermächtnisses zugunsten der Klägerin auch nicht etwa durch den späteren Erbvertrag beeinträchtigt werde. Das Vermächtnis sei auf den durch den Erbvertrag nicht berührten freien Teil des Nachlasses zu beziehen. Es finde im Hinblick darauf, daß der Reinnachlaß, der Anna A. nach dem Inhalt des Verlassenschaftsaktes zufalle, 607.926.17 S betrage, in dem vom Erbvertrag nicht betroffenen freien Teil des Nachlasses Deckung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Da der Wille des Erblassers, sei es, eine letztwillige Anordnung zu treffen, sei es, eine bereits errichtete letztwillige Anordnung wieder aufzuheben oder die Gültigkeit einer letztwilligen Anordnung auf eine bestimmte Zeit zu befristen, nur in der vom Gesetz geforderten Form wirksam erklärt werden kann, ist entscheidend, ob entweder aus dem Inhalt des Kodizills die von der Beklagten behauptete Befristung der Geltungsdauer dieser letztwilligen Anordnung entnommen werden kann oder ob zumindest aus dem Erbvertrag samt wechselseitigem Testament der Wille des Erblassers, das Kodizill mit dieser letztwilligen Erklärung wieder aufzuheben, erschlossen werden kann.

Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß die von der Beklagten behauptete Befristung des Kodizills aus dieser Urkunde nicht zu ersehen ist. Der Inhalt dieser letztwilligen Anordnung, in der auch von einem tödlichen Unfall die Rede ist, spricht vielmehr gegen die Annahme, der Erblasser habe die Geltungsdauer des Kodizills auf die Zeit seines damaligen Krankenhausaufenthaltes beschränken wollen.

Den Vorinstanzen kann aber auch darin gefolgt werden, daß das Kodizill auch nicht durch den späteren Erbvertrag samt wechselseitigem Testament aufgehoben wurde. Die Ansicht der Vorinstanzen, daß ein früheres Kodizill nicht ohne weiteres durch ein späteres Testament aufgehoben wird, entspricht der Lehre und Rechtsprechung (vgl. Klang-komm.[2] III 705 bei Anm. 20, GlUNF. 4180 u. a.). Es müßte, wie bereits ausgeführt, eine Auslegung des späteren Testamentes den Willen des Erblassers zur Aufhebung des früheren Kodizills ergeben (vgl. Klang-komm.[2], zu § 713 ABGB., bei Anm. 18, S. 704). Ein solcher Wille des Erblassers hat aber im Erbvertrag samt wechselseitigem Testament in der Tat keinen Ausdruck gefunden. Durch das bloße Verschweigen des Kodizills anläßlich der Errichtung des Erbvertrages samt wechselseitigem Testament hat der Erblasser nicht den Willen zum Ausdruck gebracht, das Kodizill außer Wirksamkeit zu setzen. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht hervorgehoben, daß die Wirksamkeit des Kodizills auch nicht durch den späteren, drei Viertel des Nachlasses erfassenden Erbvertrag beeinträchtigt wird, weil der vom Erbvertrag nicht erfaßte freie Teil des der Anna A. zugefallenen Nachlasses für die Legatsforderung der Klägerin Deckung bietet.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte