OGH 8Ob369/66

OGH8Ob369/6613.1.1967

SZ 40/4

Normen

ABGB §1330 (2)
ABGB §1330 (2)

 

Spruch:

Keine Haftung nach § 1330 (2) ABGB. für die unrichtige Beantwortung einer Frage durch eine als Partei vernommene, nicht genügend informierte Person.

Entscheidung vom 13. Jänner 1967, 8 Ob 369/66.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger stellt den Antrag, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Behauptung, sie besitze 20% des Unternehmens Schotterwerk M., zu unterlassen, diese Behauptung zu widerrufen und den Widerruf in der Wiener Zeitung "Kurier" zu veröffentlichen.

Unbestritten ist, daß der Kläger allein Inhaber des oben bezeichneten Unternehmens und die Beklagte die Witwe nach dem verstorbenen Bruder des Klägers, Dipl.-Ing. Karl W., ist, der im Innenverhältnis zur Hälfte an dem genannten Unternehmen beteiligt war.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm als erwiesen an, daß Ing. Karl W. seinen Sohn zum Alleinerben eingesetzt und angeordnet habe, daß seiner Gattin, der Beklagten, zur Deckung ihres Lebensunterhaltes 20% vom jährlich anerkannten Reingewinn der Verlassenschaft zufallen sollen. Bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung im Verfahren zu 40 Cg .../64 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien habe die Beklagte als Partei vernommen angegeben: "... Außerdem habe ich noch 20 Prozent der Firma W., das ist sozusagen das Erbe nach meinem Mann". Die Richtigkeit dieser Behauptung habe die Beklagte nach einer ergänzenden Befragung durch Dr. Franz P. bejaht. Sie sei sich der objektiven Unrichtigkeit ihrer Angabe nicht bewußt gewesen und habe nicht die Absicht gehabt, sich durch ihre Behauptung eine Teilhaberschaft am Unternehmen anzumaßen.

Auf Grund dieser Feststellungen gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß die Beklagte die Unwahrheit ihrer objektiv falschen Behauptung weder gekannt habe noch habe kennen müssen.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung und Verhandlung an das Erstgericht zurück. Es setzte seinem Beschluß einen Rechtskraftvorbehalt bei. Das Berufungsgericht ging in seiner Entscheidung auf die Mängel- und Beweisrüge der klagenden Partei nicht ein, weil es die Rechtsansicht vertrat, die Unkenntnis der Beklagten davon, daß sie in keiner Rechtsbeziehung zu dem klägerischen Unternehmen stehe, sei auf eine ihr anzulastende grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen. Es gehe schon aus dem Testament des Ing. Karl W. mit einer auch einem juristischen Laien erkennbaren Deutlichkeit hervor, daß die Beklagte keinen Anteil an dem Unternehmen und auch keinen in Prozenten ausgedrückten Anteil am Reingewinn des Unternehmens erhalten solle. Die Beklagte hätte auch, um sich volle Klarheit zu verschaffen, nur eine Frage an ihren Sohn zu richten brauchen. Die Meinung des Erstgerichtes, die Beklagte hätte die Unwahrheit ihrer Behauptung nicht kennen müssen, sei daher verfehlt. Da grobe Fahrlässigkeit vorliege, erübrige sich, auf die Frage einzugehen, ob für eine Verpflichtung aus dem § 1330 (2) Satz 1 ABGB. leichte Fahrlässigkeit genüge. Die Beklagte habe die von ihr behauptete Tatsache durch ihre Aussage als Partei in einer öffentlichen Verhandlung verbreitet und sie habe damit rechnen müssen, daß ihre Behauptung an Dritte weitergegeben werde. Da das Erstgericht es unterlassen habe, ausreichende Erhebungen und Feststellungen darüber zu treffen, ob die Beklagte tatsächlich einen Wechsel gefälscht und ungedeckte Schecks ausgestellt habe und ob gegen sie Exekutionsverfahren anhängig gewesen seien, und weil ein Unterlassungsbegehren gestellt worden sei, was die Erörterung der Wiederholungsgefahr erforderlich mache, in der Richtung, ob die Beklagte bereits anläßlich eines Darlehensansuchens im Jahre 1964 bei der Ersten Österreichischen Sparkasse behauptet habe, sie besitze 20% des Schotterwerkes M., erscheine das erstgerichtliche Verfahren ergänzungsbedürftig.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof kann der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht beipflichten, daß die Beklagte die Unwahrheit ihrer Behauptung, sie habe noch 20% der Firma W., das sei sozusagen das Erbe nach ihrem Mann, habe kennen müssen und daß ihr bei Verbreitung dieser Tatsache in einer öffentlichen Verhandlung vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen sei. Zunächst läßt der Wortlaut des Testamentes des Ing. Karl W. vom 3. März 1945, es sollen der Beklagten, solange sie unverheiratet sei, zur Deckung ihres Lebensunterhaltes 20% vom steuerlich anerkannten Reingewinn der Verlassenschaft jährlich zufallen, für einen Laien jedenfalls nicht erkennen, daß damit kein Beteiligungsanteil an dem Unternehmen begrundet werden sollte. Abgesehen davon, hat die Beklagte nur von einem Erbe nach ihrem Mann gesprochen, das darin bestehe, daß sie 20% der Firma W. habe. Auf welche Art ihr diese 20% zukommen, hat sie nicht gesagt. Es darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß die Beklagte die erwähnte Äußerung während ihrer Parteivernehmung auf eine an sie gerichtete Frage gemacht hat und es daher abwegig ist, anzunehmen, sie hätte sich vor Beantwortung dieser Frage Klarheit über ihre allfälligen Rechtsbeziehungen zum Unternehmen des Klägers verschaffen sollen und es sei ihr als eine Fahrlässigkeit anzulasten, weil sie eine diesbezügliche Frage an ihren Sohn unterlassen habe. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung EvBl. 1957 Nr. 64 S. 99 ausgesprochen hat, ist die Nichtausnützung einer objektiven Möglichkeit, sich von der Unrichtigkeit einer Tatsache zu überzeugen, noch nicht als fahrlässiges Unterlassen zu werten. Mehr aber konnte der Beklagten nach den Feststellungen des Erstgerichtes nicht zum Vorwurf gemacht werden. Das Gesetz macht denjenigen, der eine kreditschädigende Mitteilung verbreitet, zwar schon dann haftbar, wenn er die Unwahrheit der Mitteilung kennen mußte. Der Fassung des Gesetzes muß aber entnommen werden, daß der Verbreiter nur dann haftet, wenn ihm nach den Umständen des Falles die Weitergabe der Mitteilung als grobe Fahrlässigkeit anzurechnen sei. Wenn er also die Mitteilung weitergegeben hat, obwohl er bei durchschnittlicher, jedermann zumutbarer Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, daß sie unwahr sei (SZ. XXIII 354 und SZ. XXV 169). Unter diesem Gesichtspunkte wird nunmehr das Berufungsgericht die Beweis- und Mängelrüge der Berufung, auf die es im Hinblick auf seine, vom Obersten Gerichtshof nicht geteilte Rechtsansicht nicht eingegangen ist, zu prüfen haben. Findet es die Beweis- und Mängelrüge bei Beachtung der eben dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte für nicht begrundet, dann wird sich bei Zugrundelegung der erstgerichtlichen Feststellungen die Rechtssache im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens als spruchreif erweisen.

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